Buenaaaas!

Schon vor über einem Monat hat uns die Deutsche Botschaft in Bolivien für ein Treffen aller deutschen Freiwilligen, die mit Weltwärts ihren Freiwilligendienst in Bolivien machen, nach La Paz eingeladen, damit wir uns gegenseitig kennenlernen und vernetzen können. Da es im Moment aufgrund der politischen Situation ganz viele Straßenblockaden gibt, war die Reise mit einem Bus undenkbar, weshalb wir ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen haben und mit dem Flugzeug geflogen sind. Dadurch wollten wir aber auch das Beste aus dieser Reise machen und sind gleich ein paar Tage länger dort geblieben, um die Gegend rund um La Paz auch kennenlernen zu können.

Deshalb ging es für uns am 05. November ganz früh los zum Flughafen, wo wir uns mit zwei anderen Mädels (Finja und Karla) von Don Bosco Volunteers getroffen haben, die in einem anderen Projekt in der Umgebung von Santa Cruz untergebracht sind. Vielleicht erst mal ein paar Grundinformationen, um gleich besser folgen zu können: In La Paz liegt der Regierungssitz Boliviens, das ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt, da La Paz in der Zone der Anden, der sogenannten Altiplano-Hochebene, auf mehr als 3500m über dem Meeresspiegel liegt. Die Millionenstadt La Paz (der Stadtname bedeutet übrigens „der Frieden“) liegt direkt neben, bzw. etwas unterhalb der anderen Millionenstadt El Alto (der Stadtname bedeutet „die Höhe“), die nochmal höher auf ca. 4100m über dem Meeresspiegel liegt. Im Gegensatz zu La Paz ist El Alto aber flach, während La Paz sehr viele Höhenunterschiede aufweist, mit ganz vielen steilen Straßen, die zu Fuß erkundet werden wollen. In La Paz geht es also einige Höhenmeter rauf und runter, je nachdem, in welchem Stadtteil man sich gerade befindet. Über La Paz wird auch oft gesagt, dass die Stadt wie ein Topf gebaut ist, also der tiefste Teil unten liegt in der Mitte, die restlichen Wohnsiedlungen erstrecken sich an den Berghängen rund um diese tiefliegende Mitte bis hoch nach El Alto. El Alto und La Paz sind direkt durch die „Teleférico“ (Seilbahn) verbunden, die übrigens von einer österreichischen Firma, Doppelmayr, konstruiert wurde.

Dienstag – La Paz

Das erstmal als Grundinfos. Aufgrund der Höhe hatten wir alle Angst, wie es uns dort ergehen würde, weshalb wir uns schon im Vorhinein alle mit Tabletten gegen die „Soroche“ (Höhenkrankheit) eingedeckt haben. Bei der Ankunft am Flughafen in El Alto, also auf 4100m, waren wir trotz der Höhenpillen alle ziemlich zittrig auf den Beinen, leichte Übelkeit und Kopfschmerzen haben sich bemerkbar gemacht und tief einatmen war erstmal nicht mehr.

Wir wurden von Miguel abgeholt, einem Angestellten der salesianischen Universität, in der wir die ganze Zeit über kostenlos übernachten durften, sehr sehr lieb. Als wir aus El Alto raus und die Straße langgefahren sind, die nach La Paz führt, ist mir erstmal die Luft weggeblieben. Aber diesmal nicht aufgrund der Höhe, sondern wegen des atemberaubenden Ausblickes, den wir von der Aussichtsplattform auf La Paz hatten. In der „Universidad Salesiana“ wurden wir von Padre Luis empfangen wie die Könige, jeder hat ein Einzelzimmer mit eigenem Bad bekommen und der Kühlschrank war reichlich gefüllt mit leckerstem Obst und ganz vielen unterschiedlichen Käsesorten, weshalb wir erstmal zusammen mit ihm gefrühstückt haben, es war ja auch erst 09:00 Uhr vormittags. Zu trinken gab es anstatt meines geliebten Kaffees „Mate de Coca“, Tee aus Koka-Blättern, der aber überhaupt nichts mit Kokain zu tun hat, keine Sorge. Der Kokatee hilft bei der Höhenkrankheit, da er vasodilatatorisch (krasses Wort, ich weiß😋) wirkt – die Blutgefäße erweitern sich dadurch also, weshalb der Körper von mehr Blut durchströmt wird und ihm mehr Sauerstoff zugeführt werden kann.

