Leben in der Ferne

Lea, die jetzt doch in Mansa ist

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Kapitel 2: Ein Lachen, das ansteckt

Ich gehe in das Jugendzentrum und bereits auf dem Weg dorthin kommen mir die Kinder entgegengerannt und greifen nach meiner Hand. Nicht selten gibt es Streit darum, wer meine Hand nehmen darf und wer nicht. Und dort sieht man es bereits – das warme Lachen, bei dem es nahezu unmöglich ist, nicht selber anzufangen zu Lachen.

Es ist in dem einen Monat, den ich mittlerweile schon in Mansa bin so viel passiert, dass ich, wenn ich daran zurück denke, selbst anfange über all diese Dinge zu lächeln…

Nikolaus wird in Deutschland relativ groß gefeiert, Kinder bekommen die Geschichte des heiligen Nikolaus erzählt und es gibt Geschenke. Ganz anders ist es hier in Sambia. Hier wird nicht gefeiert und die meisten wissen nicht einmal, wer St. Nikolaus war.
Veronika, Evi und ich wollten diesen Tag trotzdem ein klein wenig feiern, den Kindern die Geschichte vom heiligen Nikolaus erzählen und ihnen eine Kleinigkeit schenken, da es für uns nunmal zur Adventszeit dazu gehört. Deshalb haben wir uns am Vorabend des Nikolaustages getroffen und gemeinsam über 100 Plätzchen für die Kinder gebacken. Nach dem Good-Night am Nikolaustag bekam dann jedes Kind ein Plätzchen geschenkt und das Strahlen in den Augen hat einen selber Strahlen lassen. Ein Plätzchen, also eine Süßigkeit ist für die Kinder hier etwas ganz besonderes, da es im Normalfall sehr teuer ist. Die Freude über das Plätzchen war den Kindern richtig anzumerken, auch wenn nur ein Kind “DANKE” gesagt hat.

Am 8. Dezember war in der Secondary School der letzte Schultag. Die Schüler haben ein buntes Programm zusammen gestellt und auch wir Volontäre haben gemeinsam mit den Salesianern etwas vorbereitet – einen ziemlich witzigen Tanz. Gemeinsam mit zwei anderen Volontären aus Kanada und Mexico, die uns besucht haben, präsentierten wir diesen Tanz während des Abschlussprogramms und alle Schüler mussten lachen. Ich glaube, wir waren der lustigste Part des gesamten Programmes.

Closing Day

Nach dem offiziellen Programm kam Natasha zu mir und fragte mich, ob ich sie nach Hause begleiten könnte. Ohne lange zu überlegen sage ich :” Ja klar. Lass uns losgehen.” Nach dieser Antwort strahlten ihre Augen und sie lachte mich glücklich an. Auf die Frage, ob es denn weit ist bekam ich die Antwort “Es geht.”. Also mache ich mich ohne Handy und Geld und ohne irgendwem von den Volontären bescheid zu sagen auf den Weg. Nach einer knappen Stunde, die wir mit Bus, Taxi und zu Fuß unterwegs waren, stand ich vor einem relativ großen Haus, mitten im Busch. Dort lebt Natasha zusammen mit ihren 4 kleineren Geschwistern, ihrer Cousine und ihren Eltern. Herzlich werde ich von allen begrüßt und zum Essen eingeladen. Nach einiger Weile, war es für mich Zeit zu gehen und Natasha begleitete mich wieder zurück zu einem Taxistand. Auch dieses Mal bezahlte sie für mich und gab mir noch etwas Geld für den Bus. Ich versprach ihr, dass Geld zurück zu geben und sie schaute mich fassungslos an. “Du bist meine Freundin. Ich wollte, dass du mich besuchst, also bezahle ich für dich. Es ist ein Geschenk. Das Geld will ich nicht zurück.”

Natasha und ich

Während meines Rückweges dachte ich die ganze Zeit über diese Worte nach. Obwohl diese Familie nicht so viel hat, wurde ich von ihnen sofort zum Essen eingeladen und da ich kein Geld dabei hatte bekam ich alles bezahlt, weil ich Natashas Freundin bin. Wir in Deutschland haben so viel und trotzdem ist es unüblich das Freunde so etwas füreinander tun.

