Im letzten Königreich

Ein Jahr Swasiland mit Julius und Jan

Marktkultur im Süden Afrikas

Aktuell werden für die Marimbaband neue Uniformen geschneidert, denn die Jungs hatten bei vergangenen Auftritten immer wieder Probleme mit Selbstvertrauen und Selbstwert, weil sie vor den wohlhabenden Zuschauern in ihren alten Hemden und Hosen auftraten.

Letzte Woche machte sich Jan mit Cedric, einem und Housefather, auf den Weg, den Stoff für die neuen Uniformen zu besorgen. Die beiden betraten den Laden, der Stoffbahnen meterweise verkauft. Jan wunderte sich. Anstatt den richtigen Stoff zu suchen, diesen dann zu kaufen und den Laden dann wieder zu verlassen, begann Cedric mit dem Ladenbesitzer zu plaudern. Obwohl sich die beiden nicht persönlich kannten, verbrachten sie eine gute halbe Stunde damit, Höflichkeitsfloskeln auszutauschen; Sie stellten sich gegenseitig vor, redeten über das Wetter und machten Späße miteinander. Auch Jan wurde in das Gespräch mit einbezogen. Er nannte seinen Namen und der Ladenbesitzer erkundigte sich nach Herkunft und Grund seines Aufenthaltes in Swasiland. Langsam lenkte sich das Gesprächsthema schließlich auf den eigentlichen Grund des Ladenbesuches. 30 Meter Stoff für zwölf neue Hemden der Marimbaband. Wie man sich vielleicht schon denken kann, steht der Preis für diese Ware nicht fest. Vielmehr scheint er daran gekoppelt zu sein, wie man sich während des Einkaufs gegenüber dem Ladenbesitzer verhält. Jan und Cedric schienen besonders freundlich gewesen zu sein, denn als der Lehrer nach Rabatt fragte, gab der Verkäufer ihnen einen großen Nachlass und spendierte den beiden obendrein jeweils ein Tuch mit der Swasiflagge als Aufdruck. So macht Einkaufen Spaß.

Auch der „Manzini Market“ ist durchaus einen Besuch wert. Er befindet sich auf einem großen Platz, wo sich dicht an dicht aus Holzpaletten gezimmerte Stände aneinander drängen. Es gibt einen Bereich, wo Obst und Gemüse eimerweise verkauft wird, eine Abteilung für Schuhe und Stoffe, einen Friseur, von dem uns jedoch abgeraten wurde, da die Vielfältigkeit der Haarschnitte sich auf „Glatze-“ oder „So-kurz-dass-man-meinen-könnte-man-habe-eine-Glatze-Haarschnitte“ beschränke, einen Teil, wo Touristen Souvenirs kaufen können und vieles mehr. Alles ist bunt und „wuselig“, wie an so vielen Orten in Swasiland. Neben diesem echten Markt existieren auf vielen Bürgersteigen kleine Stände, welche vor allem Naschereien, aber auch Obst, Gemüse und andere Dinge verkaufen. Diese Stände finden sich bevorzugt an Stellen, wo Kinder und Jugendliche nach der Schule vorbeikommen, um sich Bonbons und ähnliches zu kaufen. So hat sich direkt neben unserer Haustür, also auf dem Schulhof der Salesian High School, ein solcher Stand niedergelassen. Jeden Morgen um kurz vor acht geht Julius etwa hundert Meter zu einer weiteren dieser Verkaufsstellen, um für äußerst wenig Geld Bananen und Orangen für das Frühstück zu besorgen. Dieser Einkauf folgt immer der gleichen Prozedur. Man begrüßt sich auf Siswati, fragt, wie es heute läuft, sagt, dass es gut geht, sucht sich sein Obst aus, bezahlt, bedankt sich und wünscht einen schönen Tag, während die Verkäuferinnen sich freuen, dass man schon so viel Siswati kann. Unser Ziel ist es, eine enge persönliche Beziehung zu diesen beiden Frauen aufzubauen, denn Mitvoluntär Ryan hat von diesen mal ein lebendes Huhn geschenkt bekommen. Denn ein Huhn zu schlachten ist äußerst männlich und steigert die Vielfalt unseres Ernährungsplans. Abgekürzt kann man also sagen, dass es an so gut wie jeder Ecke Möglichkeiten gibt, das leibliche Wohl zu steigern. Auf unserem Wochenendtrip nach Durban standen sogar Menschen auf der Autobahn und versuchten, vorbeifahrenden Autos Obst zu verkaufen.

