Unsere erste Woche in Bolivien ist vorbei und es fühlt sich immer noch an, als wären wir schon mehrere Wochen hier, nicht erst eine Woche.
Nachdem nach einigen Komplikationen donnerstags auch alle drei Mädchen aus Benediktbeuern eingetroffen waren, begannen wir damit, uns die verschiedenen Einrichtungen der Salesianer in Santa Cruz anzugucken und dort für einen halben Tag mitzuhelfen. Zu uns fünf kam noch eine Holländerin, die einen sechsmonatigen Freiwilligendienst im Mano Amiga, einer der Einrichtungen, macht.
Wir teilten uns auf, die eine Hälfte, zu der ich gehörte, ging vormittags ins Patio Don Bosco. Dies ist eine Einrichtung, in der Jungen und Mädchen im Alter von sieben bis 17 Jahren vom Jugendamt untergebracht werden, wenn sie nicht bei ihren Eltern bleiben können. Die Kinder sind dort nur sehr kurze Zeit und nicht alle fühlen sich dort heimisch, da sie teilweise noch nicht verstehen, warum sie von zu Hause weg müssen. Trotzdem sind sie uns offen entgegengekommen, haben sich sehr gefreut, als wir mit ihnen gemalt und ihnen ein paar spanische Sätze ins Deutsche übersetzt haben. Nach dem gemeinsamen Mittagessen wurde laute Musik angemacht und es gab Zeit zum Spielen, Tanzen oder Ausruhen. Wir haben mit ihnen gepuzzelt, Vier gewinnt gespielt oder einfach, so gut es ging, geredet.
Später wurde die Gruppe dann nach älteren und jüngeren Kinder getrennt. Wir waren zu zweit bei den Größeren, haben mit ihnen die Buchstaben des Alphabets in DIN-A4 gemalt und ausgeschnitten, um sie zum Lernen an die Wand zu hängen. Gerade, als wir angefangen hatten, einen Film zu schauen, wurden wir von Paolo, dem Volontärsbeauftragten, abgeholt, um in das Techo Pinardi, mitten im Zentrum, zu fahren.
Das Techo Pinardi ist eine offene Einrichtung, in die Jungen bis 17 Jahren kommen können. Sie ist hauptsächlich für Straßenkinder gedacht, damit sie dort schlafen, essen und spielen können. Der Ton war im Gegensatz zum Patio auch wesentlich rauer, es gab keine Mädchen und die meisten Jungen waren älter als viele Kinder im Patio. Wir wurden sofort gefragt, ob wir mit ihnen Volleyball, Basketball oder Fußball spielen wollen. Ich versuchte mich zuerst in Basketball und es klappte zu meiner Überraschung besser als erwartet. Leider gingen, je später es wurde, immer mehr Jungs und verschwanden durch das Tor ins Zentrum, ganz anders als im Patio, wo es nicht erlaubt war, einfach zu gehen.
Dadurch waren zum Abendessen nur noch ungefähr zehn Jungs da und diese standen ab und zu auf, gingen nach draußen und kamen erst später wieder. In allen anderen Einrichtungen ist es bis jetzt so gewesen, dass es feste Regeln beim Essen gab, es wurde gebetet, zusammen gegessen und erst am Ende, wenn alles weggeräumt war, gegangen. Die drei, die zuerst im Techo waren, meinten allerdings, dass beim Mittagessen alle gemeinsam gegessen hatten.
Nach dem langen und aufregenden Tag waren wir abends alle ziemlich kaputt und froh, dass wir mit dem Auto abgeholt wurden und nicht noch Micro fahren mussten. Zuhause fielen wir, mit lauter neuen Eindrücken, nur noch ins Bett.
Am Freitag besuchten wir dann zu fünft das Mano Amiga, ein Heim, das dem Patio in den Grundzügen ähnelt, da es dort Mädchen und Jungen gibt, die überwiegend jünger sind. Allerdings ist die Einrichtung wesentlich größer, hat eine sehr schöne Außenanlage mit einem überdachten Sportplatz, einem großen Klettergerüst und einem Rasenplatz zum Fußballspielen. Dort wurden wir, wie sonst auch sehr freudig empfangen, besonders, als die vielen Mädchen feststellten, dass wir alle lange Haare haben, mit denen man mehr oder weniger schöne Flechtfrisuren machen kann. Zuerst wurden wir allerdings kurz herumgeführt und haben zu Mittag gegessen. Als dann nach dem Essen etwas Zeit war, haben wir mit den Kindern gespielt und wurden zu lebendigen Frisierpuppen. Mit den fertigen Frisuren begaben wir uns in die verschiedenen Aktivitäten. Die Kleineren malten, während ich mit den Größeren bei den Hausaufgaben saß und bei einem Plakat mithalf.
