Hallihallo! Dieser Blog ist Teil einer Reihe, die ich starten möchte. Ich werde Fragen beantworten, die meine Freunde mir zu Indien gestellt haben und das in Kategorien unterteilen. Ähnlich wie ein klassisches Q and A, wie wir es in der Social Media Welt von Influencern kennen. Da ich super viele Fragen erhalten habe, wird es mehrere Teile geben und dieser hier wird der erste rund um das Thema Gesellschaftsrollen. Ganz wichtig ist es noch zu sagen, dass diese Antworten auf persönliche Erhfarungen beruhen und ich nur über meinen Einsatzort, Devadurga, sprechen kann. Diese Stadt ist sehr klein und eher schlecht entwickelt, viele Menschen sind ungebildet, haben keinen Job und auch leider keine Chancen auf Besserung. An anderen Orten sieht es natürlich ganz anders aus, sodass die Fragen auch ganz anders beantwortet werden würden.

  1. Was wäre anders, wenn männlich du wärst?

Sehr interesannte Frage, wie ich finde und auch eine Frage mit einer ganz klaren Antwort: Alles! Bevor ich beginne, möchte ich sagen, dass ich die indische Kultur mit meinen Aussagen nicht kritisieren oder schlecht darstellen möchte, aber durchaus aus meiner Perspektive oft an meine Grenzen des Verstnändnisses oder der Akzeptanz gelange, obwohl ich versuche sehr offen auf die Situation zu schauen. Zuerst einmal würde ich dann selbstverständlich nicht im Girls Hostel, sondern im Boys Hostel und dementsprechend auch nicht mit den Schwestern, sondern mit den Fathers leben. Ich will jetzt nicht sagen, dass das Dinge definitiv einfacher gemacht hätte, aber ein paar Kommunikationsprobleme hätten wohl vermieden werden können. Aber darum geht es ja in dieser Frage eher weniger. Viel interessanter ist es ja, inwiefern die Gesellschaft die Rolle der Frau und des Mannes prägt und welche Unterschiede es gibt. Zuerst einmal ist klar, dass ein Mann deutlich mehr Freiheiten hätte. Zum einen in der Kleidung, zum anderen auch im Verhalten. Männer müssen sich oftmals nicht traditionell kleiden und Shorts und T-Shirt sind meistens gestattet. Wenn es dann mal sehr heiß wird, ziehen zumindest unsere indischen Jungs auch mal ihre Shirts aus. Wir Frauen sollten dann aber natürlich nicht in ihre Richtung schauen und uns entfernen. Kleiner Fun Fact ( ob ich den so fun finde, weiß ich jetzt ja nicht, aber naja) indische Männer sind nicht so diskret beim an den Straßenrand pinkeln. Obwohl es genug Büsche und Bäume geben würde, wird sich einfach am Rand hingestellt und das Geschäft verrichtet und wieder: Frauen dürfen natürlich auf keinen Fall hinschauen und akzeptieren, dass Männer das halt machen, wenn sie wollen ,aber wehe wir Frauen tragen unsere Haare offen. Vielleicht ist das Thema Klamotten ein Thema , was mich sehr beschäftigt und vielleicht auch nicht gerade glücklich macht. Für Frauen gibt es nämlich ganz klare Regeln ( das ist natürlich immer Regionsabhängig und da Devadurga eine ganz kleine, schlecht entwickelte Stadt ist, ist das hier natürlich nochmal extremer als zum Beispiel in Kerala). Zu Beginn einmal kleiden Frauen sich traditionell. Das bedeutet Saree, langes Kleid oder Kurtha mit lockerer Hose oder Leggings. Ist die Kurtha kürzer als Knielänge darf keine Leggings angezogen werden. Eine Kurtha ist dieses klassische indische Cutout Shirt. BH-Träger dürfen auf keinen Fall gesehen werden, Beine, Knie, Schultern und Auschnitt und Schritt müssen bedeckt, bzw kaschiert sein. Veil ist vor allem ab einem gewissen Alter Pflicht. Als ich einen Tag mal ohne Veil zur Schule angetanzt kam, wurde ich auch direkt von einer Leherin aufgeklärt, dass sich das als Frau so nicht gehört. Haare gehören zumindest halbgeschlossen und eine engere Kurtha ist für jüngere Mädchen in Ordnung, aber nach der Ehe unangebracht. Regeln über Regeln. Den Fathers war es nie wichtig, dass ich mich indisch kleide, solange ich alles bedecke, aber vor allem die Lehrerinnen und Schwestern wollten, dass auch ich mich an die Regeln halte, die für indische Frauen gelten. In Teilen kann ich das sogar nachvollziehen, weil ich die indische Kultur und die Gesellschaftsnormen des Landes natürlich respektieren möchte und der Wunsch indische Kleidung zu kaufen, kam am Anfang auch von mir, weil ich in Klassen unterrichte und sie durch meine westliche Kleidung nicht beeinflussen wollte. Jedoch habe ich nicht damit gerechnet dass es so streng werden würde. Teilweise soll ich mich an besonderen Anlässen auf Wunsch der Schwestern eher simpel kleiden, damit mir „die Jungs nicht hinterher rennen“. Anstatt Saree hatte ich an dem Anual Day, dann ein Kurtha Set an. Hint Hint die Jungs sind mir natürlich trotzdem „hinterher gerannt“, weil mich auch simple Kleidung nicht indisch macht und ich eben auffalle, aber wenigstens waren die Schwestern glücklich. Im Endeffekt meint es ja auch niemand böse, sondern sie sorgen sich um meine Sicherheit und zum anderen sind sie halt einfach so erzogen und kennen es nicht anders. Aber trotzdem fällt es mir immer mal wieder schwer diese Regeln als gut zu empfinden und ich würde mir nicht nur für mich selber, mehr Freiheit für die Frauen wünschen ihre Kleidung selber aussuchen zu dürfen. Gleichzeitig erwische ich mich selbst dabei, wie ich ganz ängstlich immer versuche alle mit meiner Kleidung zu pleasen und die Frage “ Was ziehe ich heute an?“ mehr Platz in meinem Kopf einnimmt, als es gut wäre und als es in Deutschland war. Jetzt mal aber ganz davon ab, finde ich indische Kleidung aber auch wunderschön und die Schnitte und Muster sind einfach super besonders im Vergleich zu meinen schlichten Kleidern in Deutschland.

