Nur verkauft er kein Eis. Und es ist auch kein Wagen. Aber ich fang mal von vorne an.
Es kam jetzt länger kein Blog, dafür jetzt mal ein etwas ausführlicherer. Wenn ich den Blog hier hochlade, bin ich schon 4 Wochen hier im Projekt. Ich fange allmählich an, mich einzuleben. Bis das passiert ist, wird es noch eine ganze Weile dauern, aber so langsam gewöhne ich mich an den Alltag hier. Und der sieht ungefähr wie folgt aus:
Alltag
Morgens geht’s für mich um 5:45 aus den Federn, weil um 6:00 die morgendliche study- Einheit der „Hostel Boys“ ansteht. Das sind, zur Erinnerung, die sechs Jungs, die auf dem Schulgelände wohnen, weil ihr Zuhause zu weit weg ist. Um 6Uhr ist also eine halbe Stunde Zeit für Hausaufgaben, was jedoch auf Grund der Uhrzeit verständlicherweise meist sehr unproduktiv ist. Um 6:30 findet dann täglich der Gottesdienst statt. Wir haben hier im Projekt zwei „Fathers“, also Salesianer, geweihte Priester. Einer hält, auf Tamil, die Messe abwechselnd hier bei uns auf dem Gelände für die hostelboys und am nächsten Tag dann auf der anderen Straßenseite für die 3 Schwestern und die hostel girls. Der andere Father hält auf Englisch die Messe, entsprechend versetzt. War das verständlich?
Jedenfalls haben Conrad und ich jeden Morgen einen englischen Gottesdienst, entweder bei uns, oder auf der anderen Straßenseite, 3 Minuten zu Fuß entfernt.
Die Messe wird jeden Morgen von einer mysteriösen Musik aus dem Off begleitet, die stark der Musik ähnelt, die ein Eiswagen in einem schlechten Hollywoodfilm spielen würde, während er durch die Straßen fährt. Dafür dass die Straße ein ganzes Stück weg ist, ist die Musik jeden Morgen ziemlich laut. Was das genau für ein Gefährt ist, welches diese nervige Melodie spielt, dazu später mehr.
Um 7Uhr, nach der Messe, geht es dann für uns mit einer weiteren halben Stunde Hausaufgabenbetreuung weiter, meist genauso ineffektiv, wie die die halbe Stunde vor der Messe. Um 7:30 stehen dann die Morgenarbeiten für die Jungs an. Die bestehen hauptsächlich daraus, die Bereiche hier zu fegen und manchmal auch die Dusche zu putzen oder ein bisschen Laub zu harken. Wir gucken, dass die Jungs ihre Arbeit machen und helfen ein bisschen beim Fegen.
Um 8:00 gibt es dann Frühstück. Das besteht meist aus Reis, Ei und einem Curry, was relativ scharf ist und Conrad deswegen ordentlich auf die Nerven geht. Manchmal gibt es auch statt Reis so eine Art Fladenbrot (rotthi) was sehr lecker ist.
Um 8:30 ist in der Technical School, der Berufsschule, auf dessen Gelände wir wohnen, die „Morning Assembly“, also die Versammlung. Da wird ein kurzes Gebet gesprochen und es gibt eine kleine Ansprache von einem der Fathers. Nach circa einer Viertelstunde ist die vorbei und Conrad und ich haben den restlichen Vormittag frei. Um 12 geht’s dann in die Schule, wo wir immer abwechselnd in der fünften, vierten und sechsten Klasse sitzen. Da sind wir meist nicht so unfassbar hilfreich, eine Schachstunde oder ein bisschen Deutschunterricht kommt aber immer sehr gut an. Abgesehen davon können wir aber schwierig helfen, weil Fachunterrricht teilweise auf Tamil ist. Wenn die Schule um 13:30 vorbei ist gehen wir schnell wieder zurück auf „unsere“ Seite der Straße und essen zu Mittag. Da gibt es meist Reis, Nudeln oder „String hopper“, das sind sehr feine Nudeln, aus feingemahlenem Reismehl, eine Spezialität in Sri Lanka. Dazu gibt es meist noch Ziege, Huhn oder Fisch und ein Curry, was teilweise wirklich sehr scharf ist.
Um 14:00 geben Conrad und ich dann zusammen eine 3/4 Stunde Deutschunterricht für die älteren Schüler und eine Father. Den Unterricht probieren wir mit kleinen Spielen oder Songs möglichst interessant zu gestalten. Und als wir letzten Montag unseren ersten Test geschrieben haben, hat auch ein Großteil der Schüler bestanden. Schwierig ist vor allem die Schreibweise, da die Schüler teilweise auch nur sehr schlechtes Englisch sprechen und entsprechend noch schlechter schreiben können. Für Deutsch ist das ungünstig, die meisten haben es aber einigermaßen hingekriegt.
