Es ist nicht ganz zu glauben, aber ich bin bald schon einen Monat in Indien. Mir kommt es vor, als wäre erst eine Woche vergangen und trotzdem hab ich das Gefühl ich bin schon ewig hier. Was wahrscheinlich daran liegt, dass es hier keinen Tag gibt, an dem nichts Verrücktes passiert!
Weihnachten war gerade vorbei, da stand schon Silvester vor der Tür. Das haben wir nach der stressigen Weihnachtszeit ganz entspannt zu fünft in der WG verbracht. Wir haben europäisch gekocht (schmeckt jedes mal wie ein Traum so als Abwechslung zum ganzen Reis und Curry) und einen ganz entspannten Spieleabend gemacht. Auch ganz entspannt war unsere Version des Cake cuttings (normalerweise füttert man sich gegenseitig ganz sanft und liebevoll mit kleinen Stücken Kuchen). Also es war entspannt. Bis plötzlich irgendwie eine ganze Hand voll Kuchen in irgendeinem Gesicht gelandet ist. Wie das wohl passiert ist. Danach war das ganze mehr eine Kuchenschlacht als ein cake cutting (aber es wurde natürlich alles danach noch gegessen. Hier wird nichts verschwendet). Also wie ihr merkt, alles in einem ein total entspannter Abend. Mit zwar weniger Feuerwerk als in Deutschland, aber nicht weniger Spaß. Spaß macht mir auch die Arbeit in den verschiedenen Projekten. Navajeevan Bala Bhavan (das ist der Name meines Projekts) besteht aus vielen kleinen Unterprojekten, in denen wir Freiwilligen verteilt arbeiten. Momentan arbeite ich vormittags im Open Shelter und nachmittags in verschiedenen Slums (hier Communitys genannt). Unsere Aufgaben sind eigentlich überall die selben. Erst ein bisschen English class und Maths class und dann ganz viel spielen. Im Open shelter ist Seilspringen gerade voll das Ding geworden, das heißt ganz viel Zählen. Das ist mir echt zu viel. Maths class macht mich sowieso schon fertig. Als ich auf einmal mit einem der Jungs schriftlich subtrahieren sollte und Anne mir erstmal kurzen Crashkurs geben musste war’s vorbei. Und sowas hat Abitur. Hupsi! Aber es muss ja auch Leute geben, die freiwillig mit den jüngeren Zahlen schreiben üben und es gibt ja nicht umsonst Taschenrechner. Nachdem ich mir dann sieben mal angehört habe das NRW Abi ja Quatsch ist und wie viel besser Bayern doch ist, war’s dann auch irgendwann mal gut.
Letzen Sonntag sind wir für drei Tage ins Vimukti gefahren. Das ist eine Art Entzugsklinik für drogensüchtige Jugendliche. Barbara und Engjell arbeiten dort von Sonntags bis Dienstags. Da es ca. 2 Stunden Busfahrt von Vijajawada entfernt ist, bleiben sie die Zeit im Projekt und kommen nicht zurück in die WG. Da Anne und ich das ganze wahrscheinlich in zwei Monaten übernehmen, haben wir uns das diese Woche alle zusammen angeguckt. Mein dummes Vergangenheits-Ich meinte vor der Busfahrt es könnte überall schlafen und würde im Bus einen Powernap machen. Mein schlaueres Zukunfts-ich weiß, in indischen Bussen wird nicht geschlafen, da wird gehofft, dass man nicht beim nächsten Loch in der Straße durch den ganzen Bus fliegt. Naja später ist man immer schlauer oder so. Vimukti selber war super. Das lag zum einen an den vier Babyhunden und zum anderen daran, dass man im Vimukti durch die ländliche Lage viel Platz zum Volleyball und Cricket spielen hat. Cricket üben wir noch, aber hört auf meine Worte, am Ende des Jahres treffe ich den Ball eventuell auch. Beim Volleyball hab ich mich nur halb doof angestellt und wurde zumindest nicht wie Barbara jedes Mal fett ausgelacht, wenn der Ball zu mir kam. Gartenarbeit um sieben Uhr morgens hat mir auch nur so halbwegs getaugt, aber was tut man nicht alles dafür, dass einem danach von den Jungs ne Kokosnuss direkt von der Palme zugeworfen wird.