Was das Verhalten angeht, gibt es natürlich auch große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Der Satz: „du bist halt eine Frau und musst dich dementsprechend verhalten“ oder „so verhält sich eine Frau nicht“, ist hier Programm. Diese Verhaltensweisen betreffen mich persönlich nicht wirklich, weil sie vor allem im Thema Ehe relevant sind, aber trotzdem liegt es mir am Herzen sie aufzuweisen, auch wenn die Frage eher danach fragt, was für mich anders wäre.

Einige Eigenschafte wären, dass Frauen nicht wiedersprechen, sich an Regeln halten, nicht negativ auffallen, angemessen sitzen, stehen und laufen und eine angemesse Menge essen. Ihre Ziele sollten die Ehe und Kinder sein „so wie das für Frauen halt eben vorgesehen ist“. Frauen sollen nicht schreien und eher leise sprechen und Männer so wenig wie möglich anschauen. Den Ehemann suchen sie sich ja eh nicht aus, das machen die Eltern, also muss man ja auch nicht schauen. Witzigerweise hat der Mann im Vergleich zu der Frau in Sachen Ehe ein ziemlich großes Mitsprache Recht. Beim ersten Kennenlernen kommen die Eltern des Jungen mit ihrem Sohn zum Haus der Eltern des Mädchen. Dort serviert das Mädchen ihrem potenziellen Ehemann und seinen Eltern Tee. Traditioneller Weise darf sie den Jungen nicht anschauen, das ist mittlerweile aber nicht mehr so streng. Der Junge und seine Eltern bewerten dann das Aussehen, die Kleidung, den Gang und natürlich auch den Tee der Frau, während die Eltern des Mädchen sich mit den Eltern des Jungen unterhalten. Nach der Hochzeit zieht das Mädchen in das Familienhaus des Jungen in und lebt dort mit seiner Familie. Oft weinen die Mädchen, wenn sie ihr Elternhaus verlassen müssen, um bei ihren Schwiegerelten einzuziehen und ganz ehrlich ich kann das absolut nachvollziehen und auch wenn viele Inder arrangierte Ehen als einfacher und dementsprechend gut ansehen, ist es für manche ein richtiger Albtraum. Da das seit Jahrhunderten aber schon so praktiziert wird, ist es für indische Menschen auch einfach normal, während es bei den meisten von uns wahrscheinlich Warnstufe rot auslösst. Mein Papa macht immer Witze, dass er mich für mindestens 75 Kamele ( so viel bin ich laut des Kamelrechners anscheinend wert. Garnicht so schlecht würd ich sagen. Keine Sorge, ich mache natürlich Witze) an meinen Ehemann abgibt, aber hier ist das halt einfach Realität… die Mitgift gibt es nämlich auch noch.