Später bekamen wir die Möglichkeit, uns das Barrio Juvenil anzuschauen. Diese nahmen wir gerne wahr, da wir schon Einiges über die deutsche Bäckerei, in der die Jungs ausgebildet werden, gehört hatten und sehr interessiert waren. Im Barrio leben ältere Jungs, viele von ihnen waren vorher schon im Hogar, in dem ich arbeiten werde. Dort werden Schreiner, Köche und natürlich Bäcker ausgebildet, gleichzeitig gehen die Jungs aber noch in die Abendschule.
Da wir erst nachmittags, nach einer wirklich aufregenden Taxifahrt – zu Acht in einem Kombi sagt, glaube ich alles – im Barrio ankamen, hatte die Bäckerei leider nicht mehr geöffnet. Dafür haben wir eine Führung durch die Küche und die Schreinerei bekommen. Dort befanden sich auch einige ziemlich schöne Holzmöbel, die ich am liebsten direkt mitgenommen hätte. Mit der gleichen Gastfreundschaft wie in den anderen Projekten durften wir auch noch das Gekochte probieren – Sushi -, welches den Fischliebhabern unter uns sehr geschmeckt hat.
Kurz darauf kamen zwei Busse angefahren, die die Jugendlichen zu ihren Schulen brachten. Wir durften mit ihnen fahren, genossen dadurch eine sehr unterhaltsame und durch laute Musik unterstützte Fahrt und konnten uns außerdem eine bolivianische Schule mal von innen angucken. Im Unterschied zu deutschen Schulen gibt es keine Eingangstüren, dafür allerdings einen hohen Zaun um die ganze Schule, der von einem Sicherheitsmann überwacht wird. Ebenfalls anders waren die Flure, da sie wesentlich breiter und höher waren, wodurch das Gebäude wesentlich offener wirkte.
Wir wurden netterweise von dem Busfahrer bis nach Hause gefahren, wo wir alle etwas von „Pollo“, dem McDonalds Boliviens, bestellten und gemeinsam aßen.
Nach den ganzen Besichtigungen hatten wir am Samstag frei und waren zu fünft in der Stadt, um uns etwas umzuschauen und mit unseren Familien und Freunden in Deutschland zu skypen. Sonntag waren wir das erste Mal in der Messe. Da es eine katholische Messe war, war sie unserer Messe vom Ablauf her sehr ähnlich. Der einzige Unterschied war die Livemusik statt einer Orgel und dazu ein paar ältere Jungs, die mit einfachen Handbewegungen im Rhythmus etwas für Animation sorgten.
Wie wir am Tag vorher erfahren hatten, war der Sonntag zudem Tag der Tradition in Santa Cruz und dafür wurde ein großes Fest mit dazugehöriger Parade veranstaltet, die wir uns anschauten. Zu der Parade gehörten Musikgruppen, Tanzgruppen und natürlich die Königinnen von Santa Cruz, die in ihren bunten Kleidern und mit auffälligem Kopfschmuck geschmückt waren. Das Ganze erinnerte etwas an die buntere, lautere und größere Variante eines Schützenfestes.
Wer bis hier gelesen hat, mag sich fragen, ob wir denn hier nur Freizeit haben. Nein, natürlich nicht, allerdings hatten wir dadurch, dass die Mädchen aus Benediktbeuern später kamen als wir, etwas länger Zeit uns einzugewöhnen. Ab morgen beginnt dann aber unsere Arbeit im Hogar. Ich werde von sieben Uhr morgens bis 14 Uhr nachmittags arbeiten und in ein paar Wochen mehr über meine Arbeit berichten. Bis dahin werde ich aber bestimmt einige Bilder in meiner Galerie hochladen, die Bolivien aus meiner Perspektive zeigen.
Bis dahin viele Grüße aus Santa Cruz, eure Lea.
Cilly
Liebe Lea, vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht! Vor 10 Tagen haben mich Deine Weihnachtsgrüße auch erreicht, die Geburtstagsgrüße über Anja sind auch angekommen!
Wir versuchen gleich mal Dich anzurufen, hier ist es jetzt 19.15 Uhr. Vielleicht haben wir Glück,
liebe GRüße Cilly