Theresa in Bolivien

¡Un año en Santa Cruz!

1000 kleine Momente…

Seitdem ich Anfang Januar von meiner Reise zurück bin, hat sich der Alltag wieder eingespielt. Täglich schlendern Antonia und ich ins Hogar, begrüßen unsere Mitarbeiter Roxana und Juampi und machen uns an die Wäsche. Später holen wir die Kinder von der Schule ab, scheuchen sie unter die Dusche, essen und machen im Anschluss eine Aktivität. Wie immer… und doch ist jeder Tag anders! Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen es mal nicht so läuft. Doch selbst diese bergen tausend kleine Momente, die mich zum Strahlen bringen.

Es beginnt schon, wenn wir das Hogar betreten. Anfangs kamen immer die selben Jungs auf uns zugerannt, um uns mit ihren kleinen Ärmchen zu erdrücken. Heute kommt aber auch Sebastian. Er kam erst vor 3 Monaten zu uns: „Ich komme von der Straße, Eltern habe ich nicht.“ Sebastian ist groß und stottert ein wenig. Anfangs war er sehr aggressiv und misstrauisch. Hat mit kaum jemandem reden wollen. Jetzt kommt er auf mich zu, schaut mich aus seinen braunen Augen an und drückt mich so fest, dass mir die Luft weg bleibt. Ich lächle und wünsche ihm „Un buen día!“.

Dann sind wir 4 Stunden lang kinderlos. Zeit um Wäsche zu sortieren und die Manualidad vorzubereiten! Fran, ein 15jähriger der Juvenil (die Älteren gehen morgens zur Schule), legt mir die Hand auf die Schulter. „Kannst du mir bei Mathe helfen?“ Während ich also das 57. T-Shirt am falten bin, zerbrechen wir uns gemeinsam den Kopf über seine Hausaufgaben.

Nach 2 Stunden malen und Wäsche falten ist Pause angesagt! Roxana drückt mir 10 Bolivianos in die Hand: „Gehst du wieder Merienda holen?“ Also kaufe ich auf dem Markt schnell 4 Empanadas und bereite den Café vor. Die Beziehung zu den beiden ist inzwischen so vertraut und unkompliziert!

Um 18 Uhr gehen wir dann endlich in die Schule. Manuel rennt mir freudestrahlend entgegen. Er ist 9 und wurde gerade erst eingeschult. Noch immer hat er keine Dokumente und dürfte eigentlich nicht zur Schule. Glücklicherweise hat die Direktorin mal ein paar Augen zugedrückt. Manuel ist ein sehr begabtes Kind, ihm fehlt nur jegliches Selbstbewusstsein. Obwohl er wirklich gut malen kann, hält er mir bei der Manualidad seinen Pappefisch entgegen und sagt: „Ich kann das nicht!“ Er beginnt zu weinen, schmeißt den Fisch auf den Boden und meint: „Ich kann gar nichts!“Und nun rennt er mir entgegen und öffnet stolz sein Heft. Ich muss ihn gar nicht mehr fragen, was er heute gelernt hat, es sprudelt nur so aus ihm raus.

Dann ist duschen angesagt und ich teile die Wäsche aus. Nacheinander rufe ich sie in den Raum und frage, wie ihr Tag war. Ruben fängt an zu erzählen. Weil aber noch 40 andere Jungs vor der Tür warten, setze ich Ruben neben mich. „Frau Chávez hat uns heute Bilder von der Salzwüste gezeigt! Wie kann es sein, dass es da aus der Erde dampft, wenn es doch so kalt ist? Während ich John eine Sporthose in die Hand drücke („Porfa!! Ich habe heute Kunfu, ich muss mich dehnen können!“), versuche ich es ihm zu erklären.

Im Anschluss schließe ich alle Schlafsäle zu (vielmehr der 5jährige Isai, weil er mir beweisen will, dass er das jetzt auch schon kann!). Vor dem Essenssaal wartet Luis Mario auf mich. Mit leuchtenden Augen schaut er mich an: „Hay keke?“ – „Natürlich bekommst auch du einen Kuchen“. Ich muss lachen. Die Tradition, dem Geburtstagskind einen Muffin und eine gebastelte Karte mitzubringen, scheint ihnen wichtig zu sein.Nach dem Essen holen wir ihn also in die Mitte. 5 Minuten geht es mal nur um ihn!

Wie jeden Abend startet jetzt die Manualidad. Heute ist Dienstag, also basteln wir mit den Jungs. Seit Wochen sammeln wir für diese Aktivität Klopapierrollen: Pikachus und Minions. Was cooleres gibt es für die Jungs kaum. Eine Stunde später, nach tausenden „Theresa, ich brauche Hilfe!“-Schreie hängen wir gemeinsam das Endprodukt auf. Ich bin mindestens so stolz wie die Jungs!

Es ist schon zwanzig vor neun, also müssen alle schnell zum Zähneputzen. Was zu Beginn des Jahres ein Kampf mit jedem einzelnen war, läuft inzwischen fast reibungslos: Die Jungs strecken mir ohne großen Widerstand die Zahnbürsten entgegen, damit ich ihnen „Colino!!“ gebe. Nur Juan Daniel hat wie jeden Abend seine Zahnbürste verloren (hust!).

Langsam gehen die Lichter aus und ich beginne im Dormitorio 5 Gute Nacht zu geben. Schließlich hat mich Fernando schon während der Manualidad um seine Pizza-Massage gebeten. Als ich also hineintrete, rufen 9 Jungs „Una canción, porfa!“. Während ich ihnen also Only you vorsinge, gehe ich von Bett zu Bett. Fernando bekommt seine Massage, Cristian will nur ein Kreuzzeichen. Als das
Lied verklingt, ist alles still. Ich mache die Tür zu und betrete den nächsten Schlafsaal…

Gegen halb zehn verlassen Antonia und ich schließlich das Hogar. Ein kühler Wind streift unsere Wangen, während wir müde und zufrieden den kurzen Weg nach Hause laufen.

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  1. Sigrid Kirsch-Kress

    Liebe Theresa, hab vielen Dank für deine tollen Berichte von deinem Leben in Bolivien. Du entfuehrst einen damit in eine ganz andere Welt. Genieße es.
    Liebe Grüße von den Daheimgebliebenen
    Sigrid, Jürgen und Simeon aus deiner Nachbarschaft in Fulda

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