Theresa in Bolivien

¡Un año en Santa Cruz!

Mitten im Dschungel…

Überraschenderweise bekamen wir auch für dieses Campamento Ausgleichstage. Ich nutzte unser Glück, um mir einen großen Traum zu erfüllen: Boliviens Dschungel zu entdecken. Und da meine lieben Artgenossen andere Pläne hatten, fuhr ich allein.

Mein Abenteuer beginnt mit einer spannenden 24 stündigen Busfahrt von Santa Cruz nach Rurrenabaque. Dieses kleine Dorf ist eine der wenigen Türen in die weite Selva. Schon am folgenden Tag geht meine Tour los, mit Mashaquipe die mir am seriösesten erscheinende Agentur.

Drei Stunden kämpft sich das Motorboot gegen den Strom. Es hat 8 Menschen Gewicht zu transportieren: Zwei Finnen, zwei Bolivianer, eine Engländerin, den Guide, dessen Sohn und Mich. Schon auf der Hinfahrt muss ich ich mehrere Male kneifen: Es ist wirklich wahr; Diese unbeschreibliche Natur weht mir tatsächlich durch die Haare!

Mitten im Grünen erreichen wir plötzlich unsere Lodge, die alles hat, was ich im Dschungel nicht erwartet hätte: Wunderschön eingerichtete Holzhütten und sogar Duschen und Toiletten! Nachdem wir gut gegessen haben (serviert auf Porzellan), setzen wir unsere Rucksäcke auf und machen uns auf den Weg. Auf plattgetretenen Dschungelpfaden folgen wir unserem Guide, der immer wieder anhält, um uns die spannendsten Gewächse zu erläutern. Da gibt es Bäume, die zu laufen scheinen, Klebstoff spendende Wurzeln und Stämme, dessen Flüssigkeit als Arzneimittel dient.

Am späten Nachmittag endet der Pfad plötzlich in einer Lichtung und wir stehen vor einer weiteren Lodge. Unser Koch Darwin ist vorgerannt und erwartet uns schon mit duftendem Essen. Wir nutzen die letzten Stunden Licht, um unsere Schlafstätte aufzubauen und den Ausblick zu genießen. Als die Dunkelheit einbricht und der Himmel seinen atemberaubenden Sternenhimmel entfaltet, bin ich überwältigt. Ich schließe die Augen, atme die reine Luft ein und gebe mich dem Dschungelkonzert hin: Der entfernt brüllende Jaguar begleitet die Kröten, Zirpen und Vögel bei ihrem Gesang.

„Chicos, chicos, un jaguar!!“ Der Koch kommt an unsere Betten gestürmt und ohne wirklich zu verstehen was los ist, taumle ich ihm schlaftrunken hinterher. Und tatsächlich: Den Baum, direkt neben der Küche, krönt ein Jaguar. Im Streit mit einem Größeren hätte er sich dort rauf gerettet, erklärt Darwin. Im Licht der Taschenlampe leuchtet sein wunderschönes Fell und so beobachten wir das menschenscheue Tier stundenlang.

Am nächsten Tag pilgern wir zu einem Aussichtspunkt, in dessen Tal die Papageien hausen. Während wir die farbenprächtigsten Exemplare beobachten, komme ich mit dem Koch ins Gespräch. Darwin ist eigentlich Guide. Er ist im Dschungel aufgewachsen und hat unzählige Touren in dessen Tiefen unternommen. Überleben; allein oder in Kleingruppen, teilweise für 30 Tage. Ich erzähle ihm, dass mir die Tour Spaß macht, ich aber etwas ganz anderes erwartet hatte. Mich interessierte die Welt jenseits der Pfade, ohne gemachte Betten und Kochplatten. Darwin lacht: „Du willst also wirklich in die Selva? Morgen klären wir das mit meinem Chef und dann nehme ich dich mit. Drei Tage überleben!“

Gesagt, getan. Als die Tour am dritten Tag endet, suche ich das Gespräch mit dem Chef und hole mir die ein oder andere Meinung ein. Ja, es ist gefährlich und wenn Darwin von einer Schlange gebissen wird, bin ich wohl ziemlich verloren. Ja, wir gehen nur zu zweit und ja, ich kenne diesen Menschen kaum. Vielleicht war es die naivste, aber sicher eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Einfach aufs Bauchgefühl hören und machen.

