Der letzte und wahrscheinlich lebendigste Teil meines Freiwilligendienstes bestand aus verschiedenen Sommerlagern. Ich hatte das Glück, dadurch noch einmal mehr Ecken von Georgien zu entdecken.

Alle Ferienlager hatten einen ähnlichen Aufbau: Morgens Begrüßung, ein bisschen Yoga, Tanz, dann Katechese und nachmittags Spiele. Ich muss sagen, dass ich erst nicht begeistert war, als ich über die tägliche Katechese hörte. Nun muss ich zugeben, dass sie fast zu meinem Lieblingspart geworden ist: Wir haben gesungen, über Gottes-, Nächsten- und Selbstliebe und andere essenzielle Themen gesprochen, Plakate gemalt und vor allem als Animatoren viel dramatisch Theater gespielt für die Kinder.

Es ist viel passiert, deswegen werde ich jetzt nur ein paar Erlebnisse und Sternstunden erwähnen können:

Sommerlager Nummer 1, Kachetien mir Kindern aus Tbilisi:

Ich war die ersten Tage erst überhaupt nicht gut drauf und dachte mir: So gut wie zu Hause kann es ja eh nicht werden, ich kenn ja niemanden. Am Ende war ich sehr beglückt.

Jeden Tag sind wir mit den Kindern in der Hitze an den eiskalten türkisen Bergfluss gegangen, um in der Strömung zu baden. Besonders lustig habe ich zwei spontane Sketche und Streiche in Erinnerung.

Eine Sternstunde für mich war, als ich eines Abends den kleinen Mädels Gute Nacht gesagt habe und ihnen auf deutsch ein Lied gesungen habe. Für mich war das als Kind eines der schönsten Erlebnisse, die Geborgenheit zu fühlen und ich habe davon geträumt, den Kindern im Freiwilligendienst Gute Nacht zu sagen. Daraufhin haben mir die Mädels noch ein Gute Nacht Lied auf russisch gesungen.

Sehr wertvoll für mich persönlich war die Begegnung in diesem Lager mit einigen anderen Animatoren und Seminaristen: Ihre Lebendigkeit und Begeisterung haben mich sehr inspiriert und ich glaube ich konnte viel von Ihnen lernen.

Das zweite Ferienlager fand im gleichen Ort statt, allerdings für die Kinder aus dem Dorf. Lustigerweise hieß genau dieses Dorf im Westen des Landes auch Khisabavra, denn aus „meinem“ Dorf sind vor ca 100 Jahren dorthin Menschen ausgewandert. Auch wenn von 40 Kindern am ersten Tag nur ca 20 am zweiten Tag wieder kamen, bildete sich doch während der vier Tage eine sehr gute Dynamik. Höhepunkt war der Tag, an dem wir vor der Hitze in den Wald flüchteten. Dort verwandelten sich unsere Gruppen in wilde Waldstämme, wir bauten Hütten, bemalten uns und jubelten. Der Pfarrer gab mit seinem Blätterkopschmuck einen ziemlich guten alten Weisen ab. Ich musste schon etwas schmunzeln, als selbst bei unseren Spielen als Waldstämmen (wir haben zudem Hochzeits -und Beerdigungszeremonien nachgespielt) die Kinder anfingen, traditionell georgisch zu tanzen und am Ende ein paar laute sehr georgische „Gaurmajos“ („Prost“) stand.

Nicht vergessen werde ich, wie wir am Ende mit lautem Gesang und viel Energie zu „chumba chumba chumba“ (unser Waldgejubel) mit der ganzen Gruppe aus dem Wald die Straße hinunter getanzt sind. Schwester Veronika und ich waren so aufgedreht, dass wir für sehr betrunken gehalten wurden 🙂

Nach einer kleinen Verschnaufpause, die ich wieder im alten Dorf verbrachte, fand das letzte der Reihe der drei Ferienlager mit Schwester Veronika im „alten“ Khisabvra an. Dafür durften wir extra im Hotel schlafen, ich und Anna, die mittlerweile eine gute Freundin von mir geworden war, sogar im königlichen Raum mit der Komode und dem großen Spiegel.

