Knapp drei Wochen sind wir nun schon hier. Drei Wochen, die erstaunlicherweise rückblickend wie im Flug vergangen sind- wenn auch ein sehr turbulenter. Auf und Abs, Hoch und Tiefs. Die ersten Tage hieß es erstmal Ankommen, Einrichten, Erkunden, Kennenlernen, und und und…

Père Arnaud:
Père Arnaud ist der unternehmungslustigste Salesianer und macht viele Ausflüge mit uns, wie zum Beispiel die Umgebung der Communauté zu erkunden- die umliegenden Felder, die Fitnessstudios der Stadt und die Bushaltestelle für den Bus nach Cotonou. Einmal waren wir sogar bei einer Sitzung aller Direktor*innen der Einrichtungen in Porto-Novo dabei. Die Ausflüge mit Père Arnaud sind cool, auch wenn seine Autofahr-Künste sehr speziell sind (Ich habe zwar keinen Führerschein und will mich echt nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber Anfahren im dritten Gang kommt mir ein wenig komisch vor).



Ein Geheimtipp, den Arnaud uns nahegelegt hat, sind die Hotels. Für umgerechnet circa einen Euro können wir die Schwimmbäder dieser nutzen, was sehr cool ist. Arnaud ist klein und hat eine unfassbar ansteckende Lache- vor allem, weil er immer und über alles lacht, besonders über sich selber. Außerdem wirkt er sehr zufrieden mit allem was er macht. Jeden Tag um 18 Uhr macht er einen Spaziergang, immer die gleiche Route an der Straße entlang. 35 Minuten hin, 35 Minuten zurück. Ein paar mal haben wir ihn schon begleitet. Das letzte Mal kam dabei eine Gruppe von Jugendlichen auf uns zu, die es kaum glauben konnten, dass dort tatsächlich zwei Weiße vor ihnen standen. Nachdem uns eines der Mädchen umarmt hat, lachte Arnaud laut und fragte, ob er denn keine Umarmung kriegen würde.



Letztes Wochenende waren wir mit Arnaud in Cotonou, der größten Stadt Benins. Porto Novo ist sehr viel ländlicher als gedacht und die erste Hauptstadt ohne einen einzigen Supermarkt, die ich je gesehen habe. Darum stand für uns als allererstes ein Großeinkauf an, der hauptsächlich aus Regalen, Teppichen und anderen Dingen bestand, die unsere Zimmer nun richtig wohnlich machen. Außerdem haben wir Arnauds Familie kennengelernt und uns mit den zwei Freiwilligen aus Cotonou getroffen. Leonie und Maria haben wir bei unserem dritten Vorbereitungsseminar in Benediktbeuern kennengelernt und wir haben den restlichen Tag am Strand verbracht. Die Wellen hier sind hoch und stark, zu hoch und stark um baden zu gehen, aber beeindruckend anzusehen. „Du musst dir das mal vorstellen: das nächste Land, was hier hinter dem Horizont kommt, ist die Antarktis“. Das ist tatsächlich schwer vorstellbar.


Mit sandigen Füßen, klebrigen Haaren und einer Menge Salzluft in den Lungen hat uns Arnaud wieder abgeholt und Leonie und Maria nach Hause gebracht. Die Einrichtung, in der die beiden arbeiten, ist noch größer als unsere und wir hatten ebenfalls die Möglichkeit die Schwestern kennenzulernen. Mittlerweile war es dunkel und die Müdigkeit vom langen Tag saß uns in den Knochen. Als die anderen Beiden nach unserer Abreise noch selber kochen mussten, waren Matilde und ich sehr dankbar, dass zu Hause ein fertiges Abendessen wartete. Eigentlich koche ich gerne und sich sonntags morgens ein Rührei zum Frühstück machen zu können und seine Essenszeiten nach seinem Hunger richten zu können, vermisse ich ein bisschen. Doch dafür ein Jahr mit beninischen Spezialitäten bekocht zu werden- dann nehm ich das gerne in Kauf 😉



