Genau das ist das Campamento! Es dient als Ortswechsel für die Jungs und sorgt dafür, dass sie aus der Stadt rauskommen und viel mehr Natur um sich herum haben. Unser Campamento fand in San Carlos statt, ein kleiner Ort ca. 110 km nordwestlich von Santa Cruz.
Als Jana und ich am Freitag zum besagten Winken im Hogar ankamen war ich erstaunt, was so eingepackt wurde. Natürlich Bettzeug, Handtücher und sämtliche Lebensmittel. Die bolsas negra, also Beutel mit Kleidung der Jungen, jeweils beschriftet mit dem Namen, durften auch nicht fehlen. Am witzigsten war allerdings, als plötzlich die Bänke des Hogars ebenfalls eingeladen wurden, um mit ins Campamento zu fahren.
Nachdem wir zehn Tage später, von einem Hermano gefahren, zusammen mit viel Essen, Klopapier und einem Kind, das vorher Windpocken hatte, nachkamen, gab es einen fliegenden Wechsel zwischen uns und den drei anderen Volontärinnen und einer Erzieherin. Der Gottesdienst war gerade vorbei und wir sind direkt mit den Jungs zurück ins Camp gelaufen.
Bei unserem Platz angekommen, wurden uns erstmal Betten zugewiesen, die auch sofort von Kindern eingenommen wurden. Wir haben mit den Kleineren zusammen in einem Raum geschlafen und die beiden Hermano Mayores mit den Größeren.
Zu den zwei Schlafräumen gab es eine Essensaal und eine Küche mit einer sehr netten Köchin.
Obwohl wir die Kinder von der Granja noch gar nicht kannten, ging es sehr schnell, dass wir uns gegenseitig kennenlernten.
Ich werde an dieser Stelle nicht das ganze Campamento beschreiben, sondern einige Erlebnisse, die mir im Kopf geblieben sind.
• Eine Wanderung in die Natur – von der es wirklich viel gab – bei der die Kinder mithilfe von Steinschleudern und Kletterkünsten sämtliche Vogelnester von den Bäumen geholt, die Eier herausgenommen und aufgepult haben. Daraufhin hatten wir einige Tage lang zwei Küken in einem Nest im Vorraum der Schlafräume. Einige Jungs versuchten, die Küken, die sie zu früh aus dem Ei geholt hatten, ganz nach Vogelmama-Art, mit Insekten zu retten (funktionierte nicht).
• Dieser Moment, wenn man morgens von einem Kind geweckt wird, dieses plötzlich unter dein Laken greift und einen ausgewachsenen, toten Vogel hervorzieht. Ein gar nicht schöner und lustiger Moment, der ziemlich eklig war.
• Lustig ist, wenn ein kleiner Junge ein Faible für Insekten entwickelt, diese sammelt und dir dann ins Gesicht hält mit den Worten: „Dieser Käfer/diese Spinne etc. ist gut, denn er/sie sticht nicht.“ und daraufhin besagten Tieren einige Körperteile abknipst.
• Wir hatten als einziges Besteck Löffel. Jetzt, nach dem Campamento, merke ich schon, wie schlimm meine Tischmanieren geworden sind (Sorry Mama und Papa).
• Einen Abend hat ein Hermano Mayor eine Legende erzählt, die allen Kindern etwas Angst gemacht hat. Allerdings darf man das unter Jungs bloß nicht zugeben, weshalb unser Kleinster auf die Frage, ob er Angst hätte, mit stolzgeschwellter Brust „Nein“ sagte. Als der Hermano Mayor dann nochmal etwas drauflegte und besagter Kleiner nur noch mit großen Augen und offenem Mund dastand, war natürlich vollkommen klar, wie wenig Angst er hatte. So waren die Kleinen doch Recht froh, dass wir an ihren Betten blieben, bis sie schliefen.
• Jana und ich wollten an einem Tag Pfannkuchen für die Jungs machen, unter anderem, weil es ungefähr das einzige ist, was wir kochen können. Jedenfalls reichte unser Teig, der für 60 Pfannkuchen sein sollte, nur für 25 essbare und zwei angebrannte. Also machten wir spontan etwas mehr Teig, sodass wir und die Hermano Mayores auch etwas hatten. Die Pfannkuchen waren allerdings auch ca. doppelt so dick wie normal und, obwohl es allen geschmeckt hat, wurden viele nicht mal mit ihrem ersten fertig, sondern „verwahrten“ ihn über Nacht in ihrem Nachtschrank.
• Wenn ein siebenjähriger Junge erklärt, dass alle Jungs viel zu unordentlich wären und dass ihn das wirklich stört. (Er ist dabei leider der Einzige.)
• Passend zu dem eben erwähnten Punkt war es immer wieder faszinierend für mich, wie an einem Tag so viel Unordnung gemacht werden kann. So schaffen es 26 Kinder, an einem Tag acht T-Shirts, fünf Paar und vier einzelne Schuhe sowie zwei bis drei Handtücher irgendwo liegen zu lassen. Das ergab vor allem am Ende einen ordentlichen Haufen Kleidung.
