Nach der Zeit des exposure visits und dem langsam-Angehen, die fast so lange wie ein halber Dornröschenschlaf war (und darüber bin ich auch froh), haben auch wir mittlerweile unseren sogenannten Arbeitsalltag gefunden. Die Beschreibung des Arbeitsalltags, mit der ich total spät dran bin, hat hier vermutlich schon jeder veröffentlicht, weshalb ich versuche, das so unlangweilig wie möglich zu machen, damit sich das überhaupt noch jemand durchliest.
Eingangsbereich, hübsche Hängepflanzen
Here we go, ganz statisch, kurz und knapp:
Sonntag Nachmittag machen Engjell und ich uns mit dem Bus auf ins Vimukti, das De-Addiction center für drogenabhängige Kinder und Jugendliche. Dort arbeiten wir bis Dienstag Abend. Mittwoch bis Freitag schließe ich mich Anne und Lukas vormittags im Boys-shelter an und gehe nachmittags mit Engjell ins Anuragam, eine community mitten in Vijayawada. Samstags ist frei, wenn nicht gerade die allmonatliche Personalversammlung stattfindet, die mich übrigens an einen Kindergeburtstag für Erwachsene mit Bollywood-Kommentator erinnert (und ich lebe dafür).
Vom Boysshelter hab ich glaub ich schon ein bisschen erzählt, das könnt ihr in einem der vorherigen Blogeinträge nachlesen, deswegen hier erstmal Storytime zum Vimukti. Im nächsten Blogeintrag Story zum Anuragam, versprochen.
VIMUKTI
Hard facts:
- Wo? Liegt mit dem Bus etwa 1,5 Stunden von Vijayawada entfernt mitten in der Pampa. Wenn ich Pampa sage, meine ich es so: rings rum sind eine halbe Million Mangobäume (und Kokosnusspalmen? Sagt man das so?) und andere grüne Pflanzen.
- Wer ist im Vimukti? – jetzt gerade vier (drogenabhängige) Minderjährige und vier (drogenabhängige) Volljährige, der Chef, seine Frau und ihre zwei Söhne, eine Köchin und zwei weitere Mitarbeiter/innen. Sehr familiär also, was in Kombination mit der naturbelassenen Umgebung mein Herz erfreut, nehme man sich die Großstadt Vijayawada als Kontrastobjekt.
- Wer begegnet dir hier, der nicht zu Navajeevan gehört? – Kuhherde, Ziegenherde, die Leute, die die Tiere hüten, Schlangen und sehr, sehr vereinzelt indische Landesbevölkerung, die in der Umgebung arbeitet/wohnt.
Kommentar dazu: ein paar Wochen später (habe den Entwurf vertagt ahahah) sind es schon wesentlich mehr Minderjährige und die Erwachsenen wurden dezimiert.
Not hard facts: Was machen wir da?
Engjell hat sich bereits beim Großputz des YB für den hohen Besuch aus Rom einen Namen als guter Arbeiter gemacht, deswegen hat auch die Gartenarbeit (die wohlgemerkt um halb 7 Uhr morgens startet) keinen Halt vor ihm gemacht und mich prompt mit ins Unglück gezogen. Vor der Uhrzeit sträubt es mir, die Gartenarbeit an sich macht aber Spaß: Insofern ich von Gartenarbeit reden darf, ich gebe mein Bestes, den Rest der Truppe so gut es geht in ihrem Tun (die Felder umgraben) zu unterstützen (mit Unkraut zupfen).
Drachenfrüchte anbauen. Mein Hintern sprengt leicht das Bild.
