Heute ist der erste Tag meiner Kolumbienreise. Ich will die Arbeit der Don Bosco Schwestern mit den Strassenmaedchen der Stadt Medellin besser kennen lernen. Ich bin mit Prof. Hartwig Weber unterwegs. Der eremetierte Professor der Universitaet Heidelberg ist ein Experte fuer kolumbianische Strassenkinder und ist pro Jahr mindestens zweimal hier in Medellin. Gemeinsam mit Sor Sara FMA hat er das Projekt Patio13 gegruendet. Dabei gehen kolumbianische Studentinnen auf die Strasse und âunterrichtenâ dort . Nun stehe ich also mitten drin. Gleich um die Ecke des Plaza Botero, ein paar Strassen weiter mitten zwischen dem uebervollen Stadtverkehr. Vor uns liegt ein Maedchen, zugedroehnt. Ihr Gesicht verschwindet immer wieder in der schwarzen Tuete, aus der sie tiefe Zuege âPeganteâ nimmt, einem Schusterleim. Ob damit wohl heute noch ein Schuster arbeitet? Oder sind nicht die fast 6000 Strassenkinder der Stadt die alleinige Kundschaft? Prof. Weber kennt sie und laedt sie ein, ein paar Schritte weiter zu kommen. Dort sitzen schon 5 kolumbianische Studentinnen auf dem Boden, in Gespraech vertieft. Sie haben Zeitungsschnipsel mitgebracht. Die Strassenkinder sollen aus ihrem Leben erzaehlen. Neugierig kommen andere der Kids dazu. Eine Gruppe huebscher Teenager mit greller Schminke umkreist mich. Sie sind froehlich, zugaenglich und so jung, dass es mich schmerzt. 20.000 Pesos verdient Alexa mit einem Freier, das sind etwa 9 Euro. Sie ist 15 und sieht keinen Tag aelter aus. Wir lachen viel, dann drehen die Maedchen ab.
Liliana hingegen bleibt die ganze Zeit bei uns. (Foto) Sie ist im dritten Monat schwanger und malt mit den Studentinnen ein Bild. Es zeigt ihre Familie- das wichtigste was sie noch hat. Seit ihrer Schwangerschaft hat sie gar keinen Kontakt mehr zu ihnen. Auf dem Bild sieht man auch das Baby in ihrem Bauch. Ihr Alter habe ich verdraengt⊠Das niedrigschwellige Bildungsangebot von Patio 13 ist der Versuch, den Jugendlichen einen neuen Gedanken in den Kopf zu pflanzen. Du kannst etwas, du bist etwas wert, du kannst mehr mit deinem Leben anfangen. Selbst hier, mitten zwischen fliegenden Haendlern, Freiern und Bussen. Sie sollen sich mit sich selbst beschaeftigen, besonders die schwangeren Maedchen. Alle Theorie, alle Paedagogik, alle klugen Gedanken dahinter, werde ich Euch bestimmt in den naechsten Tagen noch ausfuehrlicher schildern. Fuer heute bleiben mir zwei Dinge im Gedaechtnis. Auch in Kolumbien, einem Land mit viel Armut, kann man Menschen mit Aufmerksamkeit eine fast groessere Freude machen als mit materiellen Guetern. Der zweite bleibende Eindruck ist der Blick auf den Plaza Botereo, den wir spaeter ueberqueren. Nach dem Gespraech mit den Kids sehe ich ploetzlich mehr Armut als sonst, mir fallen die Bettler auf und alles wirkt heruntergekommen. Nach einem Mandarinensaft auf der Terrasse eines Cafes direkt am Platz verfluechtigt sich dies wieder. Ich sehe gutgekleidete Menschen und verfolge das bunte Treiben. Ich sehe weder Armut noch Gefahr. Die Wohlstandsbrille selektiert meine Eindruecke. Wahrscheinlich habe ich Jemanden wie Liliana oder Alexa bisher immer uebersehenâŠ.
Ein Bericht von Ulla Fricke, Leiterin der Abteilung Bildung, Kommunikation und Engagement, Don Bosco Mission
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