Hola Bolivia

Mein Jahr in Santa Cruz

Aber ihr seid doch Touristen

Liebe Leser,

wie bereits erwaehnt, haben wir in der Woche nach dem Campamento im Dezember den Rest von Bolivien ein bisschen bereist. Das war eine unterhaltsame Woche, die uns viele lustige Momente beschert hat. Dabei haben wir noch viel gesehen und konnten trotz der ueblichen Reisestrapazen mal ein paar Tage von dem lauten, heissen Santa Cruz und vor allem auch den Kindern ausspannen. Dabei ist es nicht so, als wuerden sie uns auf eine Art und Weise nicht doch ueberall hin begleiten. Denn auch ausserhalb der Arbeit sind die Kinder sehr oft Thema, was wir mit ihnen erleben wird geteilt und somit verarbeitet, sie werden analysiert, Probleme auseinandergenommen und gemeinsam nach Loesungen gesucht und, und, und….

Hierbei noch mal ein Dankeschoen von Herzen, welche meiner Mitvoluntaerinnen das gerade auch immer lesen mag – ihr seid hilfreicher als jeder Psychologe und auch vieeel lustiger!

Nunja, zurueck zur Reise, die vor unserer Haustuer hier in Santa Cruz startet. Jeder mit einem Reiserucksack bewaffnet machten wir uns auf den Weg zum Busterminal, der mit dem Taxi ca. eine viertel Stunde von uns entfernt liegt. Suchen muss man dort nach seinem Glueck nicht, die Reiseangebote kommen auf einen zu….oder laufen einem hinterher und schreien penetrant: „Sucre, Sucre, Sucre, Suuuuuucreeeee“.

Als informierte Touristen, die sich Insidertips von Einheimischen geholt haben, liessen wir solche Angebote aber kalt links liegen und gingen zielstrebig auf die uns empfohlenen Busunternehmen zu. So kam es schliesslich dazu, dass wir fuer umgerechnet ca. 14 Euro in einem „Semi Cama“ Bus nach La Paz fuhren. Der Bus war wirklich bequem, Beinfreiheit war genug gegeben und auch klimamaessig war alles super.

Nach deutscher Klassenfahrt Gewohnheit hatten wir uns fuer die letzte Reihe entschieden – letzte Reihe, coole Reihe oder wie das damals zu Schulzeiten so war 😉

Wir haben dann erfahren, dass in Bolivien wohl andere Gesetze gelten. Das Mysterium der sonst recht angenehmen 16 stuendigen Hinfahrt war naemlich, dass wir abwechselnd noch einen weiteren Fahrgast in unserer Mitte hatten – und das ist wortwoertlich zu nehmen. Denn zwischen den Sitzen der letzten Reihe befand sich ein Holzbaenkchen, auf dem immer abwechselend zwar ruhige, aber doch komische Gestalten sassen. Teilweise mit seltsam riechenden Orangenpuree im Gepaeck und ziemlich komischen Schlafgewohnheiten. Die Besetzung dieses Baenkchen hat zu den komischsten Zeiten gewechselt und das System dahinter haben wir auch nicht verstanden. Naja, danach sind wir jedenfalls nicht noch mal  in der letzten Reihe gefahren.

In La Paz angekommen, fiel uns neben der, im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden ,Lage zunaechst auf: Es ist verdammt kalt!

Unsere Freude darueber ist kaum in Worte zu fassen. Ja, es ist wirklich ein Luxus, jeden Samstagnachmittag ins Freibad zu koennen, immer Eis-Essen-Wetter zu haben und in Shirt und kurzer Hose herumlaufen zu koennen. Aber gleichzeitig bedeutet das auch: Mitten in der Nacht verschwitzt aufwachen, nach der kalten Dusche sofort wieder schwitzen, in Raeumen ohne Durchzug einfach nicht mehr denken koennen, denn es ist einfach zu HEISS!

Wir haben es also genossen, die fuenf Tage, in denen wir mehr als eine Schicht anziehen mussten. Wie haben uns nachmittags auf eine heisse Schokolade gefreut, uns touristenmaessig mit warmen Wollpullis eingedeckt und kamen auch zum ersten Mal im Dezember in Weihnachtsstimmung, auch dank der schoenen Lichter, die La Paz geschmueckt haben.

