Buenaaas!

Nachdem ich nun schon einige Wochen hier im Proyecto Don Bosco verbracht habe, möchte ich nun mal darüber berichten, was ich hier eigentlich den ganzen lieben langen Tag so mache (alle, die mich auf BeReal haben, könnten nämlich denken, dass ich 24/7 im Volohaus chille, da ich meine BeReals zu 95% von dort poste hahah – dem ist aber nicht so!!)

Zuerst einmal muss man dafür wissen, dass ich im Hogar Don Bosco arbeite, einem Heim für Jungen im Alter von 5-18 Jahren. Im Hogar gibt es drei Gruppen: „San Francisco“ (die Jüngsten, ca 5-9 Jahre alt), „Miguel Magone“ (die Mittleren, ca 9-12 Jahre alt) und „Carlo Acutis“ (die Ältesten, ca 13-18 Jahre alt). Die angegebenen Altersstufen sind dabei nur ungefähre Anhaltspunkte, eingeteilt wird nämlich nach der jeweiligen Schulstufe, in der man sich befindet. So gibt es zum Beispiel noch einen 16-jährigen Jungen, der sich in der Gruppe Miguel Magone befindet, weil er öfter durchgefallen ist und deshalb nachmittags in die Schule geht. Hier in Bolivien gehen nämlich nicht alle Kinder gleichzeitig zur Schule, sondern die Primaria geht erst nachmittags, die Secundaria geht vormittags – deshalb auch die Gruppeneinteilung nach Schulniveau und nicht nach Alter.

Mein Alltag unter der Woche

Als Volontärin arbeite ich im Hogar vor allem mit den ältesten Jungs, also der Gruppe Carlo Acutis. Da diese morgens in der Schule sind und meine Hilfe somit nicht benötigt wird, beginnt mein Arbeitstag unter der Woche erst um 14:00 Uhr. Bis dahin stehe ich immer ganz in Ruhe auf, schreibe Tagebucheinträge, lese, telefoniere (mein Arbeitsbeginn passt sehr gut zur Zeitverschiebung, da ich ja nach deutscher Zeit erst um 20:00 Uhr zu arbeiten beginne und somit davor Telefonate super möglich sind), verbringe Zeit mit meinen beiden Mitvolos Anni und Lene, die die gleichen Arbeitszeiten haben, gehe ins Gym oder mache anderweitigen Sport. Achso, die Wäsche möchte natürlich auch noch gewaschen und das Bad geputzt werden, was ich dann auch vormittags erledige hahah. Hach, Hotel Mama&Papa war schon was schönes, ich bin aber ja zum Glück relativ selbstständig und kann das alles 😋 (davon profitiert übrigens auch Max, der mich letztens gefragt hat, wie man ein Bad putzt hahah).

Um 14:00 Uhr gehe ich dann also ins Hogar, das ca. 300m von unserem Haus entfernt ist. Dort angekommen, geht es für mich sofort die Treppen hinauf in die „Sala de estudio“, den Raum, in dem die Jungs ihre Hausaufgaben machen und lernen. Nach einer Begrüßung in die Runde kriege ich dann immer direkt von allen Seiten „Sophie, me ayuda?“ (Hilfst du mir?) zugeschrien. Logischerweise kann ich mich aber leider nicht fünfteilen, also schaue ich meistens, was es zu tun gibt und ordne nach Wichtigkeit, wem ich zuerst helfe. Zu den Aufgaben können gehören: Mathe erklären, die englische Aussprache mit den Jungs üben (ob ihr es glaubt oder nicht – das ist eine Mammutaufgabe, irgendwie kommen die Wörter nie so aus deren Mund raus, wie sie es eigentlich sollten🙃), generell Englisch lernen, bei Kunstprojekten helfen, Referate vorbereiten und eine Neuigkeit letztens: einen Pferdekopf basteln, den man sich anziehen kann (da war ich kurz überfordert, wie ich das jetzt mit den wenigen Mitteln, die wir im Hogar haben, anstellen soll, aber nach fünf Minuten kam die zündende Idee, bei deren Umsetzung mir glücklicherweise Anni geholfen hat, da ich anderweitig benötigt wurde). Teilweise brauchen die Jungs aber auch einfach nur mein Handy für ein paar Recherchearbeiten im Internet, wobei ich dann nur aufpassen muss, dass sie mein Handy nicht für anderweitige Zwecke (Musik hören oder bei Facebook einloggen sind hier ganz hoch im Kurs🤨) missbrauchen.

