Sofia en Bolivia

Mein Freiwilligendienst mit Don Bosco

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Der Padre dreht die Boxen auf

İHola amigos!

„Oh man, jetzt bin ich schon einen ganzen Monat hier!! Und immer noch keinen neuen Beitrag geschrieben.“ – So plagt mich im Moment mein schlechtes Gewissen. Dabei gibt es doch so viel zu erzählen!! Allerdings ist manches eben gar nicht so einfach in Worte zu fassen. Und außerdem tat es um ehrlich zu sein auch ganz gut, die ersten Wochen damit zu verbringen Anzukommen und die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten.

Um diese Eindrücke festzuhalten, habe ich begonnen schöne oder faszinierende Momente in mein Tagebuch aufzumalen. Hier unten seht ihr ein paar Eindrücke:

Der erste Zimmerputz liegt nun schon hinter mir und die wievielte Wäsche ich gerade aufgehangen habe, könnte ich mittlerweile auch nicht mehr sagen. Inzwischen habe ich sogar rausbekommen wie die Dusche nicht nur lauwarmes sondern sogar heißes Wasser ausspuckt (was bei meistens 30 Grad dann doch nicht allzu oft nötig war). Die Namen meiner ca. 40 Jungs und Mädels im Projekt Mano Amiga habe ich auch fast drauf. Und auch wenn ich mich mittlerweile schon gut eingelebt habe, juckt es mich dennoch in den Fingern hier ein Erlebnis aus den ersten Tagen aufzuschreiben. Aus den Tagen, an denen ich noch von den vielen Eindrücken jeden Abend müde und überwältigt ins Bett gefallen bin.

Der Padre dreht die Boxen auf

Es ist Sonntag der 17. September und mein erster „richtiger“ Arbeitstag. Ich habe heute bestimmt fünf Mal nachgefragt was wir unternehmen werden, bevor ich es nur annähernd verstanden hatte. Irgendwas von Fußball konnte ich entschlüsseln. Als dann Padre José María mich nochmal ins Volontärshaus (das zum Glück nur schräg gegenüber meines Arbeitsplatzes liegt) schickt um Wasserflasche und Kappe zu holen, frage ich mich ob ich jetzt auch noch Sportsachen brauche. Ratlos, wie so oft in den letzten Tagen, stehe ich vor dem Kleiderschrank und denke darüber nach, ob ich jetzt die kurze Hose anziehen darf. Schließlich wurden wir in Deutschland auf einen abweichenden Dresscode für Frauen in fremden Ländern hingewiesen.

Hier seht ihr meinen derzeitigen Arbeitsplatz

Als ich mich letztendlich doch für die Sportshorts entschieden habe (da mir eine lange Hose bei 32 Grad dann doch unsinnig erschien) und wieder zum Mano Amiga rübergestapft bin, steht der Bus schon bereit. Die Kinder stehen aufgereiht am Zaun. Noch einmal fix durchgezählt und dann geht’s mit über 40 Kindern in den klapprigen Kleinbus des Proyecto Don Boscos. Es wird gestapelt und gedrückt, bis alle entweder einen Sitzplatz oder einen Schoß gefunden haben. Als sich dann der Bus mit Stöhnen und Ächzen in Bewegung setzt, schreien plötzlich immer mehr Kinder „gorro“ auf mich ein. Letztendlich zieht die Betreuerin hinter mir mir die Kappe (=„gorro“) vom Kopf. Dann verstehe ich. Bevor es auf die Straße geht, wird gebetet. Schnell wird noch ein Ave Maria aus dem Ärmel geschüttelt.

Immer noch mit der Frage beschäftigt, ob das Gebet von großer Frommheit zeugt oder eher etwas mit dem abenteuerlichen Verkehr hier in Bolivien zu tun hat, werden meine Gedanken plötzlich von lauter Musik unterbrochen. Der Padre dreht die Boxen auf. Doch nicht nur das. Der ganze Bus singt mit. Ja wirklich! Jedes Kind grölt!!

(Leider besitze ich nur Bilder und Videos von der Busfahrt, die die Gesichter der Kinder zeigen. Diese darf ich hier allerdings nicht posten. Ich hoffe, dass allein die Worte ausgereicht haben euch in die Stimmung im Bus hineinzuversetzen.)

„Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen…“

Als der „Partybus“ nach ca. 20-30min im Barrio Juvenil (einer weiteren Don Bosco Einrichtung am anderen Ende von Santa Cruz) ankommt. Dämmert es mir langsam, was das hier für ein Event ist. Es handelt sich um en Fußballturnier. Zusammen kommen die verschiedensten Einrichtungen Don Boscos. Die großen Mädchen (12-14 Jahre) lassen wir am Bus zurück, um sich umzuziehen. Die Kleinen (5-10 Jahre) ziehen mich unterdessen zum Spielplatz mit allerlei Reckstangen. An die ich sie die folgenden Stunden immer wieder unter dem Befehl „İAlzeme!“ (=„Heb mich hoch!“) hochheben sollte.

Direkt neben dem Spielplatz liegt ein kleiner Platz, ausgestattet mit zwei Toren, auf dem sich, als wir ankommen, bereits zwei 5-Köpfige Mädchen Teams duellieren. Daneben ein Anblick der an „Sisteract“ erinnert. Eine kleine Tribüne oder besser gesagt gelbe Treppenstufen schmücken den Rand des Spielfeldes. Voll besetzt von einer Vielzahl von Jugendlichen. Es wird gejubelt und getanzt. Und in aller erster Reihe zwei Nonnen in ihren Kutten. Ein Anblick den ich so schnell nicht mehr vergessen werde. Was sonst kann Don Bosco mit dem Satz: „Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen…“ gemeint haben.

Ein kleiner Eindruck von dem Fußballplatz im Barrio Juvenil – Der Spielplatz mit der kleinen Kinder liegt rechts neben dem Sportplatz

Andere Straßen, andere Sitten

Der Rest des Nachmittags verläuft eigentlich genauso wie man es auch in Deutschland von Sportfesten kennt. Eine Gruppe von Frauen sammelt alle kleinen Kinder ein, um Mannschaftsspiele zu spielen. Danach gibt es reichlich Süßigkeiten. Eis aus kleinen Plastiktüten, dass an eingefrorene Götterspeise erinnert,(Genannt haben es die Kinder „Bolo“) „Pippoquín“ (=Popcornähnliche Süßigkeit) und ebenso viele „Chupetes“ (=Lutscher).

(Da ich leider vergessen habe an diesem Tag Fotos zu machen, hier meine Zeichnung aus dem Tagebuch.)

Nach einem langen Nachmittag gibt es dann endlich ein kleines Abendessen. Ein Stück Pizza und dazu Annanasssaft. (Leider mussten wir schon feststellen, dass man auf die Pizza hier gut verzichten kann. Jedoch war der Annanasssaft umso besser!) Nach der Siegerehrung des Fußballturniers, bei der es mein Team leider nicht aufs Podium geschafft hat, geht es daran alle Kinder vom Mano Amiga einzusammeln. Bis alle Jungs und Mädels eingeladen sind und auch die letzten Tränen getrocknet sind, ist es schon fast dunkel.

Ich wundere mich noch darüber, das wir nicht losfahren, weil doch schon alle im Bus sitzen. Da versuchen doch tatsächlich sich noch weitere 6 Jungs aus dem Hogar (einer weiteren Einrichtung Don Boscos) in den Bus zu drängen. Wie durch ein Wunder setzt sich der Bus, mit nun fast 50 Insassen, unter Ruckeln und Rattern in Bewegung. Unter den letzten Sonnenstrahlen wird noch ein letztes Mal die Musik aufgedreht. Das Mädchen auf meinem Schoß bekommt davon allerdings nicht mehr viel mit.

Plötzlich, ich immer noch zweifelnd, ob es der Bus wohl um die nächste Ecke schaffen wird, bleiben wir stehen. Ich schaue mich um. Ich kann keinen Grund für unser Anhalten erkennen. Wir sind doch nicht schon etwa da? Nein, denn als der Bus wendet, sehe ich sie. Eine Straßenblockade. Zusammengebastelt aus Stühlen und Holzbrettern. (Mittlerweile weiß ich, dass das hier das normalste der Welt ist.)

Glücklich und zufrieden…

…angekommen am Mano Amiga, sind die Kinder hundemüde. Mir geht es genauso. Als ich die Straße zu unserm Haus überquere, bin ich einfach nur dankbar diesen Tag miterlebt zu haben. Ich freue mich aufs Sofa und meine Erfahrungen mit den anderen Volos zu teilen, während mir ein leichtes Ziehen in den Wangen verrät, dass sich die Sonne an diesem wunderschönen Tag wie ein kleines Andenken in mein Gesicht gebrannt hat.

İHasta luego!

Sofia

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