Buenaaas!

Am 02. November wurde hier in Santa Cruz und ich glaube, in Südamerika generell, der „Día de los muertos“ (Tag der Toten) gefeiert, wie auch in Deutschland am 02. November Allerseelen gefeiert wird. Jedoch wird dieser Feiertag hier ganz anders verbracht – war für mich echt etwas Besonderes, das miterleben zu dürfen.

Obwohl ich offiziell keine Arbeitsschicht hatte, bin ich trotzdem in der Früh mit Maria, meiner lieben italienischen Mitvolontärin, zum Hogar, um mit den Jungs zum Friedhof zu fahren. Tja, langsam gewöhne ich mir hier auch das Zeitgefühl der Bolivianer an und wir kamen so knapp, dass wir gerade noch gesehen haben, wie der Transporter mit allen Jungs hintendrauf losgefahren ist. Zum Glück ist aber direkt nebendran das „Mano Amiga“, das Heim, in dem vor allem Mädchen Unterschlupf finden, und die haben sich eher an der bolivianischen Pünktlichkeit orientiert und sind noch nicht losgefahren, sodass Maria und ich kurzerhand einfach mit dem Bus des Mano Amiga mitgefahren sind. Das war für mich mal eine ganz andere Erfahrung als mit den Jungs, sofort hatte ich drei Mädchen auf dem Schoß, die mich umarmt haben und die ganze Fahrt Kuscheleinheiten eingefordert haben – die Arbeit mit den Mädchen ist ganz anders als mit pubertären Jungs, das ist mir da wieder klar geworden.

Am Friedhof angekommen, war ich erstmal überrascht davon, wie sehr er sich von einem deutschen Friedhof unterscheidet. Die Gräber sind hier nämlich nicht unter der Erde, sondern alle an einer Wand angeordnet, jede Familie hat quasi ihr eigenes kleines Häuschen, in dem ihre verstorbenen Familienangehörigen in der Wand begraben liegen. (Es ist sehr schwierig, das richtig zu erklären, deshalb habe ich euch unten ein paar Bilder hingemacht.)

Zuerst haben wir alle zusammen die Messe gefeiert, in dem Häuschen, das zum Proyecto Don Bosco gehört. Da hat es mich erstmal schockiert, wie viele Kinder des Projekts schon verstorben sind, teilweise waren sie nur 5 Jahre alt. Auch wenn ich erst jung bin und hoffentlich noch viele Jahre zu leben habe, hat mich das erstmal viel mehr die 18 Jahre wertschätzen lassen, die ich schon hier auf der Erde verbringen durfte und mir auch ins Bewusstsein gerufen, dass man nie weiß, wann das Leben hier für einen endet. Wir müssen echt alle für jeden Tag, den wir leben dürfen, dankbar sein und das Beste aus diesem Leben machen!

Schluss mit der Melancholie, lustig war in der Messe, dass ich neben Camilo*, einem Jungen aus dem Techo Pinardi (Max‘ Arbeitsstelle), stand. Der hat mich schon die ganze Messe immer aus dem Augenwinkel so angeschaut, dass ich dachte, ich hätte irgendwas im Gesicht. Auf einmal kommt er während des „Vater unser“ mit seinem Kopf aus dem Nichts näher zu mir, riecht einmal an mir und dreht sich wieder weg. In den nächsten fünf Minuten hat er noch drei Mal an mir gerochen, sodass ich ihn schlussendlich schmunzelnd gefragt habe, ob ich stinke. Wenn ich ihm Glauben schenken darf, stinke ich wohl nicht, sondern rieche sehr gut, weshalb er diesen Duft öfter „inhalieren“ wollte. Die Jungs sind einfach alle auf ihre eigene Art und Weise so speziell und lustig, jeden Tag passiert etwas unvorhergesehenes hahah.

Nach der Messe durften die Jungs dann in Kleingruppen über den Friedhof gehen, um zu „rezar“ (beten). Da liegt auch schon der größte Unterschied zu Deutschland. Und zwar stehen vor den „Häuschengräbern“ die Angehörigen der Verstorbenen mit unterschiedlichsten Lebensmitteln – von Teigtaschen, Keksen, Hefegebäcken bis hin zu Obst und Gemüse habe ich alles gesehen. Wenn man dann für die Verstorbenen betet, erhält man im Gegenzug was zu essen und teilweise auch was zu trinken. Ich bin auch mit den Jungs mitgegangen und habe auch einmal mitgebetet, das Vater Unser und das Ave Maria kann ich nämlich schon auf Spanisch, den restlichen Teil des Gebetes stand ich einfach still daneben. Durch das Gebet habe ich mir dann eine Box unterschiedlichster Kekse verdient. Die Jungs haben das aber bei so vielen Gräbern gemacht, dass schlussendlich jeder eine große Tüte voll mit Essen hatte, von der sie noch die nächsten Tage gegessen haben.

Zurück zum Hogar ging es diesmal dann für Maria und mich wirklich hinten auf dem Viehtransporter, die Fahrt war so lustig, auch wenn wir teils so nah an den Bäumen am Straßenrand vorbeigefahren sind, dass ich als große Person mich echt oft ducken musste, um keinen Schlag ins Gesicht abzubekommen.

Alles in allem war es ein richtig schöner Vormittag und ich konnte wieder einen kleinen Teil dieser besonderen bolivianischen Kultur kennenlernen.

Hasta luegoooo!

*Name geändert