Das Frühstück (um 8) besteht aus Reis (und selten Reisnudeln) mit scharfen Zeug. Heavy für den Magen ahaha aber lecker. – Take shower and rest! – Von 10 bis 12 Uhr halten wir Unterricht mit den (diesmal nur 2 von) 4 Jungs, die Älteren geben sich den Spaß manchmal auch. Im Vergleich zum Boysshelter sind hier so wenige Leute zu unterrichten, dass ich das Gefühl habe, dass wir auch wirklich Fortschritte machen, zumal es auch wirklich ein paar lernfreudige Kerle gibt. – Take rest, let´s play ludo if you want to, drawing? – Mittagessen aiii ist immer sehr gut, auch gigantisch scharf, aber nom! – take rest! – Volleyball und Badminton geht immer; ich bin zwar so schlecht, dass ich mittlerweile fast nur noch als Feldentertainer zähle, aber dabei sein ist alles! – want to take rest? – verzweifelter Versuch, Business-Monopoly zu spielen – Abendessen auch sehr gut. Es gibt hier gerade immer Ladyfinger zum Reis, die hier selber angebaut werden und auch gut schmecken, mir aber echt auch zum Hals raushängen.
Unterricht mit nur wenigen Kindern hahah
Cricket auf die 1
Zu guter Letzt gibt es noch ein gute Nacht – Wort vom Chef, in dessen Genuss wir aufgrund der Übersetzung bis jetzt leider nur einmal gekommen sind, weil es theoretisch eigentlich auf Telugu ist. Muss man sich wie eine generelle Lebens-/ Motivationsbotschaft vorstellen, die die Leute da mit in die Nacht bekommen. Appelliert wird dabei nicht nur an das eigene moralische Verhalten, sondern auch an das Handeln gemäß der Moralvorstellungen des Landes. Was ein Satz, hoffentlich ergibt er überhaupt Sinn.
DIY-Zahnpasta
Eine Anekdote, die ich gerne mit euch teilen will, weil sie so genial ist.
Eines Abens/ einer Nacht hatten wir Stromausfall und ich hatte mich gerade nochmal so aufgerafft, um meine Zähne zu putzen. Engjell, der durch das Summen meiner Zahnbürste ein schlechtes Gewissen bekam und beschloss, auch noch seine Zähne zu putzen, packte im Dunkeln (weil er zu faul war, Handylicht anzumachen) kurzerhand Zeug aus der Tube, die auf dem Schreibtisch lag, auf seine Zahnbürste: stellte sich nach raschem Wundern, weshalb da so leicht so viel Creme auf die Zahnbürste ging und vier Sekunden des Zähneputzens heraus, dass es keine Zahnpasta war, sondern die Mückencreme. In seiner Panik hat der Kerle leider ein paar Schluck des kontaminierten Tab-waters gesoffen und auch ein Milligramm der Mückencreme. Dreimal dürft ihr raten, wer sich in der Nacht, währen dem Schlaf bestimmt auch noch, Beleidigungen geben musste, auf die nicht mal ein wütender Italiener kommen würde. Im selben Atemzug musste ich googeln, wie gefährlich es ist, wenn man was von der Mückencreme in den Mund bekommt.
Engjell hat beschlossen, dass ich Schuld bin, weil ich mit dem Entfernen von der Zahnpasta vom Tisch glatt die gesamte (nicht bestehende) Zimmerordnung auf den Kopf gestellt haben soll. Beleidigungen hin oder her, selten habe ich so gelacht. Der Arme hat vermutlich vom Wasser leider ein bisschen Durchfall bekommen. Auch ein bisschen verdient: wenn ihr wüsstet, welche Schlachten hier noch so ausgefochten werden!
Genug fürs Erste, ich take jetzt rest, hier ist es schon voll spät. Schauen grade immer Euphoria abends, da werden jetzt noch paar Folgen inhaliert.
Engjell´s indische Überlebenskunst
…wird trotz der Eröffnung seiner eigenen Blogseite weitergeführt! Der Tipp des Tages und des vergangenen Monats:
WERDET ALLE KAMMERJÄGER. Das wird euch das Überleben in Indien wesentlich leichter machen.
Und weil es so schön war, hier der Sonnenuntergang im Vimukti. Bis denne Antenne
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