Wenn meine Freunde mich fragen, wann denn mal wieder ein neuer Blogeintrag kommt, dann merke ich, wie die Zeit vergeht. Nein, die Zeit geht nicht, sie rennt, sie fliegt. Seit meinem letzten Blogeintrag Anfang März ist kein Tag vergangen, an dem ich daran gedacht habe, euch zu schreiben.

Nach den stimmungsvollen Ostertagen habe ich die Zeit gefunden und gebe euch einen kleinen Einblick in die letzten Wochen.

Die Mädchen und das Foyer

Anfang März hatten die Mädchen ihre Abschlussprüfungen für das zweite Trimester. Das heißt, an 4 Tagen, zwölf Klausuren. Um fünf Uhr geht es für alle schnell unter die Dusche und ich verteile das Essen und lege ein Haribo-Tierchen auf die Tuperdose. Die Mädels sind den ganzen Tag in der Schule, kommen am späten Nachmittag platt nach Hause und müssen sich wieder an die Schulsachen machen, denn am Tag drauf geht es gleich weiter. Pro Tag nehme ich mir meistens ein Mädchen vor und bereite sie so gut es geht auf die Englischprüfung vor. Mit Manchen kann ich problemlos Texte lesen und bearbeiten. Mit anderen fange ich ganz vorne an: „he, she, it avec S“. Vor kurzem habe ich damit angefangen, mich in die französische Mathematik einzulesen und kann jetzt auch den Kleineren bei Geometrie oder der Bruchrechnung helfen. Mein Fazit: Die einfache Mathematik kann irgendwie auch Spaß machen, sobald es kompliziert wird, wechsele ich gerne das Thema.

Die letzten Wochenenden haben wir abends öfter einen Filmabend gemacht, Stopptanz gespielt oder ich habe Geschichten aus meinem neuen Buch „100 Geschichten von rebellischen Mädchen“ vorgelesen. In der Fastenzeit machen wir freitags abends anstatt dem Rosenkranzgebet, einen Kreuzweg und laufen die 14 Stationen, markiert durch Kreidezahlen, im Foyer ab.

Im letzten Monat habe ich zum ersten Mal miterlebt, wie ein Mädchen ins Foyer aufgenommen wurde. Das Mädchen hat mit ihrem Papa auf dem Dorf gewohnt, er konnte sich aber nie wirklich um sie kümmern und hatte wenig Geld, sodass sie nur auf dem Feld gearbeitet hat, anstatt in die Schule zu gehen. Ihre Mama ist verstorben. Seit sie hier ist, geht sie in die Grundschule. Nach knapp 1 ½ Monaten hat sie sich sehr gut eingelebt, hat ihre Bezugspersonen gefunden und erledigt selbstverständlich ihre täglichen Aufgaben. Ich erwähne das aus dem Grund, da ich weiß, wie schwer es sein kann, sein Leben auf einmal auf eine WG mit 22 anderen Mädchen umzustellen. Ja, auch ich und alle anderen waren mal neu.

Spannende Aktivitäten

Es wurde mal wieder heiß, warm, lang, lustig und feierlich. Wir machen uns auf den Weg auf eine Pelerinage (Pilgerfahrt). Morgens um 5 Uhr geht es mit einem Kleinbus los, vollgestopft mit doppelt so vielen Personen wie vorgesehen. Unser Ziel ist ein Ort in der Nähe von Kara, an dem sich unzählige Katholiken für eine Messe unter freiem Himmel treffen.

Einem Fastnachtsumzug ähnelnd, laufen die verschiedenen Gemeinden, die aus dem ganzen Land angereist sind, mit eigenem Chor und großem Erkennungsschild über die Straße, die uns zu unserem Ziel führt. Die Stimmung ist voller Euphorie und Freude. Es wird gesungen, getanzt, gebetet. Jeremias und ich essen während der Zeremonie drei Portionen WassaWassa (dunkler Couscous/ oder auch „couscous african), trinken über 5 Liter Wasser, weil uns die Hitze einiges abverlangt und kaufen den ein oder anderen Souvenir an den Ständen, die ringsherum verteilt sind. Die Rückfahrt wird nicht weniger langweilig, unsere Gemeinde wird einfach nicht müde vom Singen.

Es wird eng – nicht mal alle Köpfe passen rein

Zwei Wochen später fand nach ähnlichem Prinzip (diesmal von unserer Don Bosco Gemeinde organisiert) eine Pilgerfahrt für die Kinder statt, bei der wir ebenfalls dabei waren. Die Messe war glücklicherweise um einiges kürzer und für einen „coolen Tanzauftritt“ gab es Kekse als Belohnung.