Nachdem die anderen Touristen die Lodge verlassen haben, genieße ich die dschungelige Stille in der Hängematte. Dort lasse ich mich von Affen besuchen und beobachte die buntesten Vögel. Immer mal wieder kommt Darwin oder einer der anderen Arbeiter nach mir schauen, um ein bisschen mit mir zu plaudern. Ihre warmen Augen und ihr herzliches Lachen, steigern mein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit. Dieser Ort kennt weder Zeit, noch Stress.

„Scheiße“ ist mein erster Gedanke, als ich aufwache. Ich habe nicht nur meinen Wecker überhört, es schüttet wie aus Eimern! Gehetzt stopfe ich das nötigste in meinen Rucksack und trete in den Regen. Darwins Grinsen erinnert mich daran, dass ihm Stress kein Begriff ist und zusammen packen wir Moskitonetze, Nudeln und Töpfe ein.

Ausgerüstet mit Gummistiefeln und Regenponchos stapfen wir nach einem gemütlichen Frühstück los. Euphorisch laufe ich hinter Darwin her und frage nach jedem Grashalm. Wir hören nichts, als das Trommeln des Regens auf dem Blätterdach. Nur langsam können sich die Tropfen einen Weg durch die Dichte bahnen und fallen sacht wie Schneeflocken. Sachte kriecht auch die Kälte in meine Knochen, als ich zwei Stunden später komplett durchnässt bin.

Ich hänge meinen Gedanken nach und bin total überrascht, als plötzlich eine orangene Plastikplane auftaucht! Die Lodge! Im Gegensatz zu den Anderen scheint sie etwas heruntergekommen. Seit ein paar Jahren wäre hier keiner mehr gewesen, Touristen kommen nie so weit. Und tatsächlich: Unser Pfad endet in dieser Lichtung und es führt kein Weg weiter.

Nachdem wir uns am Lagerfeuer mit einer Portion Reis gewärmt haben, ist es schon 14 Uhr. Der Uhreinwohner meint, der ganze Tag würde ins Wasser fallen, wenn es bis 12 nicht aufgehört hat zu regnen. Zum Glück soll er dieses Mal kein Recht behalten. Während mir Darwin als Zeitvertreib eine indianische Kriegsbemalung anlegt (die Farbe gewinnt er aus irgendwelchen Blättern), zieht der Himmel auf.

Schnell packen wir unsere sieben Sachen und gehen los. Mit seiner Machete schlägt er uns den Weg frei. Woher er die Richtung kennt, werde ich nie verstehen. Immer wieder streckt er die Arme aus, dreht sich ein wenig und folgt dann seinem inneren Kompass. An der Spitze des Anstiegs fällt ein Sonnenstrahl durch die Blätter. Jubelnd renne ich den Berg hoch und führe einen Sonnentanz auf!

Wir kämpfen uns durchs Dickicht bis die Dämmerung beginnt. Eigentlich wollten wir am Fluss schlafen, aber bis dahin seien es noch ca. 2 Stunden. „Hier ist ein guter Platz!“ Verdutzt schaue ich Darwin an, ich sehe seit Stunden das Gleiche: Bäume, Bäume und noch mehr Bäume. Wir sind mitten im Dschungel! Lachend wirft Darwin seinen Rucksack hin und beginnt zu arbeiten. Verloren sehe ich ihm dabei zu, wie er innerhalb von 20 Minuten circa 2 m² kurz und klein metzelt. Je dunkler es wird, desto schneller arbeitet er. Aus ein paar Bambusbäumen, Zweigen und einer Plastikplane zaubert er uns ein Zelt. Während ich die Moskitonetze aufhänge und unsere dünnen Matratzen ausrolle bereitet uns Darwin aus ein bisschen Gemüse und Nudeln eine Delikatesse zu.

Ich wache auf. Der Dschungel muss mich in den Schlaf gesungen haben, ich habe keine Ahnung, wie spät es ist. Da ist es wieder! „Knacks, knacks“; es muss ein Vierbeiner sein! Plötzlich bin ich hellwach: Ein Jaguar, ein Puma? Die Taschenlampe ist zu weit weg und bis ich mich aus dem Moskitonetz befreit hätte, wäre es sowieso zu spät. Ich liege also steif da und lausche, wie es viel zu nah vorübergeht. Oh man! Wessen Idee war es noch mal, in den Dschungel zu gehen??