Auch die Kinder haben teilweise schon ihr eigenes kleines Geschäft und können dabei äußerst kreativ sein. Einige von ihnen verkaufen während der Hofpausen selbst Süßigkeiten. Andere füllen nach einem starken Gewitter die vom Wasser ausgespülten Schlaglöcher mit Sand und verlangen von den vorbeikommenden Autofahrern eine kleine Spende für ihre gemeinnützige Arbeit, wieder andere verkaufen von den großen Lastern heruntergefallenes Zuckerrohr. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Die Afrikaner wissen, wie man Business macht, vergessen dabei aber nicht, auch auf menschlicher Ebene eine Verbindung zu Käufer und Verkäufer zu einzugehen. Kapitalismus auf die nette Art!

Welch Schmach für die Heimat, sich von den Schweden derart vorführen zu lassen. Trotzdem viele Grüße, Big J´s

PS: Die beiden Fotos passen überhaupt nicht zum Inhalt, da aber immer nach welchen verlangt wird, hier zwei Bilder von unseren Nachhilfestunden.

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Marimbabimba

  1. Stefan Fittkau

    Hallo Ihr Beiden,kommt nicht auf die Idee einen eigenen Stand zu machen, das dealen scheint Euch ja zu beeindrucken. Ihr sollt bei den Hausaufgaben helfen 🙂 !!
    Lasst das Huhn nach dem Schlachten nicht laufen, das gibt hässliche Bluflecke! (Obwohl ich zugeben muss, das ich als Städter davon überhaupt keine Ahnung habe, ein lebendes Huhn habe ich aber schon mal gesehen.) So, dann macht weiter so. Viele Grüße aus der Heimathauptstadt ,Stefan

  2. Steffi Precker

    Hallo Jan,
    super, dass Ihr so regelmäßige blocks schreibt, so dass wir Euer Leben in Swasiland gut verfolgen können. Schreibt uns doch mal ein paar Redewendungen auf Siswati auf! Was heiß z.B. \Guten Morgen?\ Gute Idee mit den neuen Klamotten für die Marimbajungs! Wer näht die denn alle? Besorgt ihnen doch noch ein paar Krawatten – dann wirken die Jungs noch kultivierter, das hebt vielleicht noch mehr ihr Selbstbewußtsein! Ich denke, Ihr macht einen wirklich guten Job!
    Liebe Grüße, auch an Julius,
    Steffi

  3. Eva und Wendel Hammling

    Hallo Julius und Jan,
    habt Dank für die interessante Berichterstattung. Das Huhn müsst ihr solange festhalten, bis es ausgeblutet ist und nicht mehr zappelt, rate euch, es lieber zu kaufen. Wer kocht bei euch und was steht auf dem Speiseplan? Herzliche Grüße aus Unna Wendel und Eva

  4. Udo Ballsieper

    Lieber Julius!
    Wir lesen mit Interesse eueren Block und wünschen uns, daß ihr trotz eurer vielen Aufgaben weiterhin ein wenig Zeit dafür habt. Das in anderen Ländern andere Sitten und Gebräuche herschen, habt ihr am Beispiel
    Tatou ja direkt erlebt. Udo hat sich sein linke Hand etwas lediert ( 3 Sehnen durchtrennt ) wird aber wieder.
    Wie wir eben bemerkt haben, wurde ein Bericht von uns noch nicht gelesen?
    Viele liebe Grüße auch an Jan von Christel und Udo aus
    Remscheid

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