Lukas in Uganda

Ein Jahr in Ostafrika

Rassismus, deutscher Besuch und warum Idi Amin cool sein soll…

Hallo liebe Blogleser und Blogleserinnen,

es ist mittlerweile, glaube ich, wieder fast ein Monat vergangen. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht. Ich hatte mir zwar vorgenommen öfter zu schreiben, habe aber irgendwie einfach keine Zeit gehabt.

Ich und eine Freundin auf einem Miniberg

Ich und Eve auf einem Miniberg

Vielleicht liegt es daran, dass die Schüler in den letzten zwei Wochen vor den Ferien keine Schule hatten und wir deswegen sehr viel Zeit mit ihnen verbringen konnten. Und in den zwei Wochen davor war Examensphase, das heißt, die Schüler hatten zwei bis drei Examen pro Tag und dazwischen hatte immer irgendwer Zeit, sich mit uns zu unterhalten und Zeit zu verbringen. Außerdem habe ich auch angefangen, einem Brother zweimal die Woche Deutschunterricht zu geben, was echt Spaß macht, aber unglaublich schwer ist. Das letzte Mal wollte ich ihm erklären, wie man Nomen in den Plural setzt, ich habe anhand von Beispielen angefangen es zu erklären und selber probiert, die Regel zu finden. Nach kurzer Zeit habe ich dann gemerkt, dass es aussichtslos ist und die Regel im Internet nachgeschaut. Und als ich die Regel dann sah, dachte ich nur “oh mein Gott, wer hat sich denn diese Sprache und diese Grammatik ausgedacht, echt verrückt”. Es gibt im Deutschen nämlich fünf Plural-Endungen, jeweils in Maskulinum und Femininum, also ca. zehn Endungen von Nomen, die man auswendig lernen muss. Ich glaube, ich werde in Zukunft noch sehr häufig das Internet zur Hilfe nehmen müssen.

Sven und Charity beim Uno spielen...

Sven und Charity beim Uno spielen…

Letzte Woche haben die Ferien wieder angefangen und es war echt traurig, sich für zwei Monate von unseren Freunden zu verabschieden. Ja, es gibt zwei Monate Ferien und ja, ich habe jetzt eigentlich keine offiziellen Aufgaben. Aber zum Glück habe ich in meiner Zeit hier gelernt, mir selber Arbeit zu suchen und kreativ in Bezug auf Arbeit zu sein. Also werde ich wahrscheinlich sehr viel mit den Kindern aus der Umgebung skaten, Deutschunterricht geben und täglich das Oratorium aufmachen.

Sedric am skaten

Sedric am Skaten

So aber jetzt mal zum Titel:

Ich bin vor ca. drei Wochen hier das erste Mal in Kontakt mit Rassismus gekommen und war erst mal ein bisschen geschockt. Aber wie immer darf man bei so was nicht überreagieren, sondern muss erst mal probieren, die Hintergründe zu verstehen.

Eine meiner besten Freundinnen sagte nämlich nach dem Abendessen zu mir, dass sie uns ja schon mag, aber gar nicht so richtig weiß warum, weil sie eigentlich alle Weißen hasst.

Ich war ziemlich erstaunt, weil ich das von ihr niemals erwartet hatte. Dann habe ich erst mal nach dem Grund gefragt. Die Antwort war, dass sie die Weißen hasse aufgrund dessen, was sie den Afrikanern in der Kolonialzeit angetan haben, dass Weiße meinen, dass sie was Besseres sind und dass ja schließlich alle Weißen auch Rassisten seien und die Schwarzen hassen würden.

Puh, wo sollte ich da bloß anfangen? Das mit dem historischen Hintergrund habe ich erst mal so stehen gelassen und habe probiert zu erklären, dass die meisten Weißen keine Rassisten seien. Das wollte sie überhaupt nicht wahrhaben und glaubte mir nicht. Zum Glück war Brother Aloys in der Nähe. Er kommt aus Ruanda und hat zwölf Jahre in Belgien gelebt. Er hat ihr dann gesagt, dass nicht alle Weißen Rassisten sind und dass zu seiner Überraschung seine besten Freunde in Belgien Weiße wurden. Sie probierte das Argument zu wiederlegen indem sie vermutete, dass das Motiv der Freundschaft etwas anderes, hinterhältiges gewesen seinen musste. Natürlich wurde das von Brother Aloys verneint und im weiteren Gespräch, das über eine Stunde dauerte, ging es darum, dass ich auch finde, dass die Kolonialisten schreckliche Menschen waren, aber dass die Menschen mit der Zeit umdenken und sich weiterentwickeln. Ich habe dann noch als Beispiel genannt, dass es vor achtzig Jahren ziemlich viele Nazis in Deutschland gab, die unglaublich schreckliche Dinge getan haben und üble Rassisten waren, aber dass es heute nur noch ganz wenige Nazis gibt.

Schließlich habe ich noch den Begriff Rassismus erklärt und ihr dann noch gesagt, dass sie, wenn sie alle Weißen hasst, ja auch ein Rassist sei, was sie vehement abstritt. Wir haben dann beschlossen, das Gespräch am nächsten Tag fortzusetzten.