Im Hostel kam das Zitat zustande, welches zum Titel des Artikels gefuehrt hat. Meine Mitvoluntaerin und Reisende Katelin (*Name von der Redaktion geaendert) hat an der Rezeption nach einem Stadtplan gefragt und ob die Dame uns bitte einzeichnen koenne, wo es Sehenswertes gibt.  Sie hat uns die typischen Touristenstrassen und Ziele eingezeichnet. Die besagte Deutsche hat daraufhin nachgefragt, wo denn die Strassen und Orte waeren, wo die Touristen nicht hingehen und hat dies mehrmals nachgefragt, bis die Dame der Rezeption irgendwann halb entnervt und wahrscheinlich auch verwundert Katelin auf die Tatsache hinwies: „Aber ihr seid doch Touristen!“ Naja, wo sie recht hat,….;)

Die Stadt ist auf jeden Fall einen Besuch wert und ich kann sie jedem weiterempfehlen. Egal, wohin man blickt, erstrecken sich Haueser ueber die Berge und Huegel, die die Stadt einkesseln. Sobald es dunkel wird und diese Haeuser nur noch durch Lichter auszumachen sind, blickt man also in ein Lichtermeer unter dem schoenen Himmel und wenn man sich dann noch klar macht, wie hoch man hier ueber der Welt steht, dann raubt einem diese Aussicht schon den Atem. Und ja, atmen faellt auf einer Hoehe von ca. 4000 Meter auch etwas schwer. Die Strassen von La Paz und die kleinen Gaesschen, die den Charme der Stadt ausmachen, haben alle eine Steigung, die, gepaart mit der knappen Luft, fuer den ungeuebten Europaer (im besten Falle noch mit Nasennebenhoehlenentzuendung) zu starken Herzklopfen und der Frage „Kondition – was war das noch mal?!“ fuehrt. Trotzdem macht es natuerlich am meisten Sinn, die Stadt laufend zu erkunden.

Im Vergleich zu unserer „Heimat“ Santa Cruz, sieht man in La Paz mehr „Indígenas“, die Leute sprechen ein bisschen anders und auch die Umgangsformen unterscheiden sich. Waehrend hier alle von vornherein gesiezt werden, also sich die Kinder auch teilweise untereinander siezen, waren wir in La Paz gleich mal „amiga“.

Das Siezen hier ist allerdings nicht mit Distanz verbunden, es ist fuer alle ein selbstverstaendlich. Ich habe es sogar so empfunden, dass der Umgang in La Paz, trotz des Ansprechens als „Freundin“, ein bisschen kuehler ist. Uns Weissen gegenueber sowieso. Waehrend wir in Santa Cruz zwar schon auffallen, angestarrt werden und manchmal Leute Fotos machen wollen, ist das alles ohne jegliche negativen Gefuehle, uns gegenueber. In La Paz sind wir auf mehr Ablehnung gestossen, Taxifahrer, die uns abgewunken haben oder Blicke, die uns nicht neugierig, sondern eher abweisend verfolgt haben. Das sind Kleinigkeiten und doch ist es ein unangenehmes Gefuehl, wenn man auf Ablehnung stoesst aufgrund der Sache, fuer die man nichts kann: Seine Herkunft.

Wir hatten dennoch ein paar schoene Tage in La Paz und von dort ging es, wieder mal im Bus, weiter zu unserem naechsten Reiseziel: Uyuni.

Nach einer weiteren Busfahrt ueber Nacht kamen wir in Uyuni an. Es war schon wieder ein paar Grad waermer als in La Paz und die Sonne strahle ueber der Stadt. Wir hatten in einem Touristenbuero in La Paz eine 1-Tages-Tour fuer den Salzsee gebucht, die ca. um 10.00 Uhr morgens begann. Davor hatten wir noch gut Zeit fuer eine erfrischende Dusche in einer ueberraschend sauberen und guenstigen oeffentlichen Dusche. Eben noch schnell Sonnenbrillen kaufen, denn man will ja nicht „Schneeblind“ werden und dann ging es auch schon los. Wir hatten einen sympatischen Guide, der uns den Tag ueber begleitet hat. Dabei war auch noch eine 4-koepfige Familie, wir waren also eine ueberschaubare Truppe.

