Hallo Menschen da Draußen,
erstmal möchte ich Danke sagen, dass ihr euch meine Gedanken durchlest und mir auch so liebe Nachrichten schreibt. Das ist großartig, macht weiter so!
Jede Woche hier war bisher voller neuer Ereignisse. Bisher habe ich euch noch gar nicht von der Arbeit an sich berichtet. Ich wollte damit warten, bis sich alles etwas mehr eingependelt hat. Allerdings verändert sich hier alles viel zu schnell, deswegen kommt jetzt hier ein Zwischenstand.
Hilfe, was mach ich hier?
Wir sind die aller ersten Volunteere, hier an der Schule. Don Dominik hat zwar vor einigen Jahren schon in Gjilan Volunteere betreut, aber hier an der Schule sind wir die ersten. Das bedeutet, dass wir alles neu herausfinden müssen.
Die Kinder der Klassen 1-9 sind jeden Tag bis 15:20 in der Schule. Das ist länger als die die Schultage der älteren Schüler: innen. Was für mich zuerst für Verwunderung sorgte, hat den einfachen Grund, dass es hier keine externe Nachmittagsbetreuung gibt und die Eltern der Kinder sich so früh noch nicht kümmern können.
Natürlich haben, besonders die ganz Kleinen, nicht so lange Unterricht. Stattdessen haben alle mehrmals die Woche so etwas wie „Spielstunden“, oder wie Don John sagt, „Activiti“. In dieser Zeit sollen die Lehrkräfte eigentlich mit den Kindern irgendwelche unterhaltsamen Aktionen machen. So die Theorie. In der Praxis schicken die Lehrkräfte die Kinder jedes Mal zum Fußball und Volleyball spielen auf den Schulhof.
Unsere Aufgabe ist es diese Freistunden mit Aktionen unserer Wahl zu füllen. Am ersten Tag haben wir uns also ein paar lustige Kennlernspiele ausgedacht und sind ganz blauäugig an die Sache heran gegangen.
Wie gesagt, wir sind die ersten Volunteere und auch die Lehrkräfte wussten noch nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Es endete also damit, dass wir zwei (ungelernte) Persönchen vor 60 Sechstklässlern standen, in einem viel zu kleinen Raum und die Lehrerinnen Kaffee trinken gegangen sind.
Seitdem hat sich viel geändert. Ich habe viele Ideen bekommen, was man noch alles machen könnte. Jetzt mache ich mit den Jahrgängen 1-5 wöchentlich verschiedene Spiele und zwei Gruppen, zusammengesetzt aus Schüler: innen der Klassen 6-9 üben zweimal die Woche Deutsch mit mir. Die Gruppen/ Klassen sind jetzt auch kleiner mit max. 30 Kinder und die (meisten) Lehrkräfte haben verstanden, dass wir keine gelernten Fachkräfte sind, die sie ersetzen können. Ausßerdem mache ich die Stunden jetzt allein. Wie? Was? Was macht mein Mitvolunteer?
Plötzlich allein
Wