In Kutaisi schrieb ich am 19.06.2023:
„Nun ist meine Zeit im Dorf, jedenfalls die im Kindergarten, schon vorbei. Relativ kurzfristig wurde ich noch nach Kutaisi geschickt, wo ich jetzt zwei Wochen im Tageszentrum der Caritas für Kinder und Jugendliche mitarbeite. Zwei Wochen machen vielleicht nicht so viel Sinn. Aber wieder lerne ich, sehr kleine Schritte zu gehen, im Jetzt zu leben und sich nicht zu viel über die Sinnfrage den Kopf zu zerbrechen.“
Hintergrund ist, dass ich mich doch manchmal geärgert habe, nicht für ein ganzes Jahr in einem Projekt gewesen zu sein. Manchmal hat mich die gefragte Flexibilität doch etwas überfordert und mir schwebt immer der Film unseres Seminares im Kopf, in dem der Sinn von kurzweiligen entwicklungspolitschen Freiwilligenprojekte stark kritisiert wird. Mist, bin ich nicht in die gleiche Situation geraten? Eine Frage hat mich lange beschäftigt: Wenn man einen Menschen trifft, ihn in sein Herz schließt, man ihn aber nur eine kurze Zeit sieht und dann für immer verabschieden muss – bringt das Freude, bleibt da was oder ist der Abschiedsschmerz wohl möglich größer?
Ich habe die Frage noch nicht beantwortet. Für mich war es im Nachhinein eine sehr erfüllende Erfahrung in Kutaisi. Nicht nur ein neues Projekt kennenzulernen, in dem es viel mehr Kinder gibt, als in den Projekten in denen ich bisher war mit Kindern, die aus einem armen Umfeld kommen und das sehr gut organisiert ist. Ich habe auch sehr schöne Erlebnisse mit den Kindern gehabt und lebendige Gesichter in Erinnerung.
Am 21.06.23, dem dritten Tag im Projekt, schrieb ich:
„Heute hatte ich einen sehr erfüllenden Tag. Ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt die Sprache schon ein wenig kann, sodass ich direkt eintauchen und mich einbringen konnte.
Das Caritas Projekt ist nochmal eine ganz andere und wertvolle Erfahrung für mich. (…) Die kleineren (sechs bis acht Jahre) sind sehr laut und streiten viel. Trotz der Lautstärke hatten wir doch zusammen viel Spaß und haben uns schon sehr gern. (…)
Ich denke, es braucht sehr viel Motivation, um die Kinder zu animieren, aber immer wieder bin ich überrascht, wie interessiert und motiviert die Kinder – selbst für Spiele auf Englisch! – dann doch wieder sind. Auch wenn Kinder wie Giorgi* manchmal sehr anstrengend sein können, ist es sehr cool, beim Nachhausegehen dann von ihm abgeklatscht zu werden. Auch der kleine Nika hat mich heute einfach so umarmt. Der Kracher war das Mikrofon, das er mitgebracht hatte. Sehr cool war dann, mit den Kinder auf dem Klo zu georgischen Song, der mir früher schon mal beigebracht wurde, lautstark mitzurappen. Begeistert waren die Kinder wieder einmal von den englischen Scrabble-Buchstaben, die ich mitgebracht hatte. Später habe ich mit den älteren „Feuer, Wasser, Sturm“ gespielt, wofür sie gleich Feuer und Flamme waren. Etwas peinlich war es, als dann die Lehrerin herein kam und die Kinder angeschrien hat, warum sie denn auf den Tischen seien. Später habe ich mit der Lehrerin zusammen darüber im Bus gelacht. Ich finde es lustig und es macht mich auch ein kleines bisschen stolz, dass ich jetzt die ganze Zeit „mas“ (Abkürzung für Lehrer*in) genannt werde. Schön war noch, als die Mädels mir eine Führung durch Hof, Schreinerei und Haus gegeben haben und wir zusammen Maulbeeren gepflückt haben. Mein Tag endete mit einem „Verstecken im Dunkeln“- Spiel in der großen Aula.“
Abschiede tun weh, sind aber auch oft sehr bedeutend und schön. Als ich mich nach zwei Wochen in Kutaisi verabschieden musste, tat das mehr weh als gedacht, denn ich hatte doch schon zu manchen Kindern eine gute Beziehung aufgebaut. Umso mehr hat mich das kleine Feedback gefreut, das mir die Kinder gegeben haben. Auf die Frage: „Wie war es mit Miriam?“ antworteten die kleinen Jungs: Sie liebt Fußballspielen! Und auf die Frage, was man mir zeigen würde in der Stadt, würde ich als Touristin kommen, sagte der kleinste von allen, der dafür extra nach vorne kam und sich auf die Bühne stellte: Wir würden mit ihr Spazieren gehen, vielleicht ein kleines bisschen Wein trinken, ihr ein Kleid wie für eine Prinzessin kaufen, ihr Blumen schenken und gemeinsam Bonbons essen.“
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