Um 16:00 Uhr gongt es, was unser Zeichen ist, die Sala de Estudio zu verlassen und die Treppen runter in den Speisesaal zu gehen, wo es dann immer eine „Merienda“ (einen kleinen Snack zwischendurch) gibt. Die Merienda variiert dabei täglich, sei es ein Stückchen Brot oder Kuchen, Obst oder sogar Trinkjoghurt, zu trinken gibt es meistens eine sehr süße, aber leckere, Limonade.

Um 16:30 Uhr müssen die Jungs dann ihre „Oficios“ verrichten, das sind ihre alltäglichen Aufgaben, um das Hogar sauber zu halten. Das geht dann von Wäsche waschen über fegen bis hin zu Bädern putzen oder in der Küche den „Cocineras“ (Köchen) beim Zubereiten des Abendessens zu helfen. Dabei schaue ich immer, dass die Jungs auch wirklich ihre Aufgaben machen. Dadurch, dass die Jungs aber alle schon älter sind, erledigen sie eigentlich alles immer gut, deshalb helfe ich dann dem ein oder anderen bei seinem Oficio oder gehe mit einem Müllbeutel bewaffnet durchs Hogar und sammle den Müll vom Boden auf. So blöd diese Aufgabe jetzt klingen mag – ich liebe das Müllaufsammeln! Nach zwei Stunden „Tareas“ (Hausaufgaben) machen, bin ich teilweise echt dankbar über eine kurze Atempause, in der ich mich nicht die ganze Zeit ohne Punkt und Komma auf Spanisch unterhalten muss…

Je nachdem, wann die Oficios beendet sind, beginnt der freie Part des Nachmittags. Den verbringen die meisten damit, Fußball oder Volleyball zu spielen, wobei ich manchmal mitspiele. Manchmal bringe ich aber auch Karten mit und spiele dann mit denjenigen, die keine Lust auf Fußball haben. Oft möchten die Jungs aber auch einfach nur mit mir reden oder mit mir zusammen Musik hören. Generell muss ich sagen, dass sich alle nach Aufmerksamkeit sehnen, die sie von den „Educadores“ (Erziehern) und den psychologischen Betreuern des Projekts nicht immer bekommen können, da im Hogar zurzeit 93 Jungs leben. Deshalb sind wir Volontäre eher dazu da, dass wir ihnen diese Aufmerksamkeit geben, wofür wir aber trotzdem viel zu wenige Volontäre sind, damit alle zufriedengestellt wären.

Ab und zu gehe ich auch mit dem ein oder anderen Jungen hoch in die Sala, da sie noch Hausaufgaben erledigen müssen oder ich ihnen Nachhilfe gebe, wenn sie Schwierigkeiten in bestimmten Fächern (meist Mathe oder Englisch) haben.