Nach dem Deutschunterricht haben wir dann ein bisschen frei, bevor 3mal die Woche die Tamillehrerin um 16:00 kommt. Nach einer Stunde voller neuer Vokabeln und einer verknoteten Zunge spielen wir mit den Internatsjungs meist noch ein bisschen Fußball, Volleyball oder Cricket. Cricket ist sehr groß in Sri Lanka und eigentlich ein sehr schönes Spiel, ich würde sagen eine Mischung aus Baseball und Golf( von der Schlagbewegung her), es kann nur irgendwann langweilig werden, wenn man nicht an der Reihe ist, den Ball zu werfen oder zu schlagen.
Für besonders Interessierte hab ich hier nochmal die Cricketregeln verlinkt.
Um 18:00 es dann Zeit zu duschen, länger könnte man auch nicht spielen, weil es ab 6 sehr schnell dunkel wird. Conrad und ich wechseln uns damit ab, wer die Jungs beim Duschen betreut (also vor der Tür sitzt und aufpasst, dass die Jungs nicht rumschreien oder zu lange brauchen). Das ist aber auch nicht so wichtig, die Jungs sind sehr verantwortungsbewusst und selbstständig.
Um 18:30 haben die Jungs dann für eine Viertelstunde Personal Prayer in der Kapelle. Danach helfen wir ihnen bei ihren Hausaufgaben und beim Lernen. Da wird auch fleißig Deutsch gelernt und von Conrad und mir Tamil. Um 19:50 beten wir dann jeden Abend einen Rosenkranz auf Tamil. Währenddessen laufen wir langsam über das Gelände (aber nur mit Taschenlampe, weil wir unangenehme Begegnungen mit Schlangen, Skorpionen oder Spinnen verhindern wollen).
Während des Rosenkranzes hört man übrigens jeden Abend die Musik des vermeintlichen Eiswagens.
Nach zwei Wochen haben wir dann endlich mal herausgefunden was das für ein Gefährt ist: Ein Tuktuk mit einem absolut überdimensionierten Lautsprecher. Hinten ist so eine Art Theke für Backwaren aufgebaut. Dieses Tuktuk fährt wirklich jeden Tag von früh bis spät durch die Straßen und verkauft in einer krassen Lautstärke Gebäck.
Mittlerweile gehört die Musik irgendwie zum Alltag mit dazu und fungiert für mich als Signal das der Tag anfängt, bzw. aufhört. Eigentlich ganz schön.
Aber zurück zum Rosenkranz.
Wir laufen also betend circa 20-30 Minuten über das Gelände und im Anschluss hält einer der beiden Fathers eine kurze Ansprache. Conrad und ich sind auch beide einmal in der Woche dran. Wir sollen über eine Art „life lesson“ reden, also so eine Art kleine Motivationsrede halten. Letzten Mittwoch war ich dran. Ich hab über den Straßenfeger aus dem Buch Momo geredet und wie er immer nur einen Stein nach dem anderen fegt. Dann hab ich, natürlich alles auf Englisch, probiert zu erklären, das selbst die größten Aufgaben machbar sind, wenn man sie sich in kleine Teile unterteilt.
Diese Rede war übrigens stark inspiriert von der Rede die mein Schulleiter gehalten hat, als ich in die 5. Klasse des Gymnasiums gekommen bin. Aber weiter im Text.
Nach dem Rosenkranz gibt es Abendessen. Auch da meist Reis, Nudeln, Stringhoppers mit Ei und Curry. Abends essen wir immer mit den beiden Fathers und unterhalten uns noch ein bisschen. Manchmal gucken wir auch dabei Cricket oder Nachrichten. Die Jungs kriegen abends bis 21:30 ihre Handys und gehen danach zu Bett. Ich meistens bei ihnen, bis sie die Handys wieder abgegeben haben und gehe dann schlafen. So komme ich ziemlich genau auf acht Stunden Schlaf. Es ist aber trotzdem ungewohnt, dass es abends so früh dunkel wird aber trotzdem sehr heiß ist. Deswegen sagt mir meine innere Uhr, das es gefühlt schon 00:30 ist. Das wird noch eine Weile brauchen, bis ich mich daran gewöhnt habe.