Ein weiteres Highlight war unser Ausflug letzen Samstag. Durch Vijayawada fließt der Krishna und im Krishna ist eine Insel, zu der man Bootstouren machen kann. Ganesh, ein indischer Student, den die anderen irgendwann, irgendwie adoptiert haben, ist mit uns zu dieser Insel gefahren. Der Trip fing harmlos an mit einem schreienden Ganesh, der Todesangst hatte, weil Engjell seine Schaukel zu dolle angeschaukelt hatte und einem wütenden Engjell, weil er nicht auf das Kindertrampolin durfte, da er sichtlich über fünf Jahren alt war. Es eskalierte als Anne herausfand, das eine Runde Bananenboot fahren zwei Euro pro Person kostet. Und schwupsdiwups standen wir fünf Esel mit Schwimmwesten am Steg. Dann folgt ganz viel Telugu Konversation zwischen Ganesh und Bananabootkerl. „We need to proof that we can swim“ hab ich noch verstanden und dann waren wir auch irgendwie plötzlich alle schon im Krishna, dem Fluss, in dem manchmal auf entspannt Krokodile schwimmen, der gerne auch als Mülleimer benutzt wird und aus dem die Kinder im Chiguru vor ein paar Wochen noch eine Python gezogen haben. Und warte wir waren fünf und da war doch was. Ganesh kann doch gar nicht schwimmen. Der arme ist wegen uns Safe sieben mal innerlich gestorben. Aber ich wäre ja ein schlechter Rettungsschwimmer, wenn ich ihm nicht eben einen fünf Minuten Schwimmkurs gegeben hätte. Hat glaube ich gar nichts gebracht, aber egal. Schwimmweste hat ihren Job erfüllt. Nach dem wir dann ca. eine halbe Stunde im Krishna rumgedümpelt sind und dabei von so gut wie jeder Person auf der Insel einmal fotografiert wurden, durften wir dann auch mal Bananenboot fahren. Todeslustig. Was wir Intelligenzbestien allerdings auch nicht bedacht haben, keine Sonne, nasse Sachen, viel Wind=scheiße kalt. Also war unser Ausflug da auch vorbei und wir haben alle nur schnell gesehen, das wir nach Hause kommen
Als letztes möchte ich in einer kleinen Liste ein paar Dinge aufführen die ich mag bzw. die ich nicht mag. Da ich sie los werden möchte, aber nicht weiß, wie ich das ganze formulieren soll.
Indischer Verkehr: Bin ich schon drauf eingegangen. Macht keinen Spaß. Ich baue jeden Tag ca. drei Fastunfälle. Jede Sau fährt wie sie will, in regelmäßigen Abständen rennen einem irgendwelche Kuhherden vor die Nase oder ein Tuktuk-Fahrer beschließt er will jetzt mitten auf der Straße anhalten. Meine Taktik, um die sich anstauenden Aggression über den Verkehr loszuwerden, ist es, einfach sehr laut auf deutsch zu meckern. Ändert zwar nichts, aber ich fühle mich danach besser.
Die Kombi orangenes Fahrrad und Taylor Swift: auch eine meiner Taktiken den Verkehr auszuhalten. Vom orangenen Fahrrad kriegt man keinen Muskelkater im Arsch und Taylor Swift trällert wunderschön über die ganzen hupenden Autos hinweg. Aber immer nur mit einem Kopfhörer fahren, damit man dem Tuktuk, das plötzlich eine Vollbremsung macht, noch rechtzeitig ausweichen kann und natürlich, damit man den Leuten antworten kann, die sich beim Fahren vom Roller aus mit einem unterhalten wollen.
Indische Musik: erstaunlich aber wahr. Einige indische Lieder haben es mir echt angetan. So kommt es, dass ich seit zwei Wochen einen Ohrwurm vom gleiche indischen Weihnachtslied habe und morgens mittlerweile von DJ Tillu geweckt werde. Das sind aber auch Banger, da kann man gar nicht anders als aufstehen. Nie wieder Wecker wegdrücken!
Telugu: Verrückte Sprache, aber ich tue mein bestes, zumindest ein paar Wörter zu lernen. Bis jetzt weiß ich das Wort für Schwester (hört man in den Communities dauerhaft), ich weiß was Läuse heißt und die Zahlen bis neun kann ich auch ( warum nicht bis zehn? Ja das frag ich mich auch, aber ich kann mir das Wort einfach nicht merken). Die anderen können schon ein bisschen mehr als drei Wörter und geben ihr Bestes, mir ein zwei Sachen mitzugeben.
Affen und Mücken: beides ranzige Tiere. Vor Affen muss man Todesangst haben, da die scheiß Viecher, wenn man sie nur eine Sekunde zu lange anguckt, auf einen losgehen, als hättest du ihre Mutter beleidigt. Mücken genauso. Drecksviecher. Deutsches Mückenzeug kannste eh in die Tonne kloppen (sogar die antibrumm Tropen Variante). Bade jedes mal in dem Zeug und sehe trotzdem aus als hätte ich Windpocken. Alternativ gibt es hier Mückencreme, die zwar hilft, aber sehr nach Zahnpasta aussieht. Ich spreche aus Erfahrung, sie schmeckt nicht nach Zahnpasta.
Sprache: Mein Deutsch und mein Englisch fangen leider an, sehr unter Indien zu leiden. Während ich im Deutschen anfange zu reden wie meine Mitvolos, was bedeutet, ich bin nicht mehr in der Lage Artikel richtig zu verwenden (ist es das oder die Kühlschrank? Man weiß es nicht), beschränkt sich mein Englischer Wortschatz mittlerweile auf: „you finish? New Paper?“ Oder „No. Rope skipping finish. We Go Home now“ (stellt euch vor wie ich ein Haus mit meinen Händen über meinem Kopf forme).
So, das war’s jetzt erstmal von mir. Ab jetzt kommen die Blogeinträge hoffentlich monatlich. Oder auch nicht, wenn irgendwas verrücktes passiert mach ich vielleicht auch noch n Zwischenbericht. Man weiß es nicht. Machts gut!
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