Geburtstag vom Jugendzentrum

Einen Tag später war der Geburtstag des Jugendzentrums. Nicht nur die Kinder aus Mansa kamen dafür, sondern auch die Kinder und Jugendlichen aus den Outstations. Gemiensam mit den Kindern haben wir einen schönen Tag erlebt, zusammen getanzt und gelacht. Es gab ein buntes Programm auf der Bühne, ein Fußballspiel, eine Messe und ich konnte die Erfahrung machen, dass ein Stück Brot für jedes der rund 400 Kinder die zu dem Fest kamen, ein Lachen ins Gesicht zaubern kann. Für die meisten dieser Kinder war das Essen nämlich etwas ganz besonderes, was es nicht immer gibt.

Es war Sonntag, zusammen mit den Kindern der Holy Childhood waren wir dabei ein Krippenspiel einzuüben. Alle Kinder schrien herum, machten quatsch und hörten nicht auf das was man sagte. Langsam war man dabei die Geduld zu verlieren und fragte sich, ob es überhaupt Sinn macht, was man gerade tut.
Nach der Probe kam Inok auf mich zu und strahlt mich an. “Was ist los Lea? Warum bist du so traurig? Sei nicht mehr traurig. Lachen ist viel schöner.” Bereits dabei fiel ein Teil der Frustration von mir ab und ich begann zu schmunzeln. “Versprich mir, dass du morgen wieder fröhlich bist. Ich hab dich nämlich lieb und will nicht, dass du traurig bist.” Nach diesen Worten nahm er mich in den Arm und meine gesamte Frustration war wie weg geblasen und ich konnte wieder lachen.

Der Dienstag im Jugendzentrum verlief ganz normal, bis Patience kam. Sie ist 12 Jahre und kommt regelmäßig zu Don Bosco. Auf ihrem Arm ist eine tiefe Wunde, die wir bereits am Samstag bei dem Geburtstag des Jugendzentrums gesehen haben. Jedoch ist diese Wunde seit dem Tag nicht besser geworden. Also haben wir diese Wunde erneut gesäubert und verbunden und sind zu den Schwestern gegangen, welche auf Bemba erfragt haben, wie diese Wunde entstanden ist. “Ich bin aus dem kleinen Tor hinausgegangen und da bin ich in eine Schlägerei zwischen zwei anderen Mädchen geraten. Die eine hat mich dann mit einer kaputten Flasche verletzt. Meine Mama ist nicht viel zu Hause, da sie von morgens bis abends arbeitet und mein Papa ist schon lange tot. Wir sind 6 zu Hause und die meiste Zeit verbringe ich bei meiner großen Schwester. Die Schule musste ich nach der vierten Klasse abbrechen.”
Die Schwester hört aufmerksam zu, übersetzt alles für uns und fragt schließlich, ob Veronika und ich Patience nach Hause bringen können, da wir der Mutter eine Nachricht überbringen sollen. Patience könnte, wenn die Mutter zu den Schwestern kommmt, ab Januar wieder zur Schule gehen. Entweder in die University oder sogar in die Primary School und das sogar kostenlos. Dies ist möglich, da die Schule durch Spenden Stipendien vergibt. Als Patience das hört, beginnen ihre Augen zu strahlen und ein breites Lächeln macht sich auf ihrem Gesicht bemerkbar. In diesem Moment war der Schmerz ganz vergessen.

Ein warmes, afrikanisches Lachen ist hier überall zu finden und es verleitet einen dazu auch selbst häufiger zu Lachen. Geht es einem Mal nicht gut, gibt es hier so viele Menschen, die einem mit ihrer warmen und herzlichen Art schnell helfen, damit es einem wieder besser geht.
Und obwohl die meisten dieser Menschen hier weniger haben als ich besitze, ist das Lachen mit einer so tiefen Lebensfreude gefüllt, über die ich nur staunen kann.

Ich wünsche alllen, wo auch immer ihr gerade seid, eine gesegnete Adventszeit und fröhliche Weihnachten! 🎄
Nutzt die Feiertage doch einfach mal dazu, andere zum Lachen zu bringen, denn ein Lachen ist das schöneste Geschnek, was man bekommen kann.

Bis dahin, liebe Grüße aus der Ferne
Eure Lea

P.S.: Um alle zu beruhigen, die sich Sorgen um mein Gepäck und das Leben als Minimalist machen – mittlerweile ist mein Gepäck unversehrt und vollständig in Mansa angekommen. 😊

Closing Day