Für die Salesianer hier im Süden Tamil Nadus stand die vergangenen Tage ein Großereignis auf dem Programm, nämlich der Besuch des „Rector Major“. Wenn man so will, ist der „Rector Major“ der Chef des Ordens der Salesianer Don Boscos. Übersetzt bedeutet „Rector Major“ in dem Zusammenhang auch „Generaloberer“. Er ist der Kopf aller Einrichtungen der Salesianer. Gerne wird der „Rector Major“ auch als Nachfolger Don Boscos bezeichnet („Successor of Don Bosco“). Seit 2014 ist dies der Spanier Angel Fernandez Artime. In jedem Esszimmer einer Einrichtung der Salesianer ist mindestens ein Bild von ihm zu finden. Der „Rector Major“ wird alle sechs Jahre vom Generalkapitel (Generalversammlung) gewählt. Eine Wiederwahl ist inzwischen nicht mehr möglich. Unter dieser sogenannten „Weltebene“ befindet sich die „Provinzialebene“. So gibt es viele verschiedene Provinzen der Salesianer. Deutschland ist beispielsweise eine eigene Provinz, während es in Indien im Bundesstaat Tamil Nadu sogar zwei gibt. Das liegt unter anderem daran, dass Indien deutlich größer ist und in Indien deutlich mehr Salesianer (ca. 2500) ansässig sind als in Deutschland (ca. 340). Mit dieser großen Anzahl an Salesianern ist Indien dicht gefolgt von Italien auch das Land mit den meisten Ordensmitgliedern. Teilweise werden die Provinzen nochmal in Ländergruppen und Kontinentgruppen zusammengefasst, um einen besseren Überblick zu verschaffen.

Nach diesem kurzen Input nun zu dem eigentlichen Grund des Artikels. Jedes Jahr besucht der „Rector Major“ zwei Provinzen in Indien. Zu meinem großen Glück fiel dieses Jahr die Wahl auf die Provinz Tiruchy im Süden Tamil Nadus. Mein Projekt in Keela Eral ist dieser Provinz zugehörig. Die Mission der Salesianer Don Boscos in Indien fand ihren Ursprung in Thanjavur. Somit war klar, dass der „Rector Major“ bei seinem viertägigen Besuch natürlich unter anderem diesen Ort besichtigen wird. Um ihm einen großen Empfang zu bereiten, sollten natürlich viele Salesianer und viele Kinder und Jugendliche zugegen sein. So organisierten Father Herwin, Brother Prabhu und Brother JPson einen Ausflug nach Thanjavur mit den Jugendlichen aus dem Dorf und einigen Mädchen aus dem Girls Hostel. Insgesamt waren es ca. 50 Jugendliche. Als ich gefragt wurde, ob ich auch mitkommen will, sagte ich natürlich zu.

Da Thanjavur aber 6 Autostunden entfernt liegt, war die Abreise auf 23:30 Uhr samstagnachts terminiert, damit wir den Sonntag auch ausreichend nutzen konnten. Als ich fertig gerichtet zum Abfahrtsort kam, hieß es, dass es doch – wie sollte es hier in Indien anders sein – erst um halb 1 losgeht. Um viertel vor 1 saßen dann schließlich alle im Bus. Zusätzlich zu Father Herwin und den Brothers kamen auch zwei Sisters von unserem Nachbarprojekt der „Don Bosco Sisters“ mit. Der Bus war ein verhältnismäßig moderner Collegebus unseres „Don Bosco College of Arts and Science“. Da es aber eben ein Collegebus ist, ist dieser für Kurzstrecken und keine Langstrecken ausgelegt, sodass er nur begrenzt bequem war. Aber an Schlaf war sowieso nicht zu denken. Die Jugendlichen waren völlig außer Rand und Band und genossen die Gelegenheit im Bus zu lauter Musik ausgelassen zu tanzen, singen und zu pfeifen. So gestaltete sich die Fahrt für mich eher laut und anstrengend. Trotz der ununterbrochenen tamilischen Musik konnte ich doch ein, zwei Stunden Schlaf ergattern. Um 7 Uhr erreichten wir dann unser erstes Ausflugsziel: Die Basilika „Our Lady of Lourds“. Sie befindet sich in Poondi und wurde von einem Jesuitenpfarrer als Pilgerzentrum aufgebaut. Sie gehört zu den größten Kirchen Tamil Nadus. Gemeinsam mit den beiden Brothers besichtigte ich das Pilgerzentrum. Anschließend ging es in das anliegende Dorf. Zuerst besuchten wir die Familie eines Freundes von JP, der mit diesem gemeinsam in die Brudergemeinschaft der Salesianer eingetreten ist. Anschließend ging es auf einen zweiten Kaffee zur Schwester von Brother Prabhu. Diese ist bereits verheiratet und hat zwei jugendliche Töchter. Nach unserem gemeinsamen Frühstück vor der Kirche ging es dann um 9:15 Uhr weiter in Richtung Thanjavur.

