Nun schreibe ich das letzte Mal einen Blogeintrag, denn seit fast drei Wochen ist mein Freiwilligendienst jetzt vorbei und ich somit wieder daheim in Deutschland. Nach und nach lebe ich mich immer mehr ein, obwohl ich feststellen musste, dass das gar nicht so leicht ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Vielleicht spielt hier aber auch mit rein, dass ich immer mal wieder sehr Heimweh nach Vijayawada habe und es Tage gibt, an welchen ich mir wünsche, einfach wieder dort zu sein und dort meinen Alltag weiterzuleben.

Die letzte Zeit in Indien war für uns alle eine Achterbahn der Gefühle. Vor allem in der letzten Woche mit mehreren Abschieden wusste ich kaum mehr, was ich fühlen sollte und vor allem realisierte ich kaum, dass mein Jahr eben zu diesem Zeitpunkt beinahe vorbei war.

Da Zora und Anna schon zehn Tage vor mir abreisten, stellte ich mich sehr früh auch schon mit auf meine Verabschiedung ein. Die letzten eineinhalb Wochen wohnten wir dann also nur noch zu dritt in der Flat: Hanna, Lice und ich. Auch ein komisches Gefühl, wenn alles auf einmal so leer ist. Da wir mit Zora und Anna schon viele Aktivitäten „ein letztes Mal“ gemacht hatten, freuten wir uns eigentlich auf sehr entspannte, letzte zehn Tage, doch dem war nicht so. Denn wie sich herausstellte, fanden wir dann doch noch genügend Dinge, die wir irgendwie noch unterbringen mussten und so war auch diese Zeit etwas stressiger als geplant. Und dann kamen die Abschiede von Community, Deepa Nivas und Chiguru fast direkt hintereinander.

In der Community hatten die Kinder und Jugendlichen durch Zoras Abschied bereits verstanden, dass wir kurze Zeit später ebenfalls gehen würden und so kamen fast alle täglich und wir hatten eine sehr schöne Woche dort, in welcher ein fröhliches Durcheinander herrschte. Unser letzter Tag war dann auch nochmal ganz besonders. Wir brachten einen großen Kuchen mit, den wir mit allen Kindern gemeinsam anschnitten und das typische „Cake Cutting“ machten, bei welchem man sich gegenseitig mit Kuchen füttert. Und schließlich hatte die, noch recht neue Mitarbeiterin eine kleine Abschlusszeremonie für uns vorbereitet, bei welcher sie und die Kinder uns die Füße und auch die Gesichter mit gelber Paste eincremten und wir alle ein Bindi, also einen roten Punkt auf die Stirn bekamen. Dieses Ritual kannte ich bereits von den Festlichkeiten, die für die Mädchen nach ihrer ersten Periode gefeiert wurden. Auch wurden wir reich beschenkt. So bekamen wir von der Mitarbeiterin jeder einen Sarree, was wir kaum glauben konnten und von den Kindern, was mich sehr rührte, viele Freundschaftsarmbänder, Freundschaftsringe und Ketten geschenkt. Am letzten Tag wurde mir noch einmal mehr bewusst, wie sehr mir die Kinder und Jugendlichen ans Herz gewachsen sind und auch, dass diese die Zeit mit uns ebenfalls genossen hatten. Umso trauriger, dass wir sie nicht mehr wiedersehen werden. Und genau dieser Fakt geht eigentlich immer noch nicht so wirklich in meinen Kopf rein.

Cake-Cutting

Am selben Tag musste ich mich auch von den Jungs im Deepa Nivas verabschieden. Die Hausaufgabenbetreuung lief nicht wie gewohnt, da an diesem Tag, wegen eines Feiertags keine Schule gewesen war und die Jungs so nach etwa einer halben Stunde einen Film anschauen durften. Einige blieben jedoch bei mir und malten Mandalas, spielten UNO oder ließen sich von mir mit Mehndi Namen auf ihre Arme schreiben. Kurz vor dem Abendessen wollte ich mich verabschieden, da dort meist der einzige Zeitpunkt war, an welchem alle zusammensaßen und Ruhe herrschte. Zudem hatte ich für jeden ein kleines Packerl an UNO-Karten mit Pokemon-Print vorbereitet, welches ich ihnen übergeben wollte. Hier lief alles nach Plan und die Jungs freuten sich sehr über mein Geschenk, da UNO-Karten bei ihnen ungefähr so wertvoll sind wie bei uns in der Schulzeit Sammelkarten. Auch ich freute mich natürlich, dass es so gut ankam und konnte mich hierbei nochmal von jedem einzelnen verabschieden und kurz ein paar Worte wechseln, was mir sehr viel bedeutete. Nach dem Essen herrschte wie immer ein kleines Durcheinander und doch war es noch schön mit den Jungs ein bisschen zusammenzustehen und schließlich, teils wahnsinnig traurig, teils glücklich erfüllt, den Heimweg anzutreten.