Das Lager war, wie alle anderen auch, im Vorhinein nicht organisiert worden. Ich erinnere mich, wie ich am Tag davor absolut keine Lust auf das Lager mit seiner Unorganisiertheit hatte. Schon wieder! Das Programm konnte selbst am Abend vorher nicht geschmiedet werden, da wir Animatoren da auf ein Konzert in der kleinen Nachbarstadt gehen mussten, was eine Rarität war. Also wurde in der Nacht überlegt. Das Thema sollte „Me vipove gandsi“ – „Ich habe einen Schatz gefunden“ sein. Am Anfang wussten wir alle nicht, was genau das für ein Schatz sein würde. Aber es ergab sich im Laufe der Woche ein großer Schatz. Am ersten Tag lief ich also mit einer verschlossenen Schatztruhe in der Hand in den Raum und schaute glücklich, während zwei andere Animatoren darüber diskutierten, was denn in dem Schatz sei, der mich so glücklich mache. Vielleicht eine Schlange, vermuteten die Kinder.

Danach teilten wir uns in Gruppen auf, entwarfen Gruppenflagge, Name und Hymne. Ich habe bis heute manchmal unser gedichtetes Lied im Ohr: „Wir sind die goldenen Verrückten, auf der Suche nach einem Schatz (…) wir suchen mit viel Liebe“. Diese Hymnen wurden später auf jedem zu gehenden Weg von den Gruppen lautstark geschmettert.

Jeden Tag sollte der Schatz nun ein bisschen mehr gefüllt bzw verstanden werden: (Am zweiten Tag ging es um Team-Arbeit: So stellten wir Animatoren eine Szene dar, in dem verschiedene Werkzeuge, die sich erst fürchterlich beleidigten, schließlich zusammen vom Zimmermann benutzt wurden, um eine Krippe zu bauen). Wir hatten viel Spaß, als wir Säge, Hammer und Schleife nachahmten. An einem Tag ging es um Dankbarkeit und Schutz von Mutter Erde: Ich war sehr beeindruckt vom breiten Wissen und Willen mancher Kinder über und zum Umweltschutz. Dazu begleitete uns den ganzen Tag – entweder selbst gesungen oder gehört – eine schöne Version von „Laudato Si“. Am vorletzten Tag ging es in den Wald, wo wir gepicknickt und ein wildes Rennpiel gespielt haben. Schließlich kam endlich die ersehnte Wasserschlacht zum Zug 🙂

Am letzten Tag nun sollte aufgelösen, was sich in der Schatztruhe, die die ganze Zeit bespielt wurde, befindet. Nacheinander, jeder für sich schauten die Kinder hinein. Im Hintergrund spielte leise Musik. Ich hielt ein Mädchen im Arm, die im Laufe des Jahres ein bisschen wie eine jüngere Schwester für mich geworden ist. Wir mussten beide weinen: Ich wusste, dass ich bald gehen würde, aber vor allem, aus Dankbarkeit. Die Kinder, die in den Karton geschaut hatte, kamen mit einem gerührten Lächeln zurück. Schau auch du nun in die Kiste, du siehst dich selbst. Auf dem Spiegel steht geschrieben: „Du bist mein bester Freund.“

Für mich war das Ferienlager ein guter Abschluss meiner Zeit im Dorf Khisabavra. Selten war es so lebendig, die Stimmung so positiv im Dorf wie beim Ferienlager. Beim Gehen umarmten uns die Kinder, manche sehr lange und intensiv. Es war schön, eine Woche mit so aufgeweckten, energievollen und frohen Kindern und Animatoren zu verbringen. Ich bin dankbar für die Ferienlager, aber auch für das ganze Jahr in Georgien. Viele glückliche Gesichter, manchmal weinende, ganz viel Wärme und Herzlichkeit, Bestätigung, Bewunderung und Mutmachung, Dankbarkeit, Abenteuerlust, Freude und Lachen in sehr einfachen Momenten, zusammen Singen, zusammen Quatsch-Machen, zusammen Spazierengehen und Kartoffeln sähen, zusammen Kaffetrinken oder Schlittenfahren, Fußball spielen oder Tipi bauen. Prägende Begegnungen, neue Freundschaften, Vorbilder und ganz viel Liebe. Auch ich habe einen Schatz gefunden. Me vipove gandsi!