„Bi öchigdör budaa idsen.“

Jetzt sind die ersten zwei Monate hier schon fast rum und trotzdem gibt es noch ziemlich viel zu erlernen. Aber erlebt haben wir seit meinem letzten Eintrag auch schon ein bisschen:

Unter anderem waren wir für ein paar Tage in Darkhan, der zweitgrößten Stadt der Mongolei mit stolzen 100.000 Einwohnern. Das Ganze war eigentlich eine ziemlich spontane Sache:

Am Sonntag war Fr. Andy aus Darkhan bei uns, um in der hiesigen vietnamesischen Gemeinde eine Messe zu feiern. Weil er und Fr. Paolo uns schon länger eingeladen hatten, sie in Darkhan zu besuchen, hat er dann gefragt, ob wir nicht einfach mit ihm zurückfahren wollen. Also haben wir schnell ein paar Sachen gepackt und sind mitgekommen. Die Fahrt dauert ungefähr drei Stunden, die man auf einer einsamen Straße durch die weite Landschaft verbringt. Man könnte denken, irgendwann wird die braune und teilweise schon vom Schnee weiß gefärbte Hügellandschaft langweilig, aber irgendwie könnte ich Stunden damit verbringen, aus dem Fenster zu starren. Immer wieder sieht man Herden von Pferden, Kühen oder Schafen, vereinzelt Jurten und kleine Häuser oder einfach nur Hügel und Himmel. Die leere Weite hat eigentlich was ziemlich beruhigendes, besonders für die Augen. Und man atmet irgendwie freier. Ich denke, es ist ein ähnliches Gefühl, wie der Blick von einem hohen Berggipfel oder aufs Meer.

Darkhan ist ganz anders als Ulaanbaatar. Klar, das fängt schon mit dem Kleinstadtcharakter an. Wie laut und dunstig die Hauptstadt eigentlich ist, merkt man erst, wenn man nicht mehr dort ist. In Darkhan ist es dagegen quasi still und auch die Luft ist klarer. Abgesehen natürlich vom Bahnhof, der sich direkt neben dem Haus der Salesianer befindet und auf dem Tag wie Nacht Güterzüge vorbeirattern. 

Wir wurden von allen total herzlich empfangen. Weil die Jungsmannschaft des Centers einen Tag vorher den stadtweiten Fußballwettkampf gewonnen hatte, wollte Fr. Paolo sie mit einem Abendessen im KFC belohnen, wo wir auch direkt mitkommen durften. 

Am Tag darauf sind wir nach сайханы хөтөл (saikhanii khutul) gefahren, einem Touristen-Aussichtspunkt nahe der russischen Grenze. Da wir an einem Wochentag da waren, waren wir auf dem normalerweise ziemlich gut besuchten Aussichtspunkt quasi allein. Von dort konnte man in ein weites Tal auf den Fluss Selenge und bis nach Russland blicken. 

Den zweiten Tag sind wir ein bisschen durch Darkhan gezogen und haben – weil ja Allerseelen war – den Friedhof außerhalb der Stadt besucht.

Danach wurde den Schülern im Englischunterricht ein Besuch abgestattet und dann ging es raus auf den Fußballplatz. Es war wahrscheinlich der letzte Tag, den man noch als herbstlich bezeichnen konnte und das haben wir natürlich aktiv genutzt.

Einen Tag später ging es dann wieder zurück und die nächsten Wochen haben wir angefangen, uns einen Arbeitsalltag zusammenzubasteln. Denn das ist leider noch immer nicht so ganz übersichtlich. Eigentlich gehen wir morgens immer rüber ins Caring Center und abends wieder zurück. Da die Jungs gestaffelt zur Schule gehen, ist fast die ganze Zeit jemand da, der Hilfe bei den Hausaufgaben braucht oder einfach beschäftigt werden will. Es gibt aber auch immer mal wieder Phasen, in denen wir nicht direkt eine Aufgabe haben und ich muss noch ein bisschen lernen, wie man die Zeit dann sinnvoll füllt oder sich eben eine Aufgabe sucht.

Mit den Jungs Zeit verbringen macht aber eigentlich immer Spaß und wir werden immer bessere Freunde. Ich kann inzwischen auch ein paar Namen aussprechen und es hat mir schon häufig die Laune gerettet, wenn ich zum zwanzigsten Mal beim UNO abgezockt wurde oder wir gemeinsam über die Mathe-Hausaufgaben verzweifelt sind. Außerdem haben die Jungs herausgefunden, dass wir ganz passabel malen können und für mehrere Abende waren wir dann erstmal damit beschäftigt, sämtliche Lieblings-Anime-Charaktere aus dem Internet abzumalen.

Inzwischen kann ich in jeder erdenklichen Zeitform sagen, dass ich Reis esse, (z.B in der Vergangenheit: “Би өчигдөр будаа идсэн.”), aber ansonsten geht es mit dem Mongolisch leider nicht bemerkbar vorwärts. Das Ganze ist eine ziemliche Geduldsprobe, aber dafür freut man sich umso mehr, wenn man dann doch das eine oder andere Wort versteht. Die Vorfreude darauf, dass ich mich irgendwann richtig mit den Jungs unterhalten kann, spornt außerdem an.

Trotz dem wirklich nervenaufreibenden Verkehr, der einen immer wieder zwingt, mindestens eine halbe Stunde länger für alle Strecken einzuplanen, haben wir es schon ein paar Mal in die Innenstadt geschafft. In ein paar Monaten sind wir wahrscheinlich Stammgäste bei Dodo’s Pizza. Durch die Kälte sind wir ja „gezwungen“, ein paar Cafés oder Imbisse auszuprobieren und das größte Highlight war bisher ein veganes Restaurant irgendwo ganz versteckt in einem Hinterhof. Wenn man wochenlang vor allem Fleisch und …FLEISCH vorgesetzt bekommen hat, ist so ein Ratatouille schon ein kleines Stück Himmel. 

Ansonsten versuche ich nicht daran zu denken, dass die jetzigen -15°C gerade mal die Hälfte der -30°C sind, die hier im sogenannten „Winter“ durchschnittlich erreicht werden. Da hilft nur systematisches Schichten von Klamotten, die von Johannas ausgeliehene Daunenjacke (ehrlich, ich liebe dich dafür) und literweise Tee. 

Aber jetzt beginnt ja auch bald die Adventszeit und ich freue mich schon total auf Plätzchenbacken, Adventsdeko und Räucherkerzenduft (JA, der Erzgebirgler in mir hat ein „Raachermannel“ mitgenommen – dafür kann man mich nicht verurteilen). 

Bis in spätestens einem Monat!