Vom Chiguru verabschiedeten Hanna, Lice und ich uns gemeinsam. Hierzu hatten wir neben einer kleinen Rede auf Telugu, vor allem einen neuen Tanz einstudiert, welcher uns zuvor einige Nerven gekostet hatte. Es handelte sich nämlich um einen Tanz für Frauen, welcher viele kleine schnelle Bewegungen forderte. Auch die Mädels und Jungs tanzten auf der Bühne vor. Das finde ich immer besonders schön, denn es sieht einfach jedes Mal toll aus. Auch hier war dann der Abschied noch sehr persönlich und wir aßen gemeinsam mit den Kindern zu Mittag bevor wir wieder zur Flat aufbrachen.

Noch ein gemeinsamer Tanz mit ein paar Kindern

Eigentlich vermisste ich schon an diesem Nachmittag einige der Kinder. Die Arbeit mit den Kindern im letzten Jahr bedeutete mir so viel. Die Zeit war einfach sehr intensiv und die Verbindung zu den Kindern auch dementsprechend eng. Ich habe die Zeit sehr genossen.

Nun zum Schluss möchte ich noch über ein Thema schreiben, dass mich eigentlich das ganze Jahr über immer wieder beschäftigt hat. Die Frage, ob es richtig und gerecht ist, was ich hier mache. In ein anderes Land reisen, um dort zu „helfen“.

Ich habe für mich entschieden, dass „Helfen“ das falsche Wort ist. Denn in erster Linie bringt es uns selbst weiter. Wir sammeln über das Jahr hinweg so viele Erfahrungen, haben die Möglichkeit eine andere Kultur auf ganz besondere Art und Weise kennenzulernen, lernen neue Leute kennen, finden neue Freunde und kommen nach einem Jahr wieder zurück in unser „altes“, doch sehr privilegiertes Leben. Die meisten Inder:innen haben wohl nicht die Möglichkeit dazu. Andererseits geben wir in diesem Jahr natürlich auch. Wir arbeiten, ohne dafür von der Organisation vor Ort Geld zu bekommen mit Kindern zusammen und sind einfach eine zusätzliche Arbeitskraft. So haben wir oft doch etwas mehr Zeit und Kraft für jedes einzelne Kind und können auch einfach mal nur mit drei Kindern auf einer Bank sitzen und mit eben Wenigen Zeit verbringen, während die Mitarbeiter:innen die volle Verantwortung für alle tragen und oft sehr viel zu tun haben.

Oft wurden wir gefragt, wie viel etwas was wir tragen, oder was wir besitzen kostet. Hier fiel uns das Antworten meist schwer, denn natürlich geben wir viel mehr Geld für Gegenstände oder Kleidung aus, als viele der Menschen, mit welchen wir während unseres Freiwilligendienstes in Kontakt kamen. Unser Taschengeld betrug 100€, das war teils genauso viel, wie auch einige der Mitarbeitenden Navajeevans etwa pro Monat verdienen. Auch was die Wohnsituation der meisten Mitarbeitenden angeht, wird mir vor allem jetzt, da ich wieder zuhause bin immer mehr bewusst, in was für einem Überfluss wir hier leben. Während sich bei uns alles darum dreht, dass jeder ein eigenes Zimmer bekommt, besteht in Vijayawada bei einigen Bekannten, die Wohnung einer fünfköpfigen Familie aus drei eher kleineren Räumen oder die Wohnung eines Ehepaars aus nur Einem. Und trotzdem sind sie damit nicht unzufrieden, zumindest nicht so, dass sie es nach außen tragen und ich habe das Gefühl, dass wir hier oft sehr viel unzufriedener sind mit unseren Besitztümern, obwohl wir doch so viel mehr haben.

Das alles fällt mir viel mehr auf, nun, da ich wieder zurück bin und ich finde auch wir sollten viel zufriedener sein mit dem, was wir haben und nicht immer noch mehr wollen. Denn meiner Meinung nach steckt hinter dem Sprichwort: „weniger ist mehr“ sehr viel Wahres.

Hiermit verabschiede ich mich nun auch von Euch.

Danke, dass Ihr meinen Blog so fleißig begleitet habt und ich so liebe Rückmeldungen bekommen habe!

Bye Bye,

Eure Antonia

Kurz bevor man die Flat verlässt, ist es seit zwei Jahren Volo-Tradition, auf der Volo-Wall zu unterschreiben.