Der Tag in Cotonou war mein bisheriges Highlight. Nicht nur die Stadt und das Meer gefallen mir sehr gut. Besonders gut tat der Austausch mit den anderen Freiwilligen. Bisher haben wir noch nicht richtig angefangen zu arbeiten und seit drei Wochen nichts zu tun zu haben und keine richtige Routine zu haben ist anstrengender, als es sich anhört. Leonie und Maria sind schon zwei Wochen länger hier als wir, und zu hören, dass es bei ihnen am Anfang auch so, war tut gut. „Wir sind ein Jahr hier- wir haben alle Zeit der Welt.“ Auch zu wissen, wie das Moto-Taxi-Prinzip funktioniert, worauf man achten muss, was für negative Erlebnisse sie schon hatten, wie sie mit Heimweh umgehen, wie es mit dem Französisch läuft…- Austausch ist immer gut.
Neben seiner Arbeit in unserem Zentrum arbeitet Père Arnaud zusätzlich in „Catchi“. Catchi ist das erste Auffangzentrum, in das die Straßenkinder aufgenommen werden, bevor sie in unser Zentrum kommen. Wir waren jetzt schon ein paar mal dort um die Kinder kennenzulernen. In Catchi ist es sehr anders als bei uns. Zurzeit sind nur 14 Kinder dort, wodurch sowohl das Gebäude, als auch der Hof sehr viel kleiner ist. Außerdem müssen die Kinder dort selber kochen und waschen, was ein bedrückender Anblick war. Besonders der Anblick eines kleinen Junges, vielleicht sieben Jahre alt, hat mich sehr berührt, als er verzweifelt versuchte an die viel zu hohe Wäscheleine ranzukommen, um seine frischgewaschene Anna-und-Elsa-Leggings aufzuhängen. Er war viel zu klein für die Wäscheleine und er war viel zu klein für’s Wäschewaschen generell. Als ich sieben war haben meine Eltern meine Wäsche gewaschen. In der Waschmaschine. Und anschließend in mein eigenes Zimmer gebracht. Die Kinder hier haben weder eine Waschmaschine, noch ein eigenes Zimmer- die meisten nicht einmal Eltern.
Mit solchen Gedanken und Gefühlen umzugehen ist schwer, vor allem, weil klar ist: Wir können daran nichts ändern. Gar nichts. Und das ist scheiße. Was jedoch hilft ist ein Sprichwort, dass uns bei den Seminaren mitgegeben wurde: „Ihr seid das gesunde Plus“. Wir können nichts am System ändern, alles was wir machen können, ist den Kindern Zeit zu schenken. An Zeit für Kindern mangelt es überall. Und wenn wir hier eines haben, ist das Zeit. Überleben würden die Kinder hier natürlich auch ohne uns Freiwillige. Doch wir sind ja auch „das Plus“- hier um zu unterstützen und nicht, um die Welt gerecht zu machen. Der Spruch und Gedanke dahinter hilft.

Père Adolphe und Père Julian:
Auch Père Adolphe ist sehr bemüht, dass wir uns hier gut einleben. So hat er sich zum Beispiel um eine Französisch-Lehrerin für uns gekümmert. Zwar beinhaltet dieser Unterricht bisher nur das Vorlesen von Texten aus Französischbüchern für Grundschüler*innen, aber Immaculée ist ganz nett und Adolphe versucht uns auch beim Essen zum Sprechen anzuregen. Sein Fokus auf unsere Sprachfortschritte hat sich in der letzten Woche jedoch ein bisschen verschoben, weil seitdem Père Peter aus Nigeria bei uns zu Besuch ist. Père Peter ist für drei Wochen bei uns, um die Sprache zu lernen. Im Gegensatz zu uns spricht er jedoch noch kein Wort Französisch und die Pères kein Wort Englisch. Da Adolphe uns verboten hat Englisch zu reden, um unser aller Französisch zu fördern, können wir auch nichts übersetzen und beobachten so einfach nur kichernd die Gespräche, die gutes Material für eine Comedy-Show sein könnten. So war es schwer nicht laut zu lachen, als Père Peter völlig fassungslos und verwirrt war, warum er denn jetzt bitteschön freiwillig Schmerz (engl.: pain) haben wollen würden, als Père Adolphe ihm nur ein Stück Brot (franz.: pain) anbieten wollte und niemand am Tisch das Missverständnis verstand- außer uns.
Zum Thema Sprachbarriere sagte Père Arnaud nur zuversichtlich: „Petit à Petit, l’oiseau fait son nid“- Schritt für Schritt baut der Vogel sein Nest. Das klang sehr weise, bis Père Julian versuchte, das Sprichwort auf Deutsch zu lernen, was nur so mittel erfolgreich, aber dafür sehr lustig war.
Ein Tipp also an alle anderen Freiwillige, falls ihr mal was zu lachen haben wollt: Bringt euren Pères deutsche Sprichwörter bei (optional sind auch Zungenbrecher sehr empfehlenswert).
Manchmal kommt Père Julian zu uns auf unsere Dachterrasse- zum Quatschen oder manchmal auch für gemütliche Filmabende.
Père Jacques:
Père Jacques ist der vierte und damit letzte Père hier und der Direktor der Einrichtung. In der ersten Woche haben wir ein paar Ausflüge mit ihm und den anderen Pères unternommen. Wir waren in einem Landwirtschaftszentrum, einer Art Bauernhof, das Stadion angucken und abends in einem Biergarten an der Lagune der Stadt- ein Familienausflug quasi.




