Lena in Indien

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Der ganz normale Wahnsinn

Merkwürdig. Das Gefühl wenn man am Samstag nachmittag/abend ins Chiguru (mein Projekt) rauszukommt ist einerseits geprägt von dem wehmütigen Gefühl, dass das Wochenende nun doch schnon so schnell wieder vorbei ist, aber andererseits ist da noch ein anderes, viel stärkeres Gefühl: Es ist wie wieder nach Hause kommen. Das inzwischen so vertraute Gefühl wenn wir die Einfahrt hinuntergehen und dann die ersten Kinder sehen, die uns endecken und begeistert begrüßen indem sie uns stürmisch umarmen. Father Jose, der Brother, die Amas und alle sonstigen Mitarbeiter die uns  nach unserem Wochenende fragen und  sich freuen, dass wir wieder da sind.

Das ist auch an diesem Samstag so ,nur, dass wir diesmal noch mehr  Materialien und drei unserer Mitvolis im Gepäck haben, die sich das Projekt anschauen sollen. Für morgen sind „Watergames“ geplant. Das heißt wir haben am Wochenende 110 Papierschiffchen gefaltet (was nur dank tatkräftiger Unterstützung der anderen Volos, Schokokeksen und deutschen Schlagern funktioniert hat).

Die wollen wir schon jetzt, am Samstagabend mit den Kindern ins Wasser lassen: Wir haben Wasserkerzen und Papierschiffchen und üben mit Klarinette und Ukulele spontan noch ein paar Kinderlieder ein, damit wir uns sobald es dunkel wird an den Krishna setzen können und Schiffchen und Kerzen schwimmen lassen. Doch der aufziehende Wind macht uns einen Strich durch die Rechnung. Nagut, dann gibt es halt heute keine Schiffchen und Schwimmkerzen. Doch der Brother trommelt kurzerhand alle Jung vor der Schulwiese zusammen um hier zumindest ein paar Lieder singen zu können. Auch wenn unsere musikalischen Fähigkeiten sich nach der kurzen Übezeit noch in Grenzen halten sind alle von unseren Musikinstrumenten begeistert und da wir die Lieder auch schon im Unterricht gesungen haben wird auch brav mitgetanzt und mitgesungen. Inzwischen ist aus dem Wind aber eher ein Regensturm geworden und die gemütliche Singstunde wird unter viel Geschiebe; Geschubse und Gerenne in die Dining Hall verlegt. Alles in allem ist es das perfekte Chaos, vorallem als am Ende alle Kinder noch Flöte und Ukulele ausprobieren dürfen. Aber die Jungs sind begeistert, auch wenn es uns einiges an Nerven kostet. Das gleiche wird dann bei den Mädels wiederholt. Hier geht es allerdings etwas geregelter zu und statt am Ende die Musikinstrumente auszuprobieren endet das ganze in einem Art Tanzbattel, weil wir spontan alle zusammen ein paar indische und ein paar westliche (Makarena 🙂 Tänze tanzen.

Sonntag, der Tag der Watergames ist gekommen. Vormittags sollen die Kinder Cottagweise verschiedene Gruppenspiele machen. Gut, dass der Brother versprochen hat uns beim erklären zu helfen und auch eine Station zu übernehmen und jetzt nicht aufzufinden ist.

Endlich, der Brother ist doch noch gekommen und hilft uns bei der Einteilung

Die „großen“ Jungs haben einen Heidenspaß und spritzen sich bei dem Spiel nicht nur untereinander pitschnass

 

 

Klar dass 100 Kinder nicht daran denken sich auf die Aufforderung der Volos in Reih aufzustellen. Aber als es dann losgeht ist es eine Rießengaudi. Die Spiele funktionieren zwar nicht immer so wie wir sie uns vorstellen aber am Ende sind alle pitschnass und glücklich.

Das Wasser muss nach hinten in den nächsten Becher geschüttet werden – und das möglichst schnell

 

Da kanns bei den Spielen schon mal wilder zugehen 😉

Am Nachmittag gibt es verschiedene Stationen, an denen man bunte Bändchen sammeln kann, und obwohl uns  der Platzregen mal wieder einen Strich durch die Rechnung macht wird in der Dininghall noch lange „Apfelfischen“, Angeln, Dosenwerfen und einiges mehr gespielt.

Alle sind hungrig von den Watergames

Viel zu schnell geht der einzig Schulfreie Tag hier für die Kinder vorbei, aber abends wird dann zusammen noch ein Telugufilm geschaut. Doch nach Abendessen und Film geht es dann wircklich für alle schnell ins Bett den unter der Woche gibt es ein klares Programm und vorallem früh aufstehen.

Das heißt für uns, dass ein normaler Wochentag um 6 Uhr mit Bathing und Hairmaking bei den Mädels beginnt. Um die Haare hier ordentlich zu flechten gibt es eigene Taktiken, die man erstmal durchschaut haben muss, bevor die Ama auch zufrieden mit dem Hairstyle ihrer Schützlinge ist. Die Kinder sind allerdings  schon aufgestanden, haben yoga gemacht und ihre „cleaning duties“ erledigt. Danach ist erstmal noch eine Stunde Studytime bevor es endlich um viertel nach 8 Frühstück gibt. Bei uns gibt’s vorher aber schonmal Kaffee und die letzten Minuten werden genutzt um nochmal schnell den letzten Unterricht vorzubereiten.

Wenn um 9 dann die Glocke zus Assembly klingelt sind wir drei Volos nicht die einzigen, die versuchen möglichst noch vor dem zweiten Klingeln auf dem Assemblyplatz zu stehen. Das wir hier nicht die Amas (Plegeeltern) sind, sondern nur die Sisters oder auf Telugu Akas hat schon viele Vorteile, so kann man während der Assemlbly noch mit den ältern Jungs Blödsinn machen, ohne sich mehr als einen belustigten Blick einzufangen. Doch wenn dann die erste Stunde anfängt ist es manchmal gar nicht so leicht aus der „Großen Schwester“-Rolle in die Rolle der Lehrerin zu schlüpfen.

Jetzt wird gebastelt

Denn streng muss man schon manchmal sein, in diesem Chaotenhaufen. In manchen Stunden ist man nur damit beschäftigt alle Kinder möglichst in einen Kreis sitzen zu bleiben und dann ist an richtigen Unterricht gar nicht mehr zu denken und das obwohl der Volounterricht von uns immer cool gestaltet wird, mit Musik, Basteln, Malen und Spielen. Das mit der Autorität ist bei oft ehemaligen Straßenkindern dann eben doch nicht so einfach. Umso mehr freut man sich dann, wenn die Kinder interessiert mitmachen, einer der sonst nur Blödsinn macht auf einmal brav neben dir sitzt oder nach der Stunde ein „Thank you, Sister“ aus ganzem Herzen zurückkommt.

So geht es vier Stunden am Vormittag und nochmal zwei Stunden am Nachmittag die Vorschulklasse (LKG) machen wir zu zweit, die anderen Klassen funktionieren meistens auch mit nur einem Volontär, außer man möchte etwas besonderes auprobieren. Doch trotzdem fordert jede Klasse deine volle Aufmerksamkeit und Konzentration, denn auch wenn die Kinder in der 1. und 2. Klasse schon etwas älter und nicht mehr ganz so frech und wild sind, so ist es oft für sie auch schwierig sich eine ganze Stunde lang ruhig hinzusetzen. Deswegen sind wir ganz froh darüber, dass wir uns die Stunden zu dritt aufteilen können und nach zwei stunden viertelstunde Pause (wenn man nicht gerade noch damit beschäftigt ist mit den Kindern zu spielen zu ratschen oder Blödsinn zu machen gibt es für die Lehrer und Amas Tchai und wenn man sich auch noch mit dem Bäcker gutgestellt hat frische Kekse und 10 min Teluguunterricht).

„Unser“ Tschai Platz mit „unserer“ Ama

Uff, nach sechs Stunden gönnt man sich dann auch erstmal ne kleine Verschnaufpause bevor die viel zu kurze Gamestime richtig losgeht. Manchmal organisieren wir kleine Gruppenspiele, manchmal spielen wir einfach so mit den Kindern, wirbeln sie durch die Luft, fangen sie auf dem Klettergerüst und manchmal sitzen wir einfach nur da, und freuen uns, wenn sich die Kinder zu uns setzen und mit wüstem Telugu-Englisch Mix über ihre Familie, ihre Probleme oder einfach ihre Erlebnisse zu erzählen

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Danach gibt es nochmal Bathing. Oft ist es total spannend und schön zu sehen wie mache Kinder schon total selbstständig sind und jede Hilfe ablehnen, andere Kinder sich aber über die Aufmerksamkeit, die Fürsorge und die Hilfe freuen, egal ob sie aus einseifen, abtrocknen oder anziehen besteht. Danach nocheinmal einandhalb Stunden Studytime, für die jüngeren Kinder heißt dass oft auch einfach nur zur Ruhe kommen, ein bisschen Alphabet oder einfache Rechenaufgaben üben. Bei den größeren aber sind oft lange Texte zum ausweniglernen, abschreiben, Übungen machen und weiter Vokabeln und schwierige wörter lernen. Auch wenn uns das indische Schulsystem doch in manchen Punkten nicht ganz sinnvoll erscheint, versuchen wir doch auch hier den Kindern möglichst viel beizubringen – ein bisschen Spaß darf dabei aber nicht fehlen, klar! Nach dem Abendessen sind nicht nur die Kinder meistens geschafft von einem langen Tag, sondern auch wir! Doch umso mehr genießen wir es noch den Abend zu dritt in unserem Zimmer ausklingen zu lassen, bevor wir uns am nächsten Tag wieder ins liebevolle Kuschelchaos der Kinder stürzen, denn eins steht fest, egal wie frech, ungehorsam, unaufmerksam oder anstrengend die Kinder manchmal sind, sie freuen sich jeden Tag, dass wir da sind, wenn wir mit ihnen spielen, bei ihnen Unterricht machen und sie einfach in den Arm nehmen. Und genauso habe ich sie alle schon tief, tief in mein Herz geschlossen und bedauer jetzt schon den Tag, an dem ich wieder fortmuss aus dem Chiguru.

 

    

 

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