In der Ehe bestimmt vor allem der Mann. Oft erlauben die Männern den Frauen nicht zu arbeiten, zu Hochzeiten, besonderen Festen, etc. zu gehen oder im extremsten Fall sogar das Haus zu verlassen.

Frauen sind aber natürlich nicht immer so stark eingeschränkt, aber leider doch sehr oft. Im Bereich Bildung sieht es ein wenig anders aus und da die Frage auch kam, werde ich dies anschließend beantworten.

2. Haben Jungen und Mädchen dieselben Bildungsmöglichkeiten?

Generell würde ich diese Frage mit ja beantworten, die Bildungsmöglichkeiten sind für beide Geschlechter gleich. In Devadurga haben jedoch viele Kinder, sowohl Jungen und Mädchen, einfach garkeine Bildungschancen oder einfach superschlechte, wenn sie nicht aus wohlhabenden Familien kommen. Um dieses Problem zu verstehen, wäre es vielleicht sinnvoll, wenn ich das indische Bildungssystem erstmal ein wenig erkläre. Grundlegend ist es ähnlich, wie in Deutschland. Es gibt staatliche und private Schulen. Jetzt aber zum großen Unterschied. Bildung ist nicht kostenlos. Sowohl in staatlichen als auch in privaten Schulen muss man für die Bildung bezahlen. Ärmere Famililen können sich in den meisten Fällen die privaten Schulen nicht leisten. Sie schicken ihre Kinder also auf staatliche Schulen, sind sie aber so arm, dass sie sich die Schulgebühren der staatlichen Schulen auch nicht leisten können, so besuchen die Kinder keine Schulen und bleiben entweder Zuhause oder werden Child Labours. Unsere Nachbarn des Girls Hostels zum Beispiel haben 13 Kinder und eins von ihnen geht zur Schule, ein paar sind Child Labours und alle anderen bleiben einfach daheim. Obwohl man leider sagen muss, dass sie nicht wirklich ein Heim haben, da ihr Haus eine ganz kleine ein Zimmer Hütte ist, die man nur erreichen kann, wenn man durch einen Graben klettert. Jedes Mal, wenn wir ihnen abends unser über gebliebenes Essen bringen, haben wir Angst, dass die Kinder sich verletzen, wenn sie mit den Bottichen in der Hand dadurch klettern und über Schlangen reden wir jetzt garnicht erst…Don Bosco Devadurga versucht selbstverständlich diesen Familien zu helfen, das gestaltet sich aber garnicht so leicht, weil es super viele Richtlinien gibt und offiziell gibt es ja nichtmal Kinderarbeiter und alle gehen zu Schule. Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema, wenn die Kinder dann beispielsweise eine staatliche Schule besuchen, erhalten sie zwar Bildung, aber die Bildung ist alles andere als gut. Viele Englischlehrer können selber kein Englisch und generell liegt der Fokus in staatlichen Schulen nicht wirklich auf gutem Unterricht, sodass die Kinder oftmals nicht so viel lernen können. Dazu kommt noch, dass sehr viel geschlagen wird und der Zustand der Einrichtungen vor allem im Bereich Hygiene sehr grenzwertig ist. Private Schulen sind im Vergleich deutlich besser, oft auch English Medium, sodass die Schüler sehr gute Zukunftsschancen haben. Leider können sich aber nur wenige Familien diese Schulen leisten. Das Thema Bildung werde ich in einem weiteren Blog aber nochmal genauer behandeln.

3. Gibt es wirklich Altershierarchien in Indien?

Diese Frage ist wie ich finde auch sehr interessant und hat auch eine ganz einfache Antwort: Ja!

Zu Beginn einmal ist wichtig zu sagen, dass es in der hier herschenden Hierarchie nicht nur um Alter geht, sondern auch um Positionen in der Gesellschaft. Menschen von wichtigem Stand, werden ganz klar bevorzugt und besser behandelt als Menschen niedrigerer Positionen. Um das zu veranschaulichen, kann ich ein einfaches Beispiel anbringen. Das Leben im Hostel. Man kann die Menschen im Hostel in verschiedene Gruppen einteilen. Die Schwestern, Lehrerinnen, Iammas und Kinder. Die Reihenfolge zeigt quasi den Stand. Über den Schwestern stehen natürlich noch die Fathers, aber die leben ja nicht mit uns. Jeden Tag bekommen wir Essen aus der Küche der Fathers. Die Schwestern bekommen eine Box, die Lehrerinnen eine seperate und die Iammas und Kinder teilen sich eine. Die Schwestern bekommen das beste Esssen, die Lehrerinnen grundlegend dasselbe wie die Schwestern nur dass es keine special items wie Fisch oder Fleisch gibt und die Kinder bekommen ganz einfaches Essen, Reis und Curry, Chutney oder Gravy. Dieses Essen müssen die Iammas, das sind übrigens die Frauen, die bei uns kochen und putzen, auch essen. Ich glaube ohne viel erklären zu müssen, sieht man direkt Hierarchie. Unsere eine Schwester nennt diese Frauen auch „servants“. Ganz wundervoller Begriff, finde ich ja ( Achtung Ironie! ). Die Priester und Schwestern müssen auf Grund ihrer Position am besten behandelt werden, die Lehrerinnen bilden die Mittelschicht und die Kinder und Putzkräfte machen den Abschluss, sehr traurig wie ich finde. Auch die Currys unterscheiden sich von einander und das der Kinder ist nicht so gut wie das der anderen. Das ist in Kerala ein bisschen anders. Wir essen alle das gleiche Essen, nur ab und an gibt es ein paar Zusätze für Fathers und Sisters. „Normale Menschen“ dürfen übrigens auch nicht einfach so mit Fathers oder Siters essen, wir essen immer seperiert. Das Essen ist jetzt ein Beispiel vieler. Das sieht generell in allen Lebensbereichen ähnlich aus. Vor den Augen aller werden Personen bestimmter Gruppen bevorzugt und andere benachteiligt. Bevorzugte Menschen sind auch auch Offiziere und Politiker. Ähnlich wie vor den Fathers, müssen wir ihnen unseren größten Respekt vorzeigen. Betreten sie die Raum, stehen alle auf und zeigen sich von der besten Seite. Bietet man Essen an, müssen wir diesen Menschen immer zuerst geben, dann der Mittelschicht und abschließen mit der untersten Schicht. Betrete ich beispielsweise einen Raum muss ich erst die Fathers oder andere Menschen wichtiger Positionen grüßen, dann die Sisters, dann Menschen wie Lehrer und dann den Iammas, Kinder etc. Die Iammas essen auch niemals mit Fathers, Sisters oder sogar Lehrern, weil sie gesellschaftlich einfach unter ihnen stehen. Ich habe jetzt vielleicht thematisch einen kleinen Schwenker gemacht, es war mir aber einfach wichtig, dass darzustellen, weil es passend zu dieser Thematik auch super wichtig ist. Jetzt aber zu der Altershierarche. Generell gelten die Ältesten in der Familie als Köpfe des Haushalts und dürfen alle Entscheidungen treffen. Vor allem in der Ehe entscheiden Großeletern und Eltern im enormen Maße. Sie suchen den Partner aus und dürfen Entscheidungen für das Ehepaar treffen. Das Leben im Haushalt wird vor allem an die Bedürfnisse der Älteren angepasst. Natürlich muss man älteren Menschen generell großen Respekt zeigen, ich würde aber sagen, dass es nicht so enorm ist wie bei Menschen höherer Positionen. Wenn ältere Menschen, dabei kann der Altersunterschied auch nur 2 Jahre sein, der jüngeren Person etwas befiehlt, dann muss die jüngere Person das auch tun. Oft werden Jüngere wie servants für Ältere behandelt. Sie müssen deren Tasche tragen, den alles bringen, etc.

Das war es jetzt erstmal zu meinem ersten Blog in meiner Q and A Reihe. Der nächste ist schon geschrieben und sollte auch bald kommen. Ein Blog über indische Hochzeiten ist auch schon in Bearbeitung, aber da ich Anfang Juli noch bei einer indischen Hochzeit eingeladen bin, kommt der Blog nach dieser Hochzeit.

Mein Freiwilligendienst finanziert sich hauptsächlich aus Spenden und jede kleinste Unterstützung hilft mir und dem Projekt sehr! Ich wäre euch und Ihnen mega dankbar! Vielen Dank!

https://www.donboscomission.de/volontariat/2023/spenden/viktoriainindien

Vielen Dank fürs Lesen und bis zum nächsten Mal!

Liebe Grüße nach Deutschland, Eure Viki