Hallo meine lieben Leserinnen und Leser. Oder wie man hier sagt – vanakkam! Mittlerweile ist bei mit im Projekt der Alltag angekommen und ich habe meinen festen Tagesablauf und Aufgaben. In diesem Artikel könnt ihr einen ganz normalen Tag miterleben.

6.00 Uhr. Der Wecker klingelt und gequält steigen Marie und ich aus dem Bett. Kurz frisch machen und dann geht es je nach Wochentag in die Messe oder zum Joggen auf den Sportplatz (das indische Essen ist einfach zu lecker und deswegen müssen wir ein bisschen Extratraining einlegen, um mit den Jungs mithalten zu können). In der Zwischenzeit sind auch die Jungs aufgestanden und erledigen ihre morning jobs. Das sind kleine Aufgaben rund ums Haus, wie zum Beispiel Bewässern, Fegen oder die Tiere (Enten, Kühe, Kaninchen Hühner und Fische) Füttern. Jeder hat seine eigene Aufgabe, die er jeden Tag erledigen muss. Meistens tragen wir mit den kleineren Jungs die schweren Wassereimer oder helfen sonst irgendwie.

Nun ist es 8 Uhr und es gibt endlich Frühstück. Unsere Köchin Malar zaubert jeden Tag ein leckeres indisches Frühstück, nur manchmal machen wir eine Ausnahme und es gibt deutsches Frühstück mit Müsli, Marmeladentoast und Kaffee. Danach springen wir schnell in den schon wartenden Bus, der die älteren Jungs in die Schule außerhalb bringt. Wir begleiten sie jeden Tag und können dabei die 20 minütige Fahrt über holprige indische Landstraßen genießen. Dazu dreht unser Driver Tamil die Musik laut und die Jungs singen die Lieder aus ganzen Herzen mit. Mittlerweile beginnen auch wir die am Anfang so fremde indische Musik zu genießen und wackeln, passend zu den Schlaglöchern in der Straße, mit unseren Köpfen im Takt.

Zurück im Projekt geht auch für uns die Schule los. Allerdings nicht als Schüler, sondern als Lehrer. Von 9.30-10.15 geben wir den jüngeren Schülern, die im Projekt unterrichtet werden, Englischunterricht. Das gestaltet sich teilweise ganz schön schwierig, da sich unsere Tamilkenntnisse noch in Grenzen halten und die Englischkentnisse der Jungs meist auch nicht die besten sind. Aber mit Actionsongs, Bildern, Videos und selbstgestalteten Arbeitsblättern versuchen wir ihnen mit Spaß die für sie ziemlich schwierige Sprache näherzubringen.

Jetzt ist es halb 11 und unser Driver Tamil bringt uns nach Salem (die nächste Stadt) zu unserer Tamillehrerin. Mit ihr kauen wir täglich tamilische Grammatik, Wörter und Phrasen durch. Es geht schleppend voran, weil wir uns oft einfach verquatschen und uns in Gesprächen über deutsche und indische Kultur wiederfinden. Wir kommen gerne zu ihr und außerdem gibt es hier den besten Tee!

Pünktlich zum Mittagessen der Jungs sind wir wieder im Projekt. Hier helfen wir, das Essen auszuteilen oder quatschen einfach ein bisschen (soweit das mit dem englisch-tamil Mix eben möglich ist, bis dann auch wir zum Mittagessen gehen. Es gibt Reis mit Sambar, Chutney, Gemüse und zum Nachtisch Bananen und Papaya aus eigenem Anbau. Danach heißt es erst mal rest taken. Naja, oder den Unterricht für morgen vorbereiten, Blog schreiben, unsere dobi (Wäsche) machen, usw. – eigentlich gibt es immer was zu tun.

Um 4.20 steigen wir wieder in den Schulbus, um die Jungs abzuholen. “Palli eppadi irindadu? – wie war die Schule?” lautet unsere Standardfrage. Für recht viel mehr reicht unser Tamil noch nicht. Wieder im Projekt angekommen, geht`s dann zur Gamestime. Bis 6 spielen wir mit den Jungs Basketball, Volleyball oder Völkerball. Ganz schön anstrengend bei 35 Grad! Aber zum Glück kommt jetzt dann der Winter und wir können auf kühle 25-30 Grad hoffen.

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Nun geht es weiter zur studytime. Wir helfen den Jungs bei den Hausaufgaben, lesen mit ihnen englische Text, verbessern Matheaufgaben oder malen, bis es schließlich um 8 Uhr Abendessen gibt. Nach dem Abendessen ist eine Viertelstunde recreation time. Hier spielen wir mit den kleineren Jungs em pam pi, Daumencatchen und beim Müller hats gebrannt brannt brannt oder quatschen mit den Älteren. Der Tag endet mit dem night prayer und einer Ansprache des Direktors.

Es ist 9.15 und Marie und ich ziehen uns in unser Zimmer zurück. Jeden Tag nehmen wir uns vor, etwas eher ins Bett zu gehen, aber irgendwie wird es dann doch immer später, weil wir noch mit skypen, Tagebuch schreiben, Unterrichtsvorbereitung,… beschäftigt sind…   

So läuft ein ganz normaler Wochentag ab. Am Wochenende ist der Zeitplan der Jungs etwas lockerer. Abgesehen von kleinen Aufgaben und der alltäglichen Studytime bleibt viel Zeit für Indoor und Outdoorgames. Wir messen uns im Schach, spielen Runde für Runde UNO, beeindrucken die Jungs mit unseren Jojokünsten und kommen beim Basketballmatch ins Schwitzen. Danach dürfen die Jungs einen tamilschen Film ansehen, vor dem wir uns aber meistens drücken, da wir mal wieder kaum ein Wort verstehen.

Samstag Vormittag steht außerdem ein Krankenhausbesuch an. Einmal im Monat muss jeder ins Krankenhaus, um die neuen Medikamente abzuholen und für einen kurzen Check. Wir begleiten sie, halten ihre Hand und reden mit doctors und nurses. Wieder im Projekt geht es für die Jungs mit den Spielen weiter, während für uns die Arbeit erst richtig beginnt. Schließlich sind wir hier nurse Anna und nurse Marie und für die medical records zuständig. Wir tragen die aktuellen Daten des Krankenhausbesuchs in eine Software ein (die wir in einigen Tagen Arbeit erst mal einrichten mussten). So sind alle Daten schnell und einfach immer verfügbar und in Notsituationen sofort greifbar.

Sonntag morgens ist Messe auf Tamil (nicht wie unter der Woche auf Englisch) und alle staff members und christlichen Kinder sind dabei. Einmal im Monat gehen wir sonntags zur Messe in die große Kirche in Salem. Das ist immer wieder ein Erlebnis zu sehen, wie alles mit Blumen gschmückt ist und die Frauen festlich bunte Saris tragen.

So ungefähr, meine lieben Leserinnen und Leser, sieht mein Alltag momentan aus. Aber natürlich ist jeder Tag anders und es passiert eigentlich immer irgendetwas Neues, Spontanes, Ungeplantes. Ich hoffe, mit diesem Artikel konnte ich euch meinen Alltag ein bisschen näher bringen und euch zeigen, was man als Volntärin im Don Bosco Care Home Nilavaarapatti so den ganzen Tag macht.

Liebe Grüße aus dem schon langsam winterlichen (30 Grad) Nilavaarapatti!

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