Dann hat uns Mario, ein Mitarbeiter der Uni, eine Stadtrundtour gegeben. Erstmal sind wir einige Linien der Teleférico abgefahren, um einen Überblick über diese riesige Stadt zu bekommen. Es war wirklich sehr interessant, über die verschiedenen Stadtteile zu fliegen, die sich wie Tag und Nacht voneinander unterscheiden können. Teilweise fliegt die Seilbahn nur einen Meter über die Häuserdächer hinweg – man bekommt also wirklich einen Einblick in die Wohnverhältnisse der Bevölkerung. Die Schere zwischen arm und reich ist in La Paz riesig, je höher die Gesellschaft wohnt, desto ärmer ist sie meistens, weil sich mit den Höhenmetern die Temperatur verringert. Mein anfänglicher Trugschluss war aber, zu glauben, dass die unverputzten Häuserfassaden auf Armut hindeuten. Viele Häuser in La Paz und vor allem El Alto werden extra nicht verputzt, da ein Haus hier offiziell erst mit dem Außenputz als als fertiges Haus gilt und erst ab diesem Zeitpunkt Steuern erhoben werden können. Deshalb lässt der größte Teil der Bevölkerung ihr Haus gewollt unverputzt, um den Steuerzahlungen zu entgehen – es lässt sich aber nicht auf die finanzielle Situation der jeweiligen Familie schließen, da innerhalb des Hauses oft trotz des unscheinbaren Außenbildes in größtem Luxus gelebt wird.

Auch innerhalb des Stadtzentrums ist die Schere zwischen arm und reich unverkennbar, es hat mich total mitgenommen, diese vielen obdachlosen Menschen (darunter auch ganz viele Kinder) zu sehen, während die restliche Bevölkerung und darunter auch die Touristen (zu denen natürlich auch wir zählen) rücksichtslos ihrem alltäglichen Leben nachgehen. In La Paz ist es aufgrund der Höhe um einige Grad kälter als in Santa Cruz, nachts kühlt es auf ca. 4 Grad runter, das muss unglaublich schwierig für die Obdachlosen sein. Viele helfen sich in ihrer Not mit dem Drogenkonsum, uns wurden von einem Obdachlosen auch Rauschmittel angeboten. In La Paz ist es auch um einiges gefährlicher als in Santa Cruz, das wussten wir schon davor, trotzdem war es erstmal ein Schlag ins Gesicht, in der Seilbahnstation in El Alto zahlreiche Aushänge von vermissten Personen zu sehen. Auch habe ich von der Entfernung einen kleinen Jungen gesehen, er war vielleicht 11 Jahre alt, von dem sich drei Polizisten die Schuhe haben putzen lassen und von ihrer Art im Umgang mit dem Jungen sehr abschätzig und belächelnd gewirkt haben, das hat mich echt sehr mitgenommen.

In La Paz und der Umgebung ist eine große Präsenz der indigenen Bevölkerung vorherrschend. Die „Chola“ (so wird die indigene bolivianische Frau genannt) ist typischerweise an einem breit ausladenden Rock, langen geflochtenen Zöpfen, einem Hut und einem Jutesack auf dem Rücken zu erkennen, unten habe ich euch einige Bilder angehängt.

La Paz hat mich einfach begeistert – durch diese engen, steilen Gassen zu laufen und zu fahren, so viele indigene Menschen zu sehen, mit der Teleférico dicht über die Häuserdächer zu fliegen und in der Umgebung die hohen Gipfel der Anden zu sehen. Der Verkehr ist zwar nochmal viel chaotischer als in Santa Cruz, aber dadurch, dass nichts passiert ist, war es einfach nur lustig, zu sehen, wie sich alle die Vorfahrt nehmen, einige Vollbremsungen eingelegt werden müssen und wie sich die Autos und Busse teilweise so eng aneinander vorbeigeschlängelt haben, dass kaum ein Blatt dazwischen gepasst hätte.

