Buenaaas oder diesmal eher: Feliz Navidad!!
Ich hoffe, ihr hattet schöne Weihnachtsfeiertage – bei mir war es dieses Jahr etwas anders als gewöhnlich. Aber starten wir erstmal mit der Adventszeit. Die Jungs sind Anfang Dezember in ihre lang ersehnten Sommerferien gestartet. Damit ihnen in der Zeit nicht langweilig wird, hat sich die Leitung des Projekts die Ferienaktivität „Navilandia“ überlegt – tägliche Aktivitäten, die von Freiwilligen geleitet wurden. So gab es Volleyball-, Basketball- und Fußballkurse, Mal- und Bingowettbewerbe und Anni und ich haben mit ein paar der kleineren Kinder Weihnachtsplätzchen gebacken.
Lustige Angelegenheit: Um uns herum 15 Kinder, die sich gegenseitig um die Ausstechformen streiten, durcheinanderschreien, dass ihnen der augenscheinlich nur für sie reservierte Teil des ausgerollten Teiges, an dem sie ihren Ausstecher platzieren wollten, geklaut wurde, viele kleine Kinderhände, die den Teig gleichzeitig bearbeiten und die Temperatur von über 35 Grad, die dazu geführt hat, dass unser Teig ziemlich schnell ziemlich weich wurde. Trotz alledem sind die Plätzchen echt gut geworden – war auch notwendig, da wir diese einige Tage später verkaufen sollten, damit das Projekt ein wenig Geld sammeln kann.
Deshalb haben Anni und ich dann auch unsere zwei freien Tage genutzt, um im Volohaus weitere Plätzchen zu backen – mit Weihnachtsmusik und bei künstlichen 16 Grad Klimaanlagentemperatur hat uns das sogar ansatzweise weihnachtliche Gefühle beschert, die wir hier ansonsten bei sommerlichen Temperaturen, zwei Duschen am Tag vor lauter Schwitzen, Sonnenbränden und Palmen diese ganze Zeit über nie hatten. Wir haben uns irgendwann wirklich gefühlt wie in einer Plätzchenproduktion: Teig machen, kaltstellen, ausrollen, ausstechen, backen, verzieren, in Tüten packen, Etiketten ausschneiden und auf die Tüten kleben und schlussendlich mit Geschenkband verschließen. Eine Mammutaufgabe, aber schlussendlich waren pünktlich zur Feria (so heißt die Messeveranstaltung des Hogars) 700 dekorierte, in Tüten verpackte Plätzchen ready, um verkauft zu werden.
Am Samstag, dem 14.12.24, war dann die lang ersehnte Feria des Hogars, die von allen gespannt aber vor allem angespannt erwartet wurde, da es für das Projekt im Moment sehr sehr wichtig ist, Geld zu sammeln – leider steckt es sehr tief in finanziellen Schwierigkeiten. Umso schöner für Anni und mich, dass unsere Plätzchenbackaktion Erfolg hatte und wir alle Plätzchen verkaufen konnten – war nicht unglaublich viel Geld, was dabei rausgekommen ist (umgerechnet ca. 100€), aber bekanntlich macht ja auch Kleinvieh Mist, sodass auf der gesamten Feria mit all ihren unterschiedlichen Ständen echt einiges an Geld gesammelt werden konnte.
Die nächsten Tage bis Weihnachten ging es dann weiter mit der Navilandia – generell muss ich sagen, dass ich ziemlichen Respekt vor der Weihnachts- bzw. Ferienzeit hatte, weil ich befürchtet habe, dass den Jungs der Ausgleich fehlen wird und sie deshalb „unerträglich“ werden. Aber es ist so schön, die Jungs mal abseits von diesem Schulstress zu erleben, sie sind so entspannt und ausgelassen und ich merke, dass die Verbindung zu den Jungs sich gerade in den Ferien deutlich vertieft.
Auch hatten wir Volontäre mehr Freiheit, was mit bzw. für die Jungs zu organisieren, sodass Maria, eine Volontärin aus Italien, und ich uns eines Tages drei Stunden lang in die Küche gestellt haben, um 5kg Maiskörner in Popcorn für 100 hungrige Jungsmäuler zu verwandeln. Bei den Temperaturen (im Moment ist es wirklich so heiß wie noch nie – ist hier ja auch grade Hochsommer) war das eine verschwitzte Angelegenheit, aber durch die Freude der Jungs über das Popcorn hat sich unsere Arbeit bezahlt gemacht!
Dadurch, dass eigentlich jeder Tag durchgeplant war und wir auch nicht wirklich freie Tage hatten wie normalerweise, sondern sehr viel Zeit extra im Hogar waren, ging dann auch die Zeit bis Weihnachten ruck zuck um, Weihnachtsgefühle, die die Tage begleitet haben, hatte ich hier bei täglichen über 30 Grad nie.