„Theresa, Affen!!“ schreit es und ich kämpfe mich ins Freie. Da steht Darwin und kommuniziert kreischend mit Monos, die über den Bäumen unseres Zeltes aufgeregt hin und her springen. „Was wollt ihr in unserem Reich?“, scheinen sie zu brüllen, während sie uns immer wieder ihre Köpfe entgegen strecken. Wie auch die Affen verlassen wir kurze Zeit später unsere Stätte und machen uns los.

Gegen zwölf kommen wir endlich an den Fluss. Ich bin froh, endlich nicht mehr den feuchten Abhang runterrutschen zu müssen und mich von Baum zu Baum zu retten. Meine wackligen Knie werden durch einen Salat ein wenig gestärkt (Zeit zu kochen gibt es nicht) und schon geht es weiter. Durch eine ganz neue Kulisse:

Wo der Fluss in Becken mündet, holen wir die Angeln raus und fischen unser Abendessen. Ich habe die große Ehre, die aufgespießten Fische zu tragen. Wann immer ich nicht aufpasse, klatschen sie an mein nacktes Bein. Es ist ein wunderschöner Tag. Das Laufen fällt viel leichter, weil wir kein Dickicht mehr zu bekämpfen haben. Während die Sonne meine Schultern bräunt, schreite ich durchs kalte Wasser und beobachte die Schmetterlinge.

Problemlos finden wir heute einen Schlafplatz. Der Fluss ist hier unendlich klar, der Strand breit und hinter dem Dschungel ragen die Berge empor. Während Darwin die Fische wäscht, in Bananenblätter einwickelt und das kochen beginnt, darf ich mich baden. In dem kalten, flachen Wasser säubere ich die Schirfwunden und tauche den Kopf ein. Wie nie zuvor, fühle ich mich eins mit der Natur. Ich bewundere sie nicht mehr wie ein Museumsbesucher, sondern werde Teil von ihr. Alle Probleme dieser Welt scheinen in diesem Augenblick so abstrus und nichtig. Obwohl ich keine Seife genutzt habe, fühle ich mich reiner denn je, als ich mich zu Darwin ans Lagerfeuer setze. Er fritiert Kartoffeln, kocht Reis und Gemüse. Dann gibt es Essen. Ich lausche dem Knacken des Feuers und dem nie endenden Zirpen des Waldes, während ich jeden Bissen genieße. Noch nie habe ich so etwas gegessen, der frische Fisch ist einzigartig.

Als der dritte und letzte Tag anbricht, frühstücken wir schnell den noch übrig gebliebenen Reis und machen uns los. Wir haben noch eine gute Strecke vor uns und müssen die Lodge bis Mittag erreichen, weil das letzte Boot in Richtung Zivilisation um 14 Uhr fährt. Der Nebel zieht auf und begrüßt einen sonnigen Tag, an dem wir hauptsächlich am Fluss entlang gehen. Als wir wieder ins Dickicht müssen, ist klar, dass unser Ziel nicht mehr allzu weit sein kann. Viel lieber wäre ich noch länger den Jaguarspuren gefolgt… Die Zivilisation ist so laut!

Ich komme aus einer anderen Welt, in die ich schließlich zurückkehren muss. Nachdem wir die Lodge erreicht haben, bleibt wenig Zeit. Meine Beine tragen mich von der Dusche zum Mittagessen und zurück zu meinem Rucksack. Darwin begleitet mich noch bis zum Boot. Er existiert in keiner virtuellen Welt, besitzt auch kein Handy. „Du hast ein zu Hause im Dschungel, vergiss das nie! Wann immer du zurück kommen möchtest, ich werde hier sein.“ Ich winke und das Boot tuckert los. Auf ins nächste Abenteuer, denke ich, auf in den nächsten Abschied.

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2. campamento – Winter im Freien

  1. Annegret

    Du bist so mutig, liebe Theresa, dieses Abenteuer wirst du nie und nimmer vergessen ❤️ wie gut, dass du deinem Bauchgefühl vertraut hast!
    Ich finde, das ist ein ganz besonderer Blogeintrag, wieder wie immer wunderschön geschrieben! Ich war auf den Spuren des Jaguars in Boliviens Dschungel mit dabei…
    Ganz liebe Grüße von
    Annegret

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