Es ist Sonntagmorgen, der 11. November. Die laute tamilische Musik wird aufgedreht und die Jungs stürmen nach dem Frühstück voller Motivation auf den Sportplatz. Zumindest die meisten. Jeevan nicht.

Jeevan[1] liegt nämlich auf der Krankenstation. Grund ist eine schwere Verbrennung am Bein. Eine negative Folge von Diwali. Denn am Tag nach Diwali musste er die Feuerwerkskörper vom Boden aufsammeln und hat sie in den schon brennenden Müll geschmissen. Einer der Feuerwerkskörper war jedoch am Tag davor nicht gezündet worden, ging jetzt los und verbrannte sein Bein.

Ich entschiede mich, heute nicht mit raus zu gehen, sondern stattdessen einen Besuch auf der Krankenstation zu machen.

Erst gestern habe ich herausgefunden, dass ich hier meinen Netflix Account doch noch besser nutzen kann als gedacht. Denn man kann tatsächlich auch Filme auf Tamil (mit englischen Untertiteln) herunterladen.

Als ich mit einem englisch Buch, Spielkarten und meinem Handy in die Krankenstation komme, ist die Entscheidung für den Film schnell gefallen. Sofort versammeln sich noch drei andere Kinder um mein Handy und wollen unbedingt mitschauen. Und so sitzen wir zu fünft auf einem Bett und schauen das Jungelbuch.

Während wir da so sitzen, gehen mir meine Gedanken durch den Kopf.

Ich denke daran, wie froh ich bin, dass sich früher als ich krank war immer jemand um mich gekümmert hat. Das regelmäßig meine Mama zu mir ans Bett kam und nach mir geschaut hat. Das ich immer eine kleine Beschäftigung hatte.  Ich durfte Fernsehschauen, habe Kassetten/CDs/Musik gehört, Bücher gelesen und später auch einfach an meinem Handy herumgespielt.

Hier wird die Wunde von Jeevan gut gepflegt, keine Frage. Und die Krankenschwester bringt ihm auch die Mahlzeiten und Snacks vorbei und holt danach den Teller wieder ab. Aber die restliche Zeit vom Tag sitzt er hauptsächlich in seinem Bett und schaut die Wand an. Denn eine große Beschäftigung gibt es hier nicht. Keiner von den Jungs besitzt ein Handy und spannende Bücher sind hier auch eher Mangelware. Zwar liegen zwei Schulhefte am Fußende des Bettes, aber dass sich die Motivation diese zu lesen in Grenzen hält, können die meisten wahrscheinlich verstehen.

Wie immer wenn man den Kindern ein Handy gibt oder einen Film zeigt, sind auch heute alle gleich begeistert. Aber heute bedeutet mir das kleine Lachen von Jeevan mehr als an den anderen Tagen. Heute macht es mich besonders glücklich, dass er wenigstens ein bisschen lachen kann.

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In den letzten Tagen haben Johanna und ich es uns ein bisschen zur Aufgabe gemacht, uns um Jeevan zu kümmern und ihm ein paar Beschäftigungsmethoden zu bieten. Mal ein Film, mal ein Kartenspiel, mal ein englisches Bilderbuch zum Lesen lernen. Außerdem haben wir von unseren Vorvolontären noch Mandalas und Suchbilder gefunden. Diese macht er auch oft, wenn wir keine Zeit haben, uns zu ihm ins Zimmer zu setzen. Und nach der Englishclass bringen wir natürlich auch ihm seine Aufgaben, denn zu viel von unserem Unterricht verpassen soll er ja auch nicht.

Bis die Wunde wieder richtig verheilt ist, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. Aber immerhin kann Jeevan mittlerweile wieder relativ gut laufen und wir hoffen, dass er auch bald wieder zur Schule gehen darf.

 

[1] Der Name wurde aus Datenschutzgründen geändert