Ein für mich persönlich sehr wichtiges Thema in diesem Jahr, von dem ich auf jeden Fall berichten wollte, ist die Kommunikation ohne Worte zwischen uns und den Jungen und Mädchen. Dazu muss ich erstmal erklären, dass von den rund 300 Boarding Schülern nur ungefähr 10 Englisch sprechen und Theresa und ich auch nur ein paar vietnamesische Basics können. Das bedeutet, dass wir seitdem wir hier sind auf andere Formen der Kommunikation umsteigen mussten, versuchen mussten, uns mit den Jungs und Mädchen zu verständigen, ohne mit ihnen Sprechen zu können.

Ich muss ganz ehrlich sagen, in den ersten zwei Monaten war das eine echte Herausforderung, für uns ALLE. Viele der Jungs und Mädchen hatten noch nie zuvor Kontakt zu „Ausländern“ und waren deshalb am Anfang ein wenig eingeschüchtert. Wir waren vor allem mit der Anzahl der Schüler überfordert, weil auf der einen Seite alle mit uns reden, uns kennenlernen wollten und auf der anderen Seite fast keiner Englisch sprechen konnte oder sich getraut hat, mit uns zu reden. Dementsprechend glücklich waren wir über jeden der Jungs und Mädchen, der für die anderen übersetzen konnte und am Anfang so ein bisschen das Eis gebrochen hat.

Mittlerweile haben wir zu dem Großteil der Schüler eine sehr enge Beziehung aufgebaut, auch wenn wir nicht mit ihnen sprechen können. Natürlich ist die Beziehung zu den Englisch sprechenden Schülern nochmal anders, weil man sich auch über persönliche Probleme mit ihnen unterhalten kann und ihnen deshalb viel näher ist. Aber auch zu den anderen haben wir ein sehr inniges und sehr persönliches Verhältnis.

Viele, denen ich von dem Verhältnis mit den Jungs und Mädchen erzählt habe, haben mich gefragt, wie es denn möglich sein kann, dass man ein so gutes Verhältnis zu jemandem hat mit dem man nicht reden kann, da wir uns dieser Situation normalerweise nicht stellen müssen und vor allem nicht auf eine so extreme Art und Weise. Man muss bedenken, im Prinzip leben wir zusammen mit rund 290 Jugendlichen, die wir und die uns nicht verstehen.

Ehrlich gesagt kann ich aber nicht genau erklären, wie das Ganze funktioniert. Die Beziehung mit ihnen hat sich genau so wie auch normalerweise, wenn man sich durch Worte verständigen, im Laufe der Zeit aufgebaut und ist immer besser geworden. Wie man sich vielleicht denken kann, machen wir die meiste Zeit eher Scherze mit ihnen als uns über ernste Themen zu verständigen, da das um einiges einfacher ist. So beschränkt sich bei manchen der Schüler die Kommunikation auf ein „Ciao“ und Grimassen, die wir uns zuwerfen, andere erlauben sich auch den einen oder anderen „Streich“ mit uns und manche versuchen einfach, uns mit Händen und Füßen zu erklären, was sie sagen wollen. Wenn es dann mal so gar nicht klappt wird einfach immer jemand dazu gerufen, der übersetzen kann.

Ich kann für mich persönlich sagen, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die „Sprachbarriere“ ein wirklich großes Problem darstellt, weil wir alle zusammen einen ziemlich guten Weg gefunden haben, damit umzugehen und uns davon nicht einschüchtern zu lassen, dass wir nicht miteinander sprechen können.

ABER ich muss auch sagen, dass ich es unglaublich schade finde, dass die Beziehung zu den meisten Schülern immer ein bisschen oberflächlicher sein wird, als sie sein könnte, da man sich nicht wirklich darüber austauschen kann, was den anderen gerade beschäftigt, wie die Schule läuft, ob er/sie seine/ihre Eltern vermisst oder gar momentan irgendwie Probleme mit ihnen hat, warum sie hier sind, was in ihrer Vergangenheit passiert ist und vieles mehr. Das alles sind Dinge, die mich sehr beschäftigen, über die ich gerne mit ihnen reden würde, auch um sie als Person einfach besser verstehen zu können.  Das ist mir leider nicht möglich.

Natürlich kann man jetzt sagen: „Warum lernst du nicht „einfach“ Vietnamesisch?“ Aber so „einfach“ ist das leider nicht. Vietnamesisch ist eine Sprache die mit verschiedenen Tonlagen arbeitet, in denen man spricht. Recht einfach lässt sich das Problem an einem Beispiel aus meiner ersten Woche in Vietnam beschreiben. Ich wurde gefragt, wo genau wir denn hingehen würden, um als Volontäre zu arbeiten und ich habe geantwortet, dass dieser Ort „Tan Tien“ heißen würde, nach mehrmaligem Nachfragen wurde mir dann erklärt, dass sie mich nicht verstehen und ich die ganze Zeit sagen würde, dass ich in den „heiligen Krieg“ gehen würde. Und genau das ist es, was diese Sprache so kompliziert macht. Normalerweise, wenn man etwas ein bisschen falsch ausspricht, verstehen die Muttersprachler einen trotzdem oder können erraten, was man sagen möchte. Wenn man im Vietnamesischen etwas falsch ausspricht, bekommt der Satz eine ganz neue Bedeutung oder die ausgesprochenen Worte existieren gar nicht.

Zusammengefasst bedeutet das für das Erlernen der Sprache zum einen, dass es sehr kompliziert ist, aber vor allem, dass man einen Muttersprachler braucht, der einem die Aussprache sehr genau und richtig beibringt, und das quasi bei jedem Wort, wie ich finde.

Ursprünglich hatten wir mit der Community ausgemacht, von einem ihrer Mitglieder in  Vietnamesisch unterrichtet zu werden. Leider  ist unsere Community sehr beschäftigt, sodass wir innerhalb unserer ersten sechs Monate hier nur einige wenige Unterrichtsstunden hatten.

Trotz allem denke ich, haben wir das mit der Kommunikation doch sehr gut hinbekommen – zusammen mit den Jungs und Mädchen und mit sehr viel Spaß miteinander.  Tatsache ist, dass ich das Gefühl habe, dass ich seitdem ich hier in Vietnam bin viel ausgelassener und glücklicher geworden bin, was ich zu einem großen Teil meiner Mitvolontärin Theresa und den Schülern zu verdanken habe. Denn was ich durch die Sprachbarriere ganz klar erkannt habe, besonders in den ersten Monaten: ein Lächeln sagt mehr als tausend Worte.