Um 19:00 Uhr erklingt dann wieder der Gong. Das ist das Zeichen, dass sich alle im „Comedor“ (Speisesaal) einfinden sollen, um gemeinsam zu Abend zu essen. Dadurch, dass das gesamte Essen des Hogars aus Spenden besteht, gibt es sehr oft Hühnchen mit Reis (ein Träumchen für alle Gymbros hier), aber ab und zu gibt es auch Kartoffeln (meist wieder mit Reis, damit alle satt werden) oder Nudeln. Entgegen den Erzählungen von Ex-Volontären finde ich das Essen aber wirklich immer lecker, das einzige, das ich kaum runterkriege, ist Rinderleber (liegt aber nicht an den Kochkünsten der Cocineras, sondern am Fleisch an sich), die gibt es aber glücklicherweise selten hahah. Profitipp um die runterzukriegen: Ganz viel Reis zeitgleich mit kleinen Stückchen der Leber essen, dann kommt der Geschmack nicht so durch😚)

Nach dem Abendessen geht es dann meistens wieder hoch in die Salas de Estudio, da die Jungs immer enormst viele „Tareas“ (Hausaufgaben) haben und tagsüber nicht fertig geworden sind.

So gegen 20:45 Uhr geht es für die Jungs dann unter die Dusche, wobei ich dann logischerweise nicht mehr behilflich sein kann hahah, deshalb darf ich dann oft schon gehen (mein Tag endet offiziell um 21:00 Uhr) oder ich helfe dem Educador noch dabei, die Salas de Estudio aufzuräumen und zu fegen.

Wenn es dann für mich nach Hause geht, verbringe ich abends meist noch viel Zeit mit meinen Mitvolos, bevor ich mich dann nach einer sehnsüchtig erwarteten Dusche in mein Bett lege und noch ein bisschen mit Anni, meinem Roomie, quatsche, bis uns die Augen zufallen.

So laufen also Montag, Dienstag und Mittwoch ab, Donnerstag und Freitag habe ich frei (da habe ich allerdings schon bemerkt, dass mir ein freier Tag pro Woche reichen würde, deshalb möchte ich fragen, ob ich den jeweils zweiten Tag ansammeln kann, um ihn gebündelt als Urlaub nehmen zu können).

Meine Arbeit am Wochenende

Das Wochenende sieht ein bisschen anders aus, weil die Jungs da keine Schule haben. Deshalb arbeite ich je nach Bedarf entweder von 07:00 – 14:00 Uhr oder von 14:00 – 21:00 Uhr. Diese sind eigentlich sehr frei zu gestalten, bei deren Gestaltung mit Freizeitaktivitäten dürfen auch wir Volontäre aktiv werden. Das sind außerdem die beiden Tage der Woche, an denen ich auch viel Zeit mit den jüngeren Jungs verbringe, die natürlich auch meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben wollen und viele Klatschspiele (Schoko-schoko-la-la, 007, etc.) einfordern. Die einzigen festen Aktivitäten des Wochenendes sind die Messe in der Früh (Samstags um 8:30 Uhr, Sonntags um 09:00 Uhr), der Gang ins Schwimmbad am Samstag (meist um 16:00 Uhr) und das Beten des Rosenkranzes mit allen Jungs zusammen (samstags von 18:20 – 19:00 Uhr). Sonntags ist weniger feste Freizeitgestaltung (eigentlich nur die Messe) eingeplant, da am Sonntagvormittag einige Besucher (Familien der Jungs, etc.) kommen und diejenigen, die ein Handy besitzen, das am Sonntagnachmittag für zwei Stunden bekommen, bevor es über die ganze Woche wieder im Schrank verschwindet.

Vielleicht zum Abschied noch ein kleines Update über meine Gefühlslage hier: Bisher geht es mir echt mega gut hier, Heimweh habe ich nicht und es ist noch kein Tag vergangen, an dem ich das Hogar nicht mit einem breiten Lächeln verlassen habe, voller neuer Dinge und Einstellungen, die die Jungs mir irgendwie gewollt oder ungewollt mitgeben, auch wenn sie einem teilweise den letzten Nerv rauben können (das natürlich bei den Hausaufgaben, da alles interessanter ist als rationale Zahlen). Eins steht jetzt schon fest: nach diesem Jahr werde ich die Meisterin der Geduld sein!!

Danke an alle treuen Seelen, die wieder bis hier gelesen haben und bis zum nächsten Blog!

Hasta luego!