Bevor wir aber die Einrichtung der Salesianer dort besuchten, ging es zum Brihadishvaratemple. Dieser ist – wie viele andere Tempel auch – dem Hindugott Shiva geweiht. Der Brihadishvaratempel gilt als einer der bedeutendsten und größten Hindutempel Südindiens und gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Um den Tempel herum befindet sich eine Tempelmauer. Die Wände der Mauer sind mit vielen Malereien und Statuen verziert. Zentral vor dem 61 m hohen Tempelturm (auch Vimana genannt) befindet sich eine große Statue Nandis, dem Buckeltier und Diener Shivas.

Nach der einstündigen Besichtigung ging es dann endlich zur „Don Bosco Matriculation Higher Secondary School“ im Herzen Thanjavurs. Im Jahre 1906 kamen die ersten Salesianer hierher, um ihre Mission in Indien zu beginnen. Das Projekt in der 230.000-Einwohner Stadt hat ein sehr großflächiges Gelände inklusive Fußball-, Volleyball – und Basketballplatz. Neben der weiterführenden Schule bis zur 12. Klasse befindet sich auch ein Kindergarten und eine Grundschule dort. Darüber hinaus gibt es auch ein Hostel, indem die Jungs wohnen können.

Angekommen im Projekt bekam jeder ein grünes T-shirt und eine grüne Cap. Ich freute mich darüber, da es ein gutes Andenken für diesen Ausflug war. Da jede Reisegruppe das T-shirt und die Cap erhielt, waren auch alle Reisegruppen einheitlich gekleidet. Brother JP zeigte mir das Projekt. Anlässlich des Besuches des „Rector Major“ wurde das Projekt besonders verziert und hergerichtet. Unter anderem gab es auch einen Platz mit verschiedenen Ständen zu Umweltprojekten. Da die Broschüren und Plakate allerdings alle in Tamil waren, konnte ich bedauerlicherweise kaum etwas davon verstehen.

Ganz in grün!

Ganz in grün!

Neben dem schönen Projekt freute ich mich auch, dass ich viele Fathers und Brothers aus anderen Projekten wieder traf. Es war nett, sich miteinander zu unterhalten und die gut vernetzte Gemeinschaft der Salesianer zu genießen. Vor allem Brother JP freute sich darüber, dass er viele seiner Freunde treffen konnte. Nach einem einstündigen Vortrag auf Tamil war es dann endlich soweit. Die Ankunft des „Rector Major“ kündigte sich an. Einige Jungs in Uniforms standen bereit, um wie bei einem Militärmarsch den „Rector Major“ willkommen zu heißen. Dieser stach aufgrund seiner beachtlichen Größe und seiner hellen Hautfarbe deutlich aus der ihn umgebenden Traube von indischen Salesianern heraus. Es ähnelte fast einer kleinen Papstaudienz. Nur ohne Papamobil und Schweizergarde, und mit deutlich weniger Menschen. Er schritt durch den Gang an den Jugendlichen vorbei und hob grüßend seine Hand während er ihnen freudestrahlend „Hello“ zurief. Mir gefiel seine menschennahe und positive Art.

Nach seiner Ankunft ging es zum Teetrinken und Kuchenessen, um anschließend in die Festhalle zu gehen. Dort richtete Angel Fernandez Artime seine Worte an das jugendliche Volk. Nach einer tollen Tanzaufführung stand ein großes Fotoshooting auf dem Programm. Jede Gruppe durfte auf die Bühne kommen, um ein Foto mit dem „Rector Major“ zu machen. Ich ergatterte einen kurzen Handschlag mit ihm und dann musste man auch schon schnell Platz für die nächste Gruppe machen. Irgendwie tat der Mann mir auch leid, da er diesen halbstündigen Stress über sich ergehen lassen musste. Aber das ist wohl unter anderem auch eine der Aufgaben als Oberhaupt eines solch großen Ordens. Auf die Fotos folgte eine Messe mit mindestens 30 Pfarrern, da so viele Salesianer vor Ort waren. Danach speisten die vielen Gottesdienstbesucher (ca. 500) gemeinsam auf dem Vorplatz der Halle.

Der "Rector Major" beim Fotoshooting!

Der „Rector Major“ beim Fotoshooting!

Gegen 22 Uhr ging es dann wieder nach Hause nach Keela Eral. Die Busfahrt gestaltete sich ähnlich laut und schlaflos wie die vorige. Da der Busfahrer auch immer recht humorlos über Schlaglöcher und Bremsschwellen bretterte, schlug ich mir im Schlaf den Kopf am Fenster an, sodass ich direkt wieder aufwachte. Als wir um 4 Uhr morgens dann endlich in Keela Eral eintrafen, fiel ich nur noch müde ins Bett. Die recht harte Matratze meines Bettes hatte sich nie zuvor so bequem angefühlt!