Mittwoch – Titikakasee

Am Mittwoch ging es dann mit unserer gebuchten Tour 3 Stunden lang im Minibus in Richtung Titikakasee, der höchstgelegene schiffbare See der Welt. Alleine der Weg zum Titikakasee war total interessant, es war wieder so viel indigene Bevölkerung zu sehen und die einzelnen Häuser, die sich am Fuße der Berge erstreckt haben, waren richtig süß. Diese ursprüngliche Art zu leben und sich selber zu versorgen bzw. mit dem Allernötigsten auszukommen, war einfach super interessant und faszinierend zu beobachten. Als wir dann den ersten Blick auf den Titikakasee erhaschen konnten, ist mir erneut die Luft weggeblieben. Auf 3800 Metern über dem Meeresspiegel eine solch riesige Gewässerlandschaft zu sehen, aus der spärlich bewachsene Inseln herausschauen, war einfach etwas Unglaubliches. Unser Guide hat uns dann erstmal eine Tour durch Copacabana gegeben, bevor wir 1,5 Stunden lang mit dem Boot zur Isla del Sol gefahren sind, die Insel, auf welcher die Kultur der Inkas ihren Ursprung hat. Die Bootsüberfahrt war zwar sehr schön, aber aufgrund der Höhe und des Windes sau kalt. Ich hatte im Endeffekt drei Jacken übereinander an (#Zwiebellook🧅😋), aber musste trotzdem noch von Max und Lene „gesandwicht“ werden hahah. Meine Konstruktion zum Schutz der Ohren könnt ihr unten auf dem Bild bewundern🤭. Die farbenfrohe Isla del Sol mit ihren interessanten Gerüchen (es werden viele Heilkräuter angebaut), kleinen Häuschen und vielen Tieren war magisch und ein toller Ort zum runterkommen. Am Mittwoch hatte ich mich auch eigentlich schon an die Höhe gewöhnt gehabt, aber bei den 204 Stufen, die wir direkt am Anfang hochgelaufen sind, hat mein Herz doch wieder ganz schnell geschlagen und ich musste um Luft ringen. Abends ging es dann zurück nach La Paz, die Rückfahrt war wieder wunderschön und ein einzigartiges Erlebnis. Zu sehen, wie die Sonnenstrahlen nach und nach hinter den hohen Gipfeln der Anden verschwunden sind und schlussendlich den Titikakasee in rötliches Licht getaucht haben, hat mich mit so einer Dankbarkeit erfüllt und mich sehr berührt.

Donnerstag – Camino de la muerte

Am Donnerstag wurde es dann ein bisschen actionreicher. Wir haben nämlich mit dem Fahrrad “ el Camino de la Muerte“ (die Todesstraße) zurückgelegt. Das war einst die gefährlichste Straße der Welt und mittlerweile verstehe ich auch, warum. Es gibt teilweise so enge Stellen, an denen es ohne Leitplanke mehrere hundert Meter hinabgeht. Wenn ich mir vorstelle, dass alle möglichen Fahrzeuge (nicht nur PKW, sondern auch LKW) sich da aneinander vorbeizwängen mussten, verstehe ich, wieso pro Jahr ca. 300 Personen auf dieser Strecke gestorben sind. Seit 2007 wurde die Straße aber geschlossen und ist offiziell nur noch für den Fahrradverkehr befahrbar. Damit ist sie ein beliebtes Touristenereignis, da man innerhalb weniger Stunden fast alle Klimazonen Südamerikas durchquert.