Solche Dinge zu verstehen braucht immer Zeit. Man kann einer Person, die ihr ganzes Leben lang dieses Bild hatte, nicht in einer Stunde erklären, dass es eben nicht so ist. Wir haben uns seitdem noch häufig darüber unterhalten und mittlerweile ist sie nicht mehr davon überzeugt, dass alle Weißen Rassisten sind und sie hasst Leute jetzt nicht mehr aufgrund einer Hautfarbe, sondern aufgrund von Taten.

 Kids5

Das bringt mich noch kurz zu einem anderen Thema, den falschen Bildern. Es ist nämlich so, dass die meisten Afrikaner ein falsches Bild von Europa und die meisten Europäer ein falsches Bild von Afrika haben. Woran liegt das? Die Antwort ist Bildung. In der Schule lernen wir praktisch nichts über Afrika. Wir lernen die Form des afrikanischen Kontinents kennen und dass Afrika der rohstoffreichste Kontinent auf Erden ist, in Geschichte lernen wir ein bisschen etwas über den Kolonialismus, aber auch bei weitem darüber nicht alles und ansonsten nichts.

Also was assoziieren die meisten Europäer, die noch nie in Afrika waren und sich nie wirklich selbst mit dem Kontinent auseinandergesetzt haben? Hungersnöte, Krieg, Völkermord, Korruption. Aber das ist nicht Afrika, sondern ein sehr falsches Bild. Natürlich gehören diese Begriffe zu Afrika, aber sie machen es nicht aus. Genauso erfahren die Afrikaner in der Schule nichts über die Realität in Europa. In Europa ist jeder reich, das Geld liegt auf der Straße, man muss es nur einsammeln, Jobs gibt es in unglaublichem Überfluss und das Leben ist sehr leicht. Das denken viele und es ist nicht einfach, ihnen das echte Europa zu zeigen. Meiner Meinung nach ist der beste Weg, die Realität in einem Land zu sehen, einige Monate dort zu leben.

Aber soviel erst mal zu den falschen Bildern, die falschen Eindrücke schaffen und auch Rassismus erzeugen können.

Panorama vom Miniberg

Panorama vom Miniberg

Ca. eine Woche nachdem ich das erste Mal mit Rassismus in Kontakt kam, kamen Besucher aus Deutschland in unsere Community. Bevor sie kamen hatte ich keine Ahnung, wer diese Leute sind und was sie wollen. Die Gruppe bestand aus zwei Mitarbeitern von den Hilfsorganisationen “Gemeinsam für Afrika” und der Welthungerhilfe, ihrem Filmteam, zwei YouTubern und dem Team von Jung&Naiv, zwei Journalisten, die so etwas wie ein Online-Video-Portal betreiben.

Als sie ankamen und ich sah, wie sie empfangen wurden, wurde mir einiges klar.

Die falschen Bilder und auch den Rassismus konnte ich immer mehr nachvollziehen, auch wenn sie auf einem Trugschluss beruhten: Die Besucher wurden empfangen wie ein Staatspräsident. Die Gruppe wurde mit der Blaskapelle empfangen und ist mit einem Marsch auf den Basketballplatz eingezogen. Die Blaskapelle ging vorne weg und die Besucher mit dem Direktor und den Priestern hinterher.

Danach saßen sie wie auf einem Präsentierteller auf dem Basketballplatz mit der besten Sicht auf die riesige Show, die dann für sie abgezogen wurde. Während all dem haben die Kameramänner alles dokumentiert. Es wurde getanzt, gesungen, live Musik gespielt und so weiter. Am Anfang fiel auch ich auf diesen Trugschluss herein, ich dachte mir, was denn der ganze Mist soll und war überzeugt, dass genau durch solche Auftritte das falsche Bild erzeugt wird und viele Schüler denken werden, dass diese Weißen etwas Besseres sind aufgrund dessen, wie sie behandelt werden.

Und da ist auch schon der Trugschluss, auf den ich in den ersten zwanzig Minuten hereingefallen bin: Die Besucher werden so behandelt und die Show wird für sie gemacht. Von wem? Vom Direktor und den Verantwortlichen. Wollen die Besucher das und sind sie für die Show gekommen? Nein. Das falsche Bild wird nicht von ihnen erzeugt, sondern von denen, die sie so empfangen, denn am liebsten würden sie einfach den ganz normalen Schulalltag sehen, können aber natürlich nicht sagen “hört auf mit der ganzen Show”, denn das wäre ziemlich unfreundlich. Das wurde mir relativ schnell klar, aber ist vielen Schülern nicht klargeworden.

Der Journalist von Jung&Naiv, Tilo Jung, hatte sich nicht auf den Präsentierteller gesetzt, sondern zu den Schülern, was ich und die Schüler sehr sympathisch fanden. Mit ihm habe ich mich noch lange unterhalten und er hat später noch ein Interview mit mir gemacht, das demnächst bei Jung&Naiv im Rahmen einer Dokumentation über ihre Reise erscheinen wird. Danach wurden die Besucher noch herumgeführt und wir haben zusammen gegessen. Am Nachmittag sind sie dann weitergefahren.