Eine Woche nach unserer Ankunft verkündete Père Jacques jedoch, er müsse nun für circa zwei Wochen in den Senegal. Das erschwert unsere Ankunftszeit leider ein bisschen, weil bis jetzt unklar ist, was genau unsere Aufgaben sind. Anfangs waren wir tagsüber in der Schule, was sich jedoch schnell als unsinnsvoll erwiesen hat, da wir dort außer Zusehen nichts machen konnten. Manchmal geben wir Marius, einem 19-jährigen Schüler hier, Nachhilfe in Englisch, lesen den Kleinen französische Bücher vor oder hören zu, wenn die Leseanfänger uns vorlesen. Doch so richtige Aufgaben, einen Arbeitsplan oder Routinen haben wir noch nicht. Für uns heißt es jetzt erstmal Abwarten, bis Jacques wieder da ist und wir alles weitere besprechen, bzw. wir ihm unsere Projektideen präsentieren können. Abwarten und Zeit totschlagen. Lesen, Malen, Schreiben, Telefonieren, sonntags in die Messe gehen, Musik hören, Yoga, Projekte planen, Spazieren, ins Schwimmbad gehen und Haare schneiden 😉


Knapp drei Wochen sind wir nun schon hier. Drei Wochen, die erstaunlicherweise rückblickend wie im Flug vergangen sind- wenn auch ein sehr turbulenter. Ehrlicherweise muss ich jedoch sagen: Ich liebe Turbulenzen beim Fliegen. Es ist aufregend. Und bisher bin ich an jedem Flughafen heil angekommen und das werde ich in meinem neuen Leben hier auch.
Ich bin gespannt, auf alles, was kommt- Bis ganz bald!
Marlene 💕😘💋
Heinz Hilschet
Danke für deinen schönen Bericht. Behalte deinen Optimusmus und die Fröhlichkeit. Du bist ein Stück gesundes Plus
Liebe Grüsse aus Hausach.
Sabine
Da bin ich mir sicher, dass Du immer auf den Füßen landest;-) und schön, dass ihr bei allen schwierigen Gedanken wisst, dass ihr etwas „Plus“ in diese Welt bringen könnt. Viel Lachen ist dabei sicher gut !!
Sabine Beyerle
Liebe Marlene
Ich habe grade deinen Blog gelesen und mich sehr gefreut dich gedanklich in den Benin begleiten zu dürfen. Ich kann mich auch noch sehr gut daran erinnern, wie es mir bei meinem ersten Besuch in Westafrika erging, ich war so geplättet, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet.
Ich freue mich sehr für dich das du auch gerade in diese Welt und dieses Gefühl eintauchen kannst. Ein bisschen bin ich auch neidisch! 😍
Ich freue mich auf weitere Berichte! Geniesse dein Abenteuer!!!
Liebe Grüße
Sabine
Clara
Mein engel, danke das du uns so ausführlich an deinem leben so weit weg teil haben lässt. Ich bin immer so überfordert wenn ich mit dir telefoniere, weil es so surreal scheint. Ein bisschen muss ich inmer weinen wenn ich deine blogeinträge lese, denn du bist für mich in berlin nicht nur „das plus“. Aber du hast Recht die Zeit vergeht schnell, deswegen halte jeden goldenen Moment den du erlebst gut fest! Ich bin so stolz auf dich! Ich hab dich ganz doll lieb. Deine clari