Gestartet haben wir unser Abenteuer auf „el Cumbre“ (der Gipfel), der 4650m über dem Meeresspiegel liegt. Da waren die Berggipfel um uns herum noch sehr spärlich bewachsen und es war relativ frisch. Von dort aus sind wir erstmal 1,5 Stunden lang auf Asphalt hinabgefahren, bis dann offiziell die Todesstraße angefangen hat. Ab da war es nämlich vorbei mit breit ausgebauten Asphaltwegen und enge Schotterstraßen, neben denen es einige hundert Meter in den Abgrund geht, wurden zu unseren neuen besten Freunden. Der Weg wurde dann auch anspruchsvoller und erforderte einiges an Konzentrationsvermögen. Von einer anfänglich sehr ängstlichen Fahrerin, die das Schlusslicht bildete, mutierte ich zu einer waghalsigeren, die nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sogar kurzzeitig Max überholte🤫 (den kleinen Egocrash hat er mittlerweile überwunden).

Was soll ich sagen: es war wirklich ein Erlebnis für alle Sinne! Die Temperaturwechsel der unterschiedlichen Höhenmeter zu fühlen, den Staub des Vordermannes zwischen den Lippen zu schmecken, den Wechsel der unterschiedlichen Vegetationszonen mit eigenen Augen sehen zu dürfen und diese Vielfalt an Tieren zu hören, während man versucht, das Gleichgewicht auf den steilen, steinigen Abhängen zu halten und nicht in den Abgrund zu stürzen, waren erneut einfach unbeschreibliche Erfahrungen und Empfindungen, die sich hoffentlich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben.

Als wir dann auf ca. 1200m Höhe in Coroico angekommen sind, ging es für uns noch für 2 Stunden in ein Hotel, wo wir kostenlos zu Mittag essen durften und am hoteleigenen Pool entspannen konnten. Badesachen hatte ich zwar nicht dabei, aber meine Sportkleidung hat es auch getan und ich konnte das innere Kind in mir rauslassen hahah. Im Auto ging es dann die ganzen Höhenmeter wieder rauf. Da sich der Tag langsam dem Ende neigte, sind wir teilweise durch dichte weiße Nebelschwaden gefahren, die uns keine zehn Meter weit blicken lassen haben und uns in ein weißes Nichts getaucht haben. Dann kamen aber doch wieder vereinzelt Sonnenstrahlen durch, die die Anden in gelbliches Licht getaucht haben. Dieses Gefühl, um die Wette mit den Wolken Höhenmeter nach Höhenmeter zurückzulegen, hat mir Tränen in die Augen getrieben. Kurz bevor wir wieder in La Paz ankamen, sind wir noch an Seenlandschaften vorbeigefahren, an deren Ufern Schaf- und Lamaherden um die Wette gerannt sind. Die Welt ist einfach ein einziges Wunder und ich verspüre eine tiefe Dankbarkeit, all das hier erleben zu dürfen!

Freitag&Samstag

Am Freitag war das Treffen mit den anderen Freiwilligen in der Residenz des deutschen Botschafters. Es war echt cool, andere deutsche Freiwillige in unserem Alter kennenzulernen und sich mit ihnen über unsere unterschiedlichen Aufgaben auszutauschen. Für mich war es auch echt interessant, dass es sehr sehr vielen Freiwilligen hier nicht so gut geht bzw. sie mit ihrem Projekt nicht so zufrieden sind, was wir Freiwilligen von Don Bosco so gar nicht nachvollziehen können, weil unser Projekt wirklich toll ist – Don Bosco Volunteers als Organisation auszuwählen war wohl die richtige Entscheidung! Da wir abends noch mit den anderen Volunteers feiern gegangen sind, war der Samstag dann auch nicht mehr so produktiv, wir sind eigentlich nur nochmal mit der Seilbahn über La Paz und El Alto geschwebt und ein bisschen durch das Zentrum geschlendert, dann ging es abends mit dem Flugzeug auch schon wieder zurück nach Santa Cruz.

So schön und erholsam der Trip nach La Paz auch war, wir alle vier waren doch irgendwie wieder froh, in unserem Haus anzukommen und in eigenen Betten zu schlafen – mittlerweile ist das Haus in Santa Cruz nämlich genau das für uns: unser Zuhause :))

Hasta luego!