Letzte Woche war eine ganz besondere Woche. Zum einen wurde der 25jährige Geburtstag des Hogars gefeiert, zum anderen war am 2.11. „Día de los Muertos“, an dem an die Verstorbenen gedacht wird.
Der Montag, der für den offiziellen Part der Feier war,begann zunächst eher wie ein Sonntag. Die Jungs durften vor dem Frühstück ein paar kurze Videos gucken, unter anderem Pink Panther oder Fußballvideos. Nach dem Frühstück mussten sie ihre Officios, also Aufgaben wie Fegen und Wischen, erledigen, während die Mitarbeiter das Hogar mit Plakaten und Luftballons schmückten.
Dann war es Zeit für eine Messe. Nach dieser kamen alle ins Hogar. Auf dem überdachten Pausenhof waren Stühle für die vielen Gäste, teils ehemalige Hogarbewohner, teils Padres und viele andere Menschen, die etwas mit dem Hogar zu tun haben. Es wurden Reden gehalten, Glückwünsche ausgesprochen und Tänze vorgeführt, was ich am unterhaltsamsten fand. Die Tänze wurden vorher von den Jungs einstudiert und der Unterschied des Auftritts zu den Proben, die ich gesehen hatte, war wirklich groß. Die Jungs tanzten richtig gut.
Im Anschluss gab es für die Gäste kleine Snacks und Getränke, wie Sandwiches, kleine Cuñapes oder Soda. Kurz darauf wurden dann sämtliche Tische aus den Essenssälen und Klassenräumen in den Pausenhof getragen. Schnell setzten sich die vielen Gäste und die Jungs an die Tische, weil es dann schon Mittagessen gab.
Das Besondere an diesem Essen war, dass erstens jeder dort sitzen konnte, wo er wollte, und ich dadurch mal mit ein paar von den großen Jungs zusammensaß, zweitens gab es besonderes Essen, nämlich Hähnchen mit Reis (das Sonntagsessen), dazu einen Kartoffelmöhrensalat, Soda und als Nachtisch sogar Eis für jeden! Wir saßen sehr gemütlich, nachdem alles verteilt war, an unseren Tischen und aßen.
Nach dem Mittagessen wurden dann alle Tische wieder weggeräumt und die Feier war, genau wie mein Arbeitstag, zu Ende.
Dienstag begann der Tag schon etwas anders. Am Morgen waren bereits alle Kinder aus den verschiedenen Projekten ins Hogar gekommen, ebenso ein Fernsehteam, das einen Bericht über Padre Octavio gedreht hat. Dadurch waren sehr viele Leute im Hogar und alles war schrecklich voll.die
Bis auf das Fernsehteam gingen wir dann alle zusammen in
Messe, die von 15 Padres gehalten wurde und damit sehr besonders war.
Nach der Messe ging es dann für alle Kinder mit Lkws in einen Park, in dem wir bis zum Nachmittag blieben. Dort
wurde viel gespielt: Von Fußball über Brennball bis zu Seilhüpfeno war alles dabei. Wir aßen dort auch unser Mittagessen, das wieder aus Hähnchen mit Reis, dazu ein paar Kartoffeln und einer Wurst bestand, die dort auf einem Grill gebraten wurden. Essensmäßig waren wir diese Woche also gut versorgt.
Außerdem gab es überall Mangos, die mit großer Motivation von den Jungs vom Baum geschossen wurden. Zum Glück war das Wetter richtig gut und wir hatten viel Spaß.
Am nächsten Tag war das Wetter hingegen ziemlich schlecht. Es hatte die ganze Nacht geregnet, und wenn ich von Regen spreche meine ich damit ungefähr das Dreifache des normalen Regens in Deutschland. Dadurch war es morgens ziemlich kalt.
Es war der Feiertag „Dia de los Muertos“, in Deutschland „Allerseelen“, an dem auch in Bolivien an die Verstorbenen gedacht wird, aber ganz anders. Deshalb gab es das Frühstück statt um 7.30 Uhr schon um 7.00 Uhr und direkt danach fuhren wir mit Lkws durch Nieselregen zu einem großen Friedhof, auf dem Padre Octavio eine Gedenkmesse am Grab des Proyecto Don Boscos abhielt.
Der bolivianische Friedhof sieht komplett anders aus, als ich es von deutschen Friedhöfen gewohnt bin. Statt Grabsteinen gibt es eher so etwas wie viele kleine Flachbauten direkt nebeneinander, alle mit einer Etage. In den Wänden sind Tafeln mit den Daten, dem Namen und oft auch einem Bild eingelassen, die mit Blumen, Schmuck oder sogar Barbiepuppen geschmückt waren.
Außerdem gibt es einige Gedenkstätten in diesen Flachbauten, die wie kleine Zimmer mit einer Art Altar eingerichtet sind.