Der 24. Dezember hat noch mit ziemlich viel Organisationsarbeit gestartet – so haben die Jungs extra Oficios bekommen und alle im Hogar haben zusammengeholfen, dass für die große Feier am Abend, zu der alle unterschiedlichen Einrichtungen des Projekts zusammenkommen sollten, alles sauber und schön hergerichtet ist. Dabei waren vor allem die kleineren Jungs sehr faul und ich musste mir einiges überlegen, um sie für die Oficios zu motivieren. So habe ich zum Beispiel mit Raúl* einen Wettbewerb gestartet, wer von uns beiden als erstes seine Mülltüte beim Müllsammeln gefüllt hat, da hat er dann ganz eifrig Müll gesammelt. Es kamen dann auch noch ziemlich viele „Donaciones“ (Spenden) rein – tja, dass ich an einem 24. Dezember nachmittags, während meine Familie in Deutschland ihr Weihnachtsfestmal genießt, mal 15 kg Kartoffeln sortieren würde und mich dabei fast vom angenehmen Duft fauliger, mit Würmern befallener, Kartoffeln übergeben müsste, hätte ich auch nicht gedacht. Nach dieser leckeren Angelegenheit ging es dann in Windeseile nach Hause, wo ich mich mittels einer Dusche schnell von den letzten Kartoffel-Duftresten befreit habe und mir ein ansatzweise weihnachtliches Outfit angezogen habe, das aber schön luftig sein musste, um nicht zu zerfließen. Dann bin ich in die Kapelle gerannt, um mir nochmal ein etwas spezielleres Outfit überzuwerfen: Ich wurde nämlich gefragt, ob ich beim Krippenspiel die Maria spielen kann – dass das Jesuskind ein echtes Baby sein würde, wurde mir aber erst eine Minute vor Beginn gesagt. Ging aber alles gut, das Baby hat nicht angefangen, zu weinen und ist schön still auf meinem Schoß sitzen geblieben.
Nach der Messe ging es dann begleitet von strahlenden, durcheinanderschreienden und unglaublich aufgeregten Kindern ins Hogar, wo wir ein leckeres Weihnachtsfestessen genossen haben und danach zusammen Weihnachtslieder gesungen haben. Auch haben sie von einer reichen Familie hier, die das Fest für das Projekt ausgerichtet hat, Parfüm geschenkt bekommen – jetzt läuft man dauerhaft von dieser Parfümwolke begleitet durchs Hogar.
Dieses Weihnachtsfest war ganz anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin – und vielleicht gerade deshalb so magisch für mich. Wie schön ist es, die Freudenstrahlen in den Augen der Kleinsten zu sehen, für die dieser Tag so etwas Besonderes ist. Für mich war es auch sehr berührend zu sehen, wie ausgelassen die Kinder auf einmal wurden, das Ernste beiseite gelegt haben und einfach einmal Kinder sein konnten. Weihnachten ist das Fest der Liebe, das habe ich hier gemerkt – so viele Kinder haben mir ihre Zuneigung an diesem Tag besonders intensiv gezeigt und das, obwohl oder vielleicht auch gerade weil viele insgeheim sehr traurig waren, dieses besondere Fest nicht mit ihren Familien verbringen zu können. Da wurde dann auch die ein oder andere extra Umarmung eingefordert, die ich sehr gerne verteilt habe. Auch wenn die Weihnachtsstimmung hier bei mir nie aufkommen wollte, war an Heiligabend dann doch der Zauber von Weihnachten so stark wie noch nie zu spüren!
Nachdem wir Volontäre alle sehr lange im Hogar geblieben sind, bis die Jungs dann schlafen gegangen sind, ging es nach Hause und wir haben unsere Wichtelgeschenke verteilt und ausgepackt. Danke an meinen Wichtel Max für die sehr sehr schöne Tasche an der Stelle!
Ich hoffe, ihr hattet genauso schöne Weihnachten und rutscht gut ins Jahr 2025 hinein! Ich weiß nicht, ob ihr schon Jahresvorsätze habt, aber vielleicht möchtet ihr euch ja vornehmen, das, was ihr habt, mehr wertzuschätzen. Das ist glaube ich mein größtes „Learning“ aus dem Jahr 2024. In Deutschland haben wir so viele Privilegien, sei es die Schulbildung, fließendes (Trink-)Wasser, eine gute Unterstützung vom deutschen Staat, aber vor allem habe ich gelernt, meine Familie viel mehr wertzuschätzen. Die Unterstützung meiner Eltern, meiner Brüder, meiner Freunde und allen anderen aus dem Bekannten- und Familienkreis – das alles kam mir immer so selbstverständlich vor und ich war der Meinung, dass ich noch mehr Aufmerksamkeit/Geschenke/Unterstützung verdient hätte – aber die Zeit hier, mit Jungs, die entweder keine Eltern haben oder Eltern haben, die sie misshandelt/vernachlässigt/weggestoßen haben oder deren Eltern drogenabhängig, kriminell oder in den Drogenhandel verwickelt sind, lässt mich viel mehr realisieren, in was für einer heilen Welt ich eigentlich aufwachsen durfte und mit wie vielen Privilegien ich beschenkt bin. Und trotzdem wollte ich immer mehr und konnte den Mund nicht voll bekommen. Aber das ist mein fester Vorsatz für das Jahr 2025 und für mein ganzes Leben, das noch auf diesen Freiwilligendienst folgt: Glücklich sein, für die Dinge, die man hat und den Menschen, die man liebt bzw. die einen lieben, viel mehr seine Wertschätzung zeigen!
Fühlt euch gedrückt aus der Ferne und erfriert nicht😚
Hasta luego!
*Name geändert
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