„Amakuru?“ Das ist hier nach der Begrüßung meist die erste Frage, mit der man einen Smalltalk beginnt – gleichbedeutend mit „wie geht’s dir?“ Wörtlich übersetzt bedeutet amakuru aber „Neuigkeiten“. In fast jedem Gespräch und jeder Begegnung erkundigt man sich also nach den Neuigkeiten des Gegenübers, jeden Tag höre und verwende ich das Wort amakuru unzählige Male.

Auch in diesem Blogeintrag geht es um Amakuru – um meine Neuigkeiten der letzten Wochen und Monate. Ich war in letzter Zeit auf meinem Blog nicht besonders aktiv und möchte euch deshalb mal auf den neuesten Stand bringen.

Fangen wir einmal chronologisch an, denn die älteste Veränderung, die ich bis jetzt verschwiegen habe, liegt schon länger zurück. Im November habe ich mich recht spontan dazu entschieden, meine Haare zu schneiden, und habe seitdem eine Kurzhaarfrisur. Die meisten Leute haben positiv reagiert, andere hatten aber kein Verständnis für diese Entscheidung, da glatte, (mehr oder weniger) helle Haare hier leider ein Schönheitsideal sind. Manchmal sieht man deshalb sogar Perücken aus glattem Kunsthaar. Als Frau eine Kurzhaarfrisur zu tragen ist hier aber alles andere als ungewöhnlich. Die meisten Frauen tragen ihr Haar entweder kurz oder in Braids, d.h. in eingeflochtenen Zöpfen, meist aus künstlichem Haar.

Halbzeit! Im Februar sind Cecilia und ich für unser Zwischenseminar nach Sambia gereist. Dort haben wir einige andere Don Bosco Volunteers getroffen, die im Moment auch in ostafrikanischen Ländern arbeiten, und die wir von unserer Vorbereitung in Deutschland kennen. Es war sehr schön, die anderen wiederzusehen, und uns mit ihnen auszutauschen. Vieles, was wir hier erleben, war bei den anderen ähnlich. Das Seminar hat mir persönlich geholfen, meine Tätigkeiten des ersten halben Jahres auszuwerten und mir anhand dessen darüber klarzuwerden, was ich in der verbleibenden Zeit noch tun möchte und kann. Als das einwöchige Seminar in Lusaka, der Hauptstadt Sambias, zu Ende war, haben wir gemeinsam mit den anderen Freiwilligen noch eine Woche Urlaub in Lusaka und Livinstone (im Süden Sambias) gemacht, um danach mit frisch aufgeladenen Batterien in unser zweites Halbjahr in Rango zu starten.

mit der ganzen Gruppe in Livinstone bei den Viktoriafällen 🙂

Seit einiger Zeit gebe ich ein paar Jugendlichen Gitarrenunterricht. Das macht mir Spaß und tut vor allem deshalb gut, weil ich sonst im Alltag weniger Musik mache als vorher in meiner Schulzeit (abgesehen natürlich von den vielen Gesängen in den Messen und Gebeten) und so wieder eine fast tägliche musikalische Komponente dazugekommen ist.

Besuch von zuhause. Im März kam meine große Schwester zu Besuch. Ich habe mich wirklich gefreut, sie wiederzusehen und ihr mein neues Umfeld zeigen zu können und alle Leute vorzustellen. Für mich war es nur etwas ungewohnt, dass mit meiner Schwester plötzlich ein Teil von meinem Zuhause in Deutschland hier in meinem ruandischen Zuhause war und sich so meine beiden „Welten“ plötzlich miteinander vermischt haben. Außerdem haben wir zusammen eine Woche Urlaub gemacht. Wir sind in den Nordosten Ruandas gefahren und jeweils ein paar Tage in den Städten Musanze (bei den Vulkanen) und Gisenyi (am Kivusee und an der Grenze zur DR Kongo) geblieben. Für mich war das besonders spannend, weil ich vorher abgesehen von Rango und Umgebung sowie der Hauptstadt Kigali noch nicht viel von Ruanda gesehen hatte.

auf einer Teeplantage bei Gisenyi – Ruanda ist bekannt für den schwarzen Tee (oder auch das „schwarze Gold“)

beim Motofahren

Kwibuka – sich erinnern. Zwischen dem 7. Und dem 14. April stand scheinbar alles still. Am 7. April 1994 hat damals in Ruanda der Völkermord begonnen, das ist jetzt 25 Jahre her. Jedes Jahr gibt es deshalb ab dem 7. April eine Trauerwoche, in der der unglaublich vielen Toten gedacht wird. Im Laufe der Woche finden mehrere Sitzungen statt, die unter dem Motto kwibuka (sich erinnern) stehen, und die die Versöhnung Erhaltung des Friedens bewirken sollen. Außerdem ist es verboten, in dieser Woche zu spielen, zu tanzen etc. Deshalb blieb das Oratorium die ganze Woche lang geschlossen und nicht nur die Sportplätze blieben menschenleer, sondern auch auf den Straßen waren deutlich weniger Leute unterwegs als gewöhnlich.

Deshalb hatte ich in dieser Woche viel Zeit, und habe sie dafür genutzt, mir das Arbeiten an einer der nicht elektrischen Nähmaschinen des Ausbildungszentrums anzueignen. Seitdem kann ich also die zerrissenen Klamotten der Kinder richtig mit der Maschine nähen und nicht mehr nur mit Nadel und Faden. Das hält wesentlich besser, vor allem bei den Hosen, die vorher nach jedem Fußballspiel wieder neu gerissen waren. Auch die Kinder finden die Nähmaschine viel cooler als die gewöhnliche Nadel, und es hat sich wirklich schnell in Rango herumgesprochen – so dass ich leider auch schon mit ein paar Jungen schimpfen musste, die mit Absicht Löcher in ihre Tshirts gerissen haben.