Es gibt Ferien

In den sogenannten Osterferien, die komischerweise nicht über das Osterfest fallen, gab es einiges an Programm die Kinder. Unser Einstieg bildete mal wieder ein Kinoabend und wir zeigten die „Vorstadtkrokodile“. In den folgenden Tagen hörte man mal hier, mal da ein Summen von „du hast, du hast, du hast das Zeug zum Superhelden, Suuuperhelden…“. Und da alle sehr beeindruckt waren von der Bande aus dem Film, schauten wir zwei Wochen später gleich Teil 2. Unser großes Geländespiel, bei dem die Kinder Zahlen suchen, Aufgaben erledigen und Fragen beantworten müssen, wurde mal wieder zum Highlight und die Gewinner, Team Fanta, wurden auf ein großes Softgetränk eingeladen.

Ein Fußballturnier, sowie ein Wasserpongturnier im Mädchenheim durften sicherlich auch nicht fehlen und abschließend zu den sehr viel kürzeren Ferien, als an Weihnachten, gab es für die Mädels ein ganz besonderes Abendessen mit gebratenem Fisch, einer reisartigen Spezialität aus der Cote D`Ivorer und einem Film zum Verdauen.

Eine schlaflose Nacht

Es ist der 21. März 2019. Ich komme etwas später mit zwei Mädels nach Hause, denn wir waren zusammen auf einem kulturellen Abend. Die Straßen sind leer, die Stadt Kara wird vom Mond beleuchtet, alles andere ist dunkel, denn wir haben Stromausfall. Zuhause angekommen, gehen wir sofort ins Bett, doch ich kann nicht schlafen. Ich liege zum ersten Mal nach acht Monaten schlaflos im Bett, meine Gedanken lassen mich nicht in Frieden. Auf einmal höre ich etwas plätschern. Es ist halb zwei nachts und aus einem unserer zwei Wasserhähne im Foyer fließt Wasser. Warum das etwas Besonderes ist? Seit zwei Wochen kam kein einziger Tropfen mehr heraus, wir mussten jeden Tag einen langen Weg auf uns nehmen um nach Wasser zu suchen. Nach sechs Monaten Trockenzeit sind die Vorräte eben irgendwann verbraucht.

Ich wickele mir schnell einen Stoff um die Hüfte und fange an mit zwei Mädchen all unsere Behältnisse mit Wasser zu befüllen. Wir haben gerade erst angefangen, da kommen die ersten NachbarInnen in den Hof. Man sieht ihnen ihre Müdigkeit an, aber Wasser geht in diesen Stunden vor. Wir schöpfen aus unseren Eimern wieder das Wasser heraus, gießen es in deren Gefäße und schicken sie zurück ins Bett. Ich bin super glücklich, denn schlafen konnte ich sowie so nicht. Über drei Stunden bin ich beschäftigt, während der Großteil schläft.

Als es so langsam hell wird, hole ich mir ein Kissen und lege mich zu den Mädchen in den Hof. Vielleicht kann ich nach 3 ½ Stunden „Arbeit“ schlafen… Pustekuchen, nach 45 Minuten schlummern, will ein erstes Mädchen Geld haben, was sie bei mir zurückgelegt hat, eine andere braucht die Taschenlampe, um ihr Gepäck für die Klassenfahrt zu packen (denn Stromausfall herrscht immer noch) und Zimmer E beginnt im Hof zu fegen.

Die schlaflose Nacht wird zum Tag und ich gucke auf mein Handy. Auf der Tagesschau App sehe ich eine neue Benachrichtigung: „Heute, 22.März – Weltwassertag – wie können sie sich engagieren?“. Ich muss anfangen zu lachen. Ich glaube, ich habe meine Arbeit getan.


Liebe Leser und Leserinnen, über die Ostertage werde ich euch in einem nächsten Beitrag berichten. Wenn ihr weitere Themen habt, die euch interessieren, lasst es mich bitte wissen.

Da das dritte Trimester begonnen hat, habe ich an den meisten Vormittagen unter der Woche wieder mehr Zeit, euch zu schreiben.

Nach 40 Tagen Fastenzeit durften Jeremias und ich am Sonntag unser erstes „Pils Togolaise“ trinken und sind damit in unsere letzten vier Monate gestartet. Mit einem heftigen Regenschauer hat sich gestern die Regenzeit nach Monaten zurückgemeldet und uns die letzten Mangos, von denen ich niemals genug kriegen kann, vom Baum gerissen.

Die besten Grüße zu Euch, und bis ganz bald
Sophie

momentan grüßt Euch eine Sophie in blond, aber keine Angst, das sind nur eingeflochtene Kunsthaare!