Außerdem gibt es, wie im Falle des Proyectos, auch Gedenkstätten, die aus einem großen „Raum“ mit Wellblechdach und Fenstern ohne Glas bestehen, wobei vorne die Gedenktafeln sind.
Genau dort fand die Messe statt. Allerdings wurden wir schon auf dem Weg vom Eingang zur Gedenkstätte ordentlich nass, da der Regen immer stärker wurde, sodass ein paar der großen Jungs versuchten, mit Eimern den Eingang von Wasser zu befreien. Drinnen war es zum Glück trocken und die Messe dort war die schönste der vier, die ich insgesamt, Sonntag mit eingerechnet, in den vier Tagen erlebt hatte, da sie sehr berührend und ganz anders war als sonst. Alle standen dichtgedrängt, sie war wesentlich kürzer und thematisch natürlich an den Tag angelehnt, eine Gedenkmesse halt.
Nach der Messe gab es dann einen Brauch, den ich gar nicht kannte, der aber wohl dazu gehörte. Ich sollte mit meiner Tischgruppe, mit der ich immer mittags esse, losziehen, was die ersten fünf Meter auch gut klappte. Plötzlich riefen drei der Kinder „Hier, hier“ und liefen einfach auf eines der wohnzimmerähnlichen Gräber zu, vor dem viele Menschen saßen. Die anderen Jungs hatten allerdings keine Lust, stehenzubleiben und zu warten und liefen einfach weg. Sehr deprimierend, wenn man sieht, wie es bei manchen der anderen geklappt hat, bei denen alle Kinder wie einer Entenmutti hinterherliefen.
Ich verstand auch nicht, was die anderen drei dort machten und wollte gerade dazwischen gehen, als sie von selber mit prall gefüllten Plastiktüten voll mit „Pan“, also Gebäck in Brot-, Brötchen- und Keksformen, mit und ohne Füllung herauskamen. Sie erklärten mir, dass an besagtem 2. November Orrationen, also Gebete für die Toten gehalten werden und die Kinder dafür, wie bei uns an Sankt Martin, „Pan“, Soda, Empanadas oder sogar einmal zwei Bolivianos bekommen.
Jedes Jahr am 1. und 2. November feiern die Bolivianer das Totenfest „Día de los Muertos“ (Tag der Toten). Sie versammeln sich an den Gräbern, die sie in den Tagen zuvor besonders liebevoll geschmückt haben.
Zu dem Ritual gehört, dass neben Blumen auch die Lieblingsspeisen an die Gräber gelegt werden. Am 2. November trifft sich dann die ganze Familie am Grab zum Essen, denn dann ist die Seele des Verstorbenen ins Reich der Toten heimgekehrt und das Essen somit freigegeben.
Leider hat es immer stärker geregnet, sodass wir nach kurzer Zeit
klitschnass waren. Den Jungs war dann ebenfalls kalt, deshalb sind wir früher zum Treffpunkt gegangen, wo auch schon viele von uns waren, da der Regen, wie gesagt, wie in Deutschland ein kräftiger Schauer war, der sich nur leider hier über mehrere Stunden gezogen hat.
Alle waren froh, als der Lkw kam, der uns abholen sollte, und dass er sogar eine Plane als Dach hatte. Im Hogar angekommen, zogen sich erstmal alle um.
Ich sollte die Kleinen umziehen. Als weiterer Beweis des Tages, dass lange nicht alles klappt, war es das reinste Chaos. Von acht Kindern musste der erste sich vor dem Umziehen ganz dringend sein „Pan“ bei der Erzieherin abholen und rannte davon, der zweite war wütend und warf mit kleinen Stühlen um sich, woraufhin sich zwei weitere Kinder auf ihn stürzten, um ihn zu ärgern. Dem fünften gefiel seine Hose, die er anziehen sollte, nicht und ein sechster war urplötzlich sehr trotzig und wollte seine nassen Klamotten lieber anbehalten.
Auf einmal kam ein Hermano Mayor hinein und innerhalb von fünf Minuten waren die acht Zwerge umgezogen und friedlich. Eines der nicht seltenen Beispiele für den Respekt der Kinder gegenüber der Hermano Mayores. Sie haben als ehemalige Hogar-Jungs einfach einen ganz anderen Draht zu den Kindern, der mich immer wieder beeindruckt.
Als schließlich alle Kinder trocken und zufrieden mit ihren gesammelten Schätzen nach dem Mittagessen im Videosaal saßen und einen Film guckten, ging es mir auch wieder wesentlich besser, nachdem ich sowohl mit meiner Gruppe als auch mit den Kleinen einige Probleme hatte, vom Regen ganz abgesehen.
Ein Blog, wie es mir nach zwei Monaten hier geht und wie es mit den Jungs für mich ist, ist in Planung. Bis dahin viele Grüße aus Bolivien, Lea!
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