Yezu ni muzima! Jesus ist auferstanden! Meine Ostertage in Rango waren unglaublich schön. Wir hatten Besuch von Cecilias Familie (ihre Mutter und 2 Schwestern – ganz liebe Grüße an dieser Stelle!), und somit war in der Kommunität viel los. Ich glaube, ich habe vorher noch nie in so kurzer Zeit an so vielen so langen Messen und Gebeten teilgenommen. Angefangen mit einer großen Messe in der Kathedrale in Huye am Vormittag des Gründonnerstags, die von über hundert Priestern gemeinsam mit dem Bischof gefeiert wurde. Am Donnerstagabend gab es direkt die nächste Messe in der Kirche in Rango (mit Fußwäsche). Am Karfreitag habe ich am großen Kreuzweg in Rango teilgenommen, gemeinsam mit vielen Leuten aus der Gemeinde. Am Samstagabend folgte die größte Messe. Vorher war ich ziemlich aufgeregt, weil ich zum ersten Mal vor der Gemeinde eine Lesung auf Kinyarwanda lesen sollte: die zweite von acht Lesungen in der Ostermesse. Zum Glück hat alles gut geklappt und ich habe mich nicht verlesen – als ich fertig war hat die Gemeinde sogar Beifall geklatscht! Auch mit den Kindern haben wir Ostern gefeiert, indem wir eine Essensausgabe organisiert haben. Zur Feier des Tages wurden von den Priestern sogar Bananen und Fleisch, was für die Kinder etwas ganz Besonderes ist, dazugegeben.

hier ein Foto der Kommunität am Ostermontag – leider waren zwei der Priester nicht da

vor der Oster-Essensausgabe

Die Ostertage waren leider auch die letzten Tage mit den beiden Aspiranten, die jetzt nach Burundi geschickt wurden, um besser französisch zu lernen. In den letzten Monaten haben wir nicht nur viel zusammengearbeitet (bei den Essensausgaben für die Kinder, bei verschiedenen Aufgaben in der Kommunität sowie jeden Nachmittag im Oratorium), sondern wir sind auch gute Freunde geworden. Zum Glück kommen die beiden in drei Monaten wieder zurück, sodass wir die letzten Wochen in Rango noch zusammen verbringen können.

Cecilia und mir fallen jetzt ein paar neue Aufgaben zu. Zum Beispiel kümmern wir uns jetzt darum, dass jeden Abend nach dem Oratorium ein Mot du soir, ein Abendwort, gehalten wird. Dafür muss man erstmal rechtzeitig die Tore schließen, damit die Kinder nicht schnell noch vor dem Beten wegrennen. Wenn niemand aus der Kommunität da ist, bereiten Cecilia und ich selbst etwas vor (oder wir improvisieren), manchmal beauftragen wir auch einen der älteren Jugendlichen, eine Geschichte zu erzählen. Anschließend wird ein Gebet gesprochen, und dann begleiten wir meistens noch alle Kinder und Jugendlichen bis zum Tor und alle wünschen sich gegenseitig eine gute Nacht und „träum von Gott“.

Schluss mit den Ferien! Am 23. April hat ein neues Trimester am Ausbildungszentrum (TVET School) begonnen; das zweite Trimester des Schuljahrs 2019. Während der Schulferien hatte ich eine sehr ruhige Zeit, auch wegen der Gedenkwoche an den Völkermord. Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, dass mit den Schüler*innen wieder etwas mehr Leben in die Einrichtung gekommen ist. In diesem Trimester geben Cecilia und ich jeweils einem Teil der Schüler*innen Englischunterricht. Auch sonst verbringe ich viel Zeit mit den Schüler*innen, besuche sie in den Pausen und während des Praxisunterrichts, begleite sie zum Mittagessen und helfe gern anschließend noch beim Geschirrspülen mit.

Generell kenne ich in der Gemeinde und in Rango inzwischen total viele Leute, nach der Sonntagsmesse treffe ich immer noch ein paar Leute und wir bleiben noch ein bisschen zum Reden stehen oder machen uns gemeinsam auf den Heimweg. Auch wenn Cecilia und ich durch Rango laufen, treffen wir immer mehrere Leute, die wir kennen – vor allem Kinder. Außerdem scheinen uns aber auch viele Leute zu kennen, die wir nicht kennen. Oft werden uns auf der Straße unsere Namen entgegengerufen, teilweise aber auch von fremden Leuten. Auch wenn Rango wirklich nicht klein ist, spricht es sich eben schnell herum, dass hier zwei weiße Mädchen leben, die kinyarwanda sprechen. Neulich hat mich sogar ein Soldat, der mir beim Joggen entgegengekommen ist, mit meinem Namen angesprochen. Besonders lustig wird es aber dann, wenn Leute auf Kinyarwanda über uns sprechen, weil sie denken, wir verstehen sie nicht…

 

So, jetzt seid ihr wieder auf dem neuesten Stand! Über einzelne Themen will ich noch mal ausführlicher schreiben – sobald ich genügend Zeit und Inspiration finde 😉

Und nochmal zum Titel dieses Blogeintrages: Wenn man bei der Begrüßung nicht richtig aufpasst und anstatt „Amakuru?“ „Amaguru?“ sagt, dann bedeutet das nicht „Neuigkeiten“ sondern „Beine“. Manchmal mache ich das aus Spaß und bekomme dann Antworten wie „sie sind lang“, „sie sind müde“ oder „sie laufen“.

Ganz liebe Grüße und bis bald!