So die erste Woche in Indien ist rum und ich brauche jetzt erstmal Urlaub. Ich habe ja schon im letzen Blogeintrag geschrieben, dass ich direkt am dritten Tag in Indien ins kalte Wasser geschmissen wurde und beim Semi-Christmas einen Tanz aufführen musste. So ging es auch weiter. Da meine vier Mitvolos schon seid gut vier Monaten hier sind, haben sie sich natürlich ganz anders eingelebt als ich. Sie wissen zu wem sie was sagen können, wie sie meine Granatäpfel für die Hälfte des genannten Preises bekommen und ihr Schamgefühl haben sie vor einer Weile schon verloren. Das ist eigentlich sehr cool, zum Beispiel beim kaufen von Granatäpfeln (die werden hier zu meinem Hauptnahrungsmittel, neben Reis), ließ mich aber in der ein oder anderen Situation kurzzeitig die Hände überm Kopf zusammenschlagen. Zum Beispiel hatten die vier an Nikolaus Engjell verkleidet und im Open Shelter kleine Geschenke (Oreos, Stifte und Mandarinen) an die Jungs verteilt. Die Idee fanden die so gut das uns aufgetragen wurde, das nachträglich auch noch in den anderen Projekten zu machen. Super Idee dachte ich. Bis die anderen beschlossen haben, dass es ja zu langweilig ist nur Lukas als Nikolaus zu verkleiden (Engjell war krank). Ein Engel und zwei Kramperl (irgendwas bayrisches, keine Ahnung hab von denen mehr Kulturschock als von den Indern) dazu wären doch viel besser. Also wurden kurzerhand Kostüme improvisiert und dann wurde losgezogen. Auf dem Weg zum Deepa Nivas (einem Heim für Jungs) hatte ich mindestens sieben Nervenzusammenbrüche so peinlich war mir das ganze. Naja, die Jungs haben sich tierisch gefreut, haben uns was vor getanzt und vorgesungen und im Endeffekt war ich sehr froh das ich zu meinem Glück gezwungen wurde. Nicht zuletzt weil das Essen zu dem wir noch eingeladen wurden einfach unfassbar gut war.
Der Rest meines Schamgefühls war dann Verschwunden, als wir vor 600 Leuten ein zweites Mal unseren tollen Tanz vorführen mussten. Beim Semi-Christmas im Chiguru (ein Internat für ca. 200 Jungen und Mädchen). Das ganze wäre nur halb so schlimm, wenn nicht auch die Kinder immer tanzen würden und jedes mal tausendmal besser sind als wir.
Neben dem langsamen verschwinden meines Schamgefühls gibt es natürlich auch noch einige andere Dinge an die ich mich erstmal gewöhnen muss. Zum einen ist es die dauerhafte Unpünktlichkeit, die meine Mitvolos übernommen haben. Wir klären ab, das wir um 9 Uhr los möchten. Um 9:20 Uhr frühstückt die eine noch, die andere putzt Zähne und der andere steht noch in Unterhose vor mir. Jedes Mal dreht sich in mir alles, weil ich denke wir sind viel zu spät und jede Mal ist es eigentlich total egal weil die Inder noch unpünktlicher sind und wir dann noch eine Stund warten. Auch, dass alles immer im Schneckentempo erledigt wird, wie zum Beispiel meine Registrierung, treibt mich ein bisschen in den Wahnsinn. Wir mussten nur einen USB-Stick bei der Polizei abgeben und anstatt nach fünf Minuten wieder da raus zu sein, waren wir eineinhalb Stunden dort (aber ich habe Chai bekommen, dass macht es besser).
Auch spannend ist es mit unseren Fahrrädern, die alle in einem mehr oder weniger perfekten Zustand sind durch den indischen Verkehr zu düsen. Beim ersten Mal hab ich mich noch halb eingeschissen, mittlerweile fahre ich aber auch so wie die anderen nach dem Motto, wer bremst verliert (das ist lustig, weil bei den meisten Fahrrädern die Bremsen eh nicht funktionieren). Das hat zwar schon für die ein oder andere brenzlige Situation gesorgt, zum Beispiel als der Lenker meines Fahrrads plötzlich aufgegeben hat, sich um 180 Grad gedreht hat und ich als erstes volle Kanne in einer Pfütze gelandet bin und als es fünf Minuten später erneut passierte von zwei Indern ausgelacht wurde, die ich fast von ihrem Roller geholt habe. Aber keine Sorge Mama, meine Füße überleben dieses Jahr schon und werden nicht platt gefahren.
Gewöhnungsbedürftig sind auch die dauerhaften Fragen nach unseren Namen, nach Fotos und so weiter. Das dauerhafte angestarre empfinde ich momentan noch als sehr unschön, vertraue da aber auf die Aussage der anderen, dass es einem nach einiger Zeit egal wird.
Das sind aber alles Dinge, an die ich mich schon noch gewöhne und die schönen Dinge sind momentan auch noch die, die überwiegen und mir die Eingewöhnung leichter machen. Die tanzenden Kinder bei den Weihnachtsfeiern, der Weihnachtsspieleabend mit den Fathers (ich hätte alle in Dobble abgezogen, hätte Engjell nicht dauerhaft geschummelt), Kekse backen im Toaster, schmücken unserer Weihnachtspflanze, die riesigen, bunten Krippen und der indische Weihnachtsgottesdienst, denn wir mit Tinnitus verlassen haben, weil die Boxen ungefähr 1000 Stufen zu laut eingestellt waren. Ich freue mich schon sehr darauf, nach dem ganzen Weihnachtsstress jetzt langsam in sowas wie einen Arbeitsaltag zu starten, mir die ganzen Projekte nochmal richtig anzuschauen und noch ganz viele Dinge zu erleben bei denen ich im ersten Moment denke, was tue ich eigentlich hier, in 10 Jahren aber darauf zurückblicke und sagen kann das das die lustigsten Dinge waren, die in diesem Jahr passiert sind.
PS: ich hab es in Deutschland versprochen und im letzen Eintrag vergessen. Sorry!! Hannah, ich hab dich ganz dolle lieb und ich vermisse dich <3
Schreibe einen Kommentar