• Eine Nacht kam es zu einer Zahnpastaschlacht mit einem Hermano Mayor und im Endeffekt auch mit einigen Kindern, wobei Jana und ich ewig vor der Dusche warten mussten, um unseren zweiten Angriff zu starten, da er viel zu misstrauisch war, um rauszukommen.
• Einen Morgen haben wir für die Kinder Milch mit Honig gemacht und dachten, es wäre was Leckeres. Dass nur zwei der Kinder die Milch mögen würden, hätten wir nicht gedacht. Hier ist eben alles immer quietschesüß und ohne Zucker schmeckt die Milch nicht, denn Honig ist ja nicht süß.
• Ein kleiner Junge beschloss an zwei Tagen, dass er nun mit mir in meinem Bett schlafen würde. Natürlich darf ich das nicht, allerdings hat er sich an einem Tag einfach reingelegt und geschlafen, sodass ich ihn später in sein Bett tragen musste. Beim zweiten Mal stand er gegen zwei Uhr nachts vor meinem Bett und hatte Angst. Daraufhin bin ich mit ihm zu seinem Bett gegangen und hab gewartet, bis er wieder schlafen konnte. Das war für mich ein sehr schöner Moment.
• Ein anderer toller Moment war, als sich ein Kind, nachdem es mich nachmittags bei einer Wanderung aus Trotz etwas gehauen hatte, am Abend beim Gute-Nacht-Sagen für alles Schlechte entschuldigt hat.
• An einem Tag haben wir Kekse gebacken, daran hatten alle Jungs großen Spaß, auch wenn uns bei der ersten Gruppe leider drei von vier Blechen verbrannt sind, weil der Ofen etwas heiß war. Am Ende hatten trotzdem alle genug Kekse und waren glücklich.
• In der letzten Nacht wurde ich gegen eins wach, weil ich Zahnpasta an der Wange hatte. Nach kurzem Umschauen sah ich, dass auch sämtliche Kinder einen Streifen abbekommen hatten. Kurz darauf waren auch die Übeltäter klar: Ein Hermano Mayor und ein anderer älterer Junge, der nächstes Jahr Hermano Mayor wird. Natürlich hatten sie für Jana und mich noch eine extra Überraschung vorbereitet, eine Mischung aus Zucker, Wasser, Waschpulver und mehr, die uns dann trotz Verteidigungsversuchen ins Gesicht und in die Haare geschmiert wurde. Wir rächten uns allerdings immerhin mit Zahnpasta, sodass es einigermaßen ausgeglichen war. Leider gab es danach erstmal kein Wasser, weshalb wir noch etwas wach bleiben mussten, bis wir uns dann waschen konnten.
• In derselben Nacht musste ein Hund, der uns einen Tag vorher von der Straße zugelaufen war unbedingt in den Schlafsaal. Das meinten jedenfalls einige Kinder. Es gab drei wirklich nachvollziehbare Gründe: 1. Der Hund hat Angst (hatte er durchaus, allerdings mehr vor den ganzen Jungs). 2. Der Hund wird von den vielen Moskitos zerstochen (davon gab es wirklich viele). 3. Der Hund friert (bei knapp 25 Grad absolut logisch). Somit waren Jana und ich dann die Bösen, die keine Ahnung von Hundehaltung haben, auch, dass Jana selbst einen Hund zu Hause hat, überzeugte sie nicht. Als die Jungs es zwei Stunden später nochmals versuchten, waren sie leider etwas zu laut, sodass ich sie hörte. Darüber waren sie natürlich sehr sauer, da ich abermals Nein zum Hund im Schlafsaal sagte. Der Hermano Mayor schlug dann vor, alle, die wollen, können ja beim Hund draußen schlafen. Da waren alle plötzlich ganz wild auf ihre Betten, da gerade ein heftiges Gewitter tobte.
• Die Kinder versuchten am nächsten Tag, diesen Hund in einen der großen Beutel zu locken, in dem vorher Zucker oder Gewürze waren. Wir mussten es wieder verbieten, zumal der Hund auch nicht wirklich begeistert von der Idee war.
• An zwei Abenden hatten wir Lagerfeuer mit Popcorn, Marshmallows und über der Glut gebratenem Steak. Es war sehr gemütlich und hat für mich die Sommerlagerstimmung perfektioniert!
• Wir hatten das reinste Bauernhofgefühl, alles war grün und die Kühe vom Nachbarn standen morgens auch mal vor dem Essensaal oder auf dem Sportplatz.
Alles in allem war es eine wunderschöne, aber auch anstrengende Zeit. Ich hab es genossen, gemeinsam mit den Jungs aufzustehen und schlafen zu gehen, gleichzeitig bin ich aber auch froh, das nicht immer zu haben, ein Ort zum Zurückziehen würde mir schon fehlen.
Weihnachten steht quasi schon vor der Tür und die Jungs sind auch auf vielen Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern mit anderen Hogars. Da ich noch nicht weiß, was bis Weihnachten noch kommt, werde ich den Eintrag erst nach Weihnachten verfassen können.
Deshalb an dieser Stelle schon mal frohe Weihnachten an alle und schöne Grüße aus Bolivien!
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