Dieser Tagesablauf gilt für die Wochentage. Die Wochenenden sehen anders aus:
Wochenenden
Wir können etwas später aufstehen, weil die Messe später ist. Danach müssen die Jungs Aufgaben erledigen, die eben anfallen. Also z.B. auf der Kokosnussplantage Palmwedel sammeln oder den Wassertank reinigen. Seit letztem Samstag geben Conrad und ich 2 Stunden Fußballtraining für die 4-6 Klässler. Das bieten wir jeden Samstag an und an allen gesetzlichen Feiertagen. Und davon gibt es einige hier in Sri Lanka. Beispielsweise ist der Tag an dem Vollmond ist (Poya) jeden Monat frei, weil er von den Buddhisten gefeiert wird. Am letzten Donnerstag war auch frei, weil da das hinduistische Lichterfest „Diwali“ gefeiert wurde.
Also, wir bieten dann morgens immer Fußballtraining an. Ansonsten haben wir keinen richtigen Tagesablauf.
Die Wochenende sind sehr entspannt. Wir werden manchmal zu Fußballspielen ins Dorf eingeladen oder zu Festen. Vor zwei Wochen waren wir am Sonntag zur Messe im Dorf und sind danach mit einem Boot circa einen Kilometer rausgefahren, zu einer kleinen Pfahlhütte, die zu einer Seegurkenfarm gehört. Seegurken sind übrigens Tiere, was ich nicht wusste. Damit bin ich sicherlich auch nicht allein. Die Seegurken werden nach China und Vietnam exportiert und dort gegessen.
Das Meer hier ist Brackwasser, das heißt es ist auch bei diesen Pfahlbauten nur circa 1,20m tief.
Am letzten Samstag sind wir zu einem Fußballspiel gefahren, ich mit einem Lehrer auf seinem Motorrad und Conrad auf dem Roller hinterher. Direkt vor der Einfahrt hier standen zwei Soldaten mit Kalaschnikows in der Hand. Die haben uns zum Glück aber nur freundlich zugenickt und nicht nach dem Führerschein gefragt, den wir nicht hätten vorweisen können.
Die Wochenenden nutze ich auch um mit meiner Familie und Freunden zu telefonieren. Unter der Woche ist dafür keine Zeit.
So, das war mehr oder weniger der Tagesablauf. Es gibt aber auch häufig kurzfristig ein paar Änderungen oder Besonderheiten, weshalb kein Tag genau wie der der andere ist oder langweilig wird.
Diesen Dienstag ist morgens zum Beispiel die Wasserpumpe kaputtgegangen. Die muss erstmal repariert werden, der Gottesdienst konnte nicht stattfinden, das Zähne putzen und auf Klo gehen hat sich auch als schwierig gestaltet.
Mit einem Eimer zu duschen, ist übrigens was, das nicht so toll ist
Die letzten Tage hatten wir auch zweimal abends einen Stromausfall. In Dunkeln, mit Stirnlampe, Zähneputzen ist auch eine neue Erfahrung für mich.
Macht nicht so wirklich Spaß.
Hier erkennt man erst, wie privilegiert wir eigentlich leben in Deutschland.
Achja, ich führe jetzt noch eine neue Kategorie ein, die immer mal wieder geupdated wird. Ich nenne sie
Pauls sonderbare Speisen
Affe- An Tag zwei meines Freiwilligendienstes haben die Jungs einen Affen erlegt, wie genau weiss ich nicht. Jedenfalls gab es einen Tag später „hanging deer“ zu Mittag. Der war gut gewürzt aber relativ zäh.
Rochen- Vor circa einer Woche gab es einen etwas seltsam aussehenden Fisch zu Essen. Er war ziemlich dünn und geschmacklos. Hatte auch erstaunlicherweise keine Gräten. Auf Nachfrage entpuppte es sich als Rochen. Die sind wohl relativ häufig hier und werden öfter mal gegessen.
So, das war mein Blogeintrag. Ich bedanke mich fürs Lesen. Wer sich für Blogeinträge von anderen Freiwilligen interessiert, kann gerne mal hier vorbeischauen, da posten die anderen Don Bosco Volunteers ihre Blogeinträge.
Bei Fragen schreibt mir doch gerne einen Kommentar. Bis zum nächsten Mal!
Johannes
Hey lieber Paul, das klingt wirklich abenteuerlich. Du leistest da echt sinnvolle und wichtige Arbeit, Respekt. Bleib gesund und lass dich nicht stechen, beißen oder zertrampeln. Liebe Grüße aus Berlin
Paul Geppert
Grüss dich Johannes,
nicht krank werden klappt nur teilweise, genauso wie nicht stechen und beißen lassen. Zertrampelt wurde ich noch nicht, weil wir bisher leider keine Elefanten gesehen haben aber das kommt noch 🙂
GaLiGrü aus Sri Lanka