Ein paar Grundschüler am posen :D

Ein paar Grundschüler am Posen

Jetzt noch zum letzten Punkt für diesmal, warum hier viele Idi Amin als guten Politiker sehen.

Als mir ein Lehrer das zum ersten Mal erzählte, war ich wieder ein bisschen erschrocken, aber habe mittlerweile auch den Grund für diese Ansicht gefunden.

Man muss verstehen, dass der heutige Präsident Mouseveni zwar ein “demokratisches” Land regiert, aber im Endeffekt doch ein Diktator ist, dessen Amtszeit nun schon dreißig Jahre beträgt und der erst mit seinem Tod aus dem Amt scheiden wird. Er fälscht Wahlen, besticht Leute und ändert Gesetze, um im Amt zu bleiben. Jetzt kann man natürlich aus unserer Sicht argumentieren, ja gut, immer noch besser als ein Hitler-Verehrer, der 750.000 Menschen getötet hat. Das stimmt ja auch irgendwie, aber auch der jetzige Präsident ist ein Gewaltherrscher, der einen Polizeistaat kontrolliert und auf Demonstranten schießen lässt. Auch er hat ziemlich viele Menschen auf dem Gewissen, aber das entschuldigt natürlich auch nicht, was Idi Amin getan hat. Warum hat er dann die Sympathien von manchen Leuten in Uganda?

Joshua

Vielleicht muss ich an der Stelle nochmal deutlich machen, dass es kein allgemeiner Konsens ist, dass Idi Amin ein toller Typ ist, aber ich immer mal wieder Leuten begegne, die dieser Meinung sind. Der Grund liegt eigentlich auf der Hand: Idi Amin hat wie kein Anderer seit Beginn seiner Diktatur Geld in die Infrastruktur investiert. Die meisten Krankenhäuser und zementierten Straßen, die es heute im Land gibt, hat er gebaut. Er hat dem Land geholfen, in dem er Schulen, Strom- und Wassernetzwerke ausgebaut hat. Bei uns ist das selbstverständlich, aber hier eben nicht. Denn seit Mouseveni an der Macht ist, schaufelt er sich das Geld hauptsächlich in seine eigene Tasche und in die seiner Kollegen. Er gibt Unmengen an Geld fürs Militär aus, sagt aber gleichzeitig, die Regierung hätte kein Geld, um die einzige Strahlentherapie-Maschine in Uganda zur Behandlung von Krebspatienten zu reparieren, was einem Todesurteil für hunderte von Menschen gleichkommt. Insofern muss man sehr sensibel für solche Themen sein und nicht direkt alles abstreiten, sondern erst mal probieren, Dinge aus einer anderen Perspektive sehen. Natürlich macht das Idi Amin nicht zu einem Helden, aber man muss sehen, dass er auch eine gute Seite hatte…

Kids4

So das war’s jetzt aber mal von mir.

Ich wünsche euch Allen einen schönen Advent, ein schönes Weihnachtsfest und, falls ihr vor Neujahr nichts mehr von mir hört, ein schönes neues Jahr.

Liebe Grüße

Lukas

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2 Kommentare

  1. Enno

    Ich habe die Doku von Jung & Naiv dazu gesehen und bin so auf diesen Blog gestoßen. Was du dazu schreibst finde ich sehr gut und extrem wichtig für Völkerverständigung usw. und das lösen etlicher Probleme. Danke!!

  2. Venera Herschel

    Lieber Lukas,
    du bist nun schon über drei Monate in Bombo und wir haben schon einiges von dir mitbekommen und viele Fotos gesehen. Es ist erstaunlich, wie weit weg du bist und wie nah du doch kommst, wenn man deinen Blog liest. 
    Es ist schön davon zu hören, wie du und Sven mit den nicht immer einfachen Gegebenheiten im Projekt zurechtkommt und Wege sucht, eure Zeit zu gestalten, dass sich Freundschaften entwickeln, eine Alltagsroutine entsteht und du vielen Kindern und Jugendlichen eine so große Freude mit deinen nun mittlerweile zwei Skateboards bereitest. 
    Deine Erlebnisse mit Rassismus und den falschen Bildern und Vorurteilen sind sehr interessant. Gerade habe ich jemandem von dir und deinem kleinen Skateprojekt erzählt, welches in deiner Schule für große Begeisterung sorgt und du am liebsten noch ein paar weitere Boards brauchen könntest. Die Antwort war: „Ich dachte, die haben nicht genug zu Essen???“ Soviel zum Thema falsche Bilder und Vorurteile! Zum Glück haben wir jetzt dich in Ostafrika und du wirst bestimmt dafür sorgen, dass unsere falschen Bilder korrigiert werden 🙂
    Dir und Sven wünschen wir weiterhin eine gute Zeit, bleibt kreativ!
    Alles Liebe
    Mama und Papa 

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