Den Salar mit Worten zu beschreiben, ist eigentlich unmoeglich. Die unendliche Weite, die der See mit seinen ca. 10.000 Quadratkilometern erreicht, und die optisch nur noch verstaerkt wird, da alles einfach weiss ist, ist wirklich unglaublich. Der Himmel schien uns an jenem Tag beweisen zu wollen, woher die Farbe Blau stammt und wir fuhren in einem vollgepackten Jeep uber eine unendliche Flaeche Weiss. Den Mittag haben wir auf einer Insel verbracht, die mit riesigen Kakteen bewachsen ist. Dort haben wir auch zu Mittag gegessen, natuerlich auf Tischen aus Salz. Auch ein Hotel, das komplett aus Salz besteht, haben wir besichtigt. Viele lustige Fotos mit optischen Taeuschungen kann man auf dem Salar schiessen, ich glaube allerdings, da gibt es nichts, was nicht schon ausprobiert wurde. Naja, wir hatten unseren Spass, haben als Andenken, noch ein kleines wunderschoen bemaltes Schmuckschaechtelchen aus Salz im Zimmer stehen und die lustigen Bilder, die uns an den Tag auf Salz erinnern.

Abends ging es dann schon Richtung Heimat. Dies ging natuerlich nicht so schnell, wir haben den Bus Mitten in der Nacht in Potosí gewechselt und als wir in den fruehesten Morgenstunden in Sucre ankamen, haben wir uns dort noch ein Hostel gesucht, wo wir uns wenigstens bis zur Fruehstueckszeit ein bisschen aufs Ohr hauen konnten. Den Tag haben wir dann bis zum Nachmittag gemuetlich in Scure verbracht, mit ausgiebigem Fruehstueck und Schlendern durch die ruhige Stadt, die ja die eigentlich Hauptstadt Boliviens ist, nur eben nicht den Regierungssitz hat, der sich in La Paz befindet.

Dann hatten wir nur noch eine Nachtfahrt hinter uns zu bringen und wir wuerden wieder in Santa Cruz sein. Diese Busfahrt war die grausamste, die ich je erleben durfte. Die Strecke ist schlecht, bis hin zu gar nicht, ausgebaut und es geht groesstenteils in Serpetinen und zieeemlich wackelig zugange.

Aber naja, wir sind lebend und wohlbehalten in Santa Cruz angekommen nach einer Woche, in der wir viele neue Eindruecke gewinnen durften, viel Spass miteinander hatten, mal weg kamen von dem Gewohnten und unsere Arbeit und unser jetziges Leben auch mal aus raeumlicher Distanz analysieren und beurteilen konnten.

Das war natuerlich noch nicht alles, was es in Bolivien zu sehen gibt, aber der Titicacasee, die Yungas, natuerlich Cochabamba und vieles mehr, muessen auf die naechsten Urlaube warten.

Inzwischen ist die Arbeit natuerlich wieder im vollen Gange, das ganze liegt auch schon ueber einen Monat zurueck. Mitte Februar verlassen wir dann Bolivien erstmalig wieder, um nach Argentinien, genauer, Buenos Aires aufzubrechen. Dort werden wir unser Zwischenseminar verbringen, wie ich bereits erwaehnte.

Ja, die Zeit kennt keine Gnade, aber ihr duerft euch freuen, denn vor dem Seminar werde ich auf jeden Fall noch mal berichten, wie der Schulstart und das Zurueckkommen der Jungs den so von Statten gingen und was es sonst noch so Neues oder Wissenswertes gibt.

Liebe Gruesse aus (dem diese Woche wieder uebermaessigen heissen) Bolivien!

Lisa

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  1. Olli

    Hej Lisa!
    Viele Grüße aus der kalten, regnerischen, stürmischen Heimat!
    …kann man schon am ersten Satz lesen, dass ich neidisch bin? Wenn nicht hast es jetzt schwarz auf weiß – ich will auch! (-;
    Hihi, die Busfahrten in Bolivien, jaja… …mir hat man damals erzählt, der beste (weil sicherste) Platz sei der direkt hinter dem Busfahrer. Wenn der nämlich auf den engen Straßen nem entgegenkommenden Bus ausweichen muss, dann würde er ja immer so fahren, dass ihm erstmal nix passiert, auch wenn er sich mit der Breite seines Busses nach rechts verschätzt…
    Weiterhin viel Spaß und sichere Fahrten!
    Olli

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