Von Bischöfen und Schneebaden – die Weihnachtszeit in der Ferne

Seltsamerweise wurde ich im Laufe des Dezembers sehr oft von anderen Leuten im Umfeld der Einrichtung gefragt, ob ich zu Weihnachten nach Hause fahre. Anscheinend konnten sich viele nicht vorstellen, Weihnachten, das Fest der Familie nicht im Kreise ihrer Verwandten zu verbringen. Ich gebe zu, dass ich vor Beginn meines Freiwilligendienstes ebenfalls mit gemischten Gefühlen daran g

Unser reich gedeckter Tisch am Weihnachtstag

edacht habe, das Weihnachtsfest zum ersten Mal in meinem Leben nicht zuhause mit meiner Familie zu verbringen und natürlich hatte ich auch den ein oder anderen sehnsuchtsvollen Gedanken, aber irgendwann dachte ich mir: Zuhause ist es doch sowieso immer dasselbe, da kann ein bisschen Abwechslung und die Erfahrung eines für mich „untypischen“ Weihnachten auf keinen Fall schaden! Und ich wurde auf keinen Fall enttäuscht! 🙂

Der 24. Dezember war im Grunde genommen ein Tag wie jeder andere auch. Während zuhause in Deutschland den ganzen Tag lang Vorbereitungen für Heiligabend getroffen werden, war hier von Weihnachtsfeierlichkeiten noch nicht sehr viel zu spüren. Erst am Abend um 20:30 Uhr gingen wir alle zusammen in unsere Kirche zum Weihnachtsgottesdienst. Zuhause ist die Christmette immer einer der prunkvollsten Gottesdienste im ganzen Jahr, die Kirche ist brechend voll und es gibt viel Weihrauch und noch mehr Gesang. Anders hingegen die Messe hier: Der Gottesdienst war erstaunlich schlicht gehalten; einzig das Christkind in der Krippe und die gesungenen Weihnachtslieder wiesen auf den Anlass des Gottesdienstes hin. Nach der Messe war die gesamte Kirchengemeinde zu Plätzchen und heißer Schokolade eingeladen. Anstatt sich wie bei uns nach dem Gottesdienst wild durcheinander “Frohe Weihnachten” zu wünschen, sind wir hier nach einem Ritual vorgegangen, welches in Polen Tradition ist: Jeder Anwesende erhielt eine große essbare Oblate und nun konnte man jedem Frohe Weihnachten wünschen und sich gegenseitig ein Stück von seiner Oblate abbrechen. Ein sehr schöner Brauch, der bezweckt, dass man auch mehr auf bisher unbekannte Gemeindemitglieder zugehen und sich unterhalten kann. Es war auch eine gute Gelegenheit, “Frohe Weihnachten in mehreren Sprachen zu hören; in italienischer Sprache von den Salesianern “Buon natale”, auf rumänisch “Crăciun fericit” und von den älteren Damen auf russisch “С Рождеством (S Rozhdestvom)”. Ein wirklich sehr schöner

Knietief war der Schnee immerhin!

Auftakt zu den Weihnachtstagen!

Eine interessante Methode: Pappkartons zum Schutz vor der kalten Luft

Am nächsten Tag wurde das Weihnachtsfest mit einem gigantischen Mittagessen gefeiert, das die Salesianer mit unserer Hilfe vorbereitet hatten. Die Auswahl an verschiedenen Speisen war gigantisch; kein Wunder, dass wir uns die gesamten nächsten Tage problemlos von den übrig gebliebenen Resten ernähren konnten. Für das Essen richteten wir im Haus der Salesianer eine riesige Tafel her und sorgten für die weihnachtliche De

koration. Die Jungen hatten Lieder einstudiert, die sie unter Begleitung von Don Tiziano zum Besten gaben. Andreas und ich teilten unsere Geschenke aus; wir hatten für jedes Kind ein Päckchen mit deutschen Süßigkeiten hergerichtet, da Kinder-Schokolade und Haribo hier teurer, aber trotzdem sehr beliebt sind. Im Allgemeinen ist mir aufgefallen, dass die Tradition von Geschenken an Weihnachten hier nicht besonders populär ist. Ob es daran liegt, dass Weihnachten hier traditionell nach orthodoxem Kalender erst am 7. Januar gefeiert wird, weiß ich nicht; ich persönlich finde das aber nicht schlimm. Im Allgemeinen finde ich es wichtiger, sich im heutigen Zeitalter des Konsums wieder auf die eigentliche B

otschaft von Weihnachten zu besinnen.

 Nach dem Mittagessen machten wir uns alle zusammen in unserem Kleinbus auf den Weg quer durch die Stadt, um den traditionellen Besuch bei den Ordensschwestern abzustatten. Die Schwestern leiten im Chișinăuer Stadtteil Buiucani das “Casa Providenței”, eine ähnliche Einrichtung wie unser Don Bosco-Zentrum. Jedoch liegt hier der Schwerpunkt eher auf der Arbeit mit Kindergartenkindern und Senioren. Nach einer doch überraschend langen Fahrt wurden wir bereits erwartet und herzlich willkommen geheißen. Nach einer kleinen Gesangseinlage unsererseits gab es Tee und Plätzchen und sehr nette Gespräche. Als zweiten Weihnachtsbesuch fuhren wir in die Stadtmitte zur katholischen Kathedrale, die sehr versteckt im Schatten des Präsidentenpalastes liegt. Wir klingelten im Pfarrhof und der Bischof Anton Coșa höchstpersönlich bat uns herein. Wir sangen wieder unsere Weihnachtslieder und Andreas und ich präsentierten zusammen mit dem Bischof, der auch etwas Deutsch spricht die erste Strophe von “Oh Tannenbaum”! Ich denke es gibt auf der Welt nicht allzu viele Leute, die von sich behaupten können, mit einem Bischof Weihnachtsklassiker im Trio dargeboten zu haben… 😀 In jedem Fall war Weihnachten 2018 ein zwar ungewohnte

Spiel und Spaß am Silvesterabend

s, aber dennoch wunderbares Erlebnis, an das ich mich noch lange zurückerinnern werde!

Die übrigen Weihnachtsfeiertage vergingen, wie in Deutschland auch, eigentlich wie im Flug und schon stand als krönender Jahresabschluss die Silvesterfeier vor der Tür. Den 31. Dezember verbrachten wir größtenteils mit den Vorbereitungen von Essen für die Feier am Abend. Wir hatten uns alle Mühe gegeben, Canapées und selbst gemachtes Popcorn vorbereitet. Gegen Abend kamen wir alle im Aufenthaltsraum zusammen und jeder stellte nacheinander ein Spiel vor, das er sich überlegt hatte. Von Kartenhäuser bauen über Autonamen raten bis zu Eierlauf und dem Gordischen Knoten war alles dabei. Zwischendurch machten wir immer wieder Ess- und Trinkpausen. Um 23:30 Uhr versammelten wir uns  mit den anderen Jugendlichen der Jugendgruppe, die auch gekommen waren, in der Kirche und wir sprachen zusammen ein Dankgebet zum Jahresabschluss. Dann endlich war es soweit und wir konnten um Mitternacht mit Wunderkerzen und (alkoholkfreiem) Sekt das neue Jahr begrüßen! Wir selbst hatten nicht allzu viele Kracher, aber so konnte man sich wenigstens besser auf das andere Feuerwerk in der Umgebung konzentrieren. Im Anschluss daran ließen wir den Abend gemütlich bei einigen Runden „Just Dance“ auf der Spielekonsole ausklingen lassen. 

In den kommenden Januartagen wurden wir von Schneemassen heimgesucht, auch wenn es daheim natürlich noch deutlich schlimmer war. Alles war komplett eingeschneit und wir sehnten uns schon nach Tageslicht, da unser Dachfenster keinerlei Licht in unser Zimmer bringen konnte.  Die Schule musste bei uns jedenfalls nicht ausfallen, auch wenn die Wege sowohl zu Fuß als auch mit dem Auto nur sehr schwer zu bewältigen waren. Der Winterdienst ist hier leider im Prinzip nicht existent, was im Straßenverkehr erhöhte Vorsicht verlangt. So hinderlich die Schneemassen auch waren, im Oratorium boten sich ganz neue Möglichkeiten. Neben Schneeballschlachten war es bei den Jungs sehr beliebt, auf das Dach zu klettern und von da aus in einen großen Schneehaufen zu springen. Zur allgemeinen Abhärtung gingen Andreas und ich auch mit den mutigen Jungen „Schneebaden“, das heißt oberkörperfrei im Schnee umherzurollen und sich den Kopf einzuseifen.

Ende Februar werden wir nach Serbien auf unser Zwischenseminar fahren, das wir Volos von Don Bosco zusammen mit weiteren Freiwilligen aus Deutschland verbringen werden. Dazu werde ich ebenfalls einen ausführlichen Bericht schreiben! Bis dahin wünscht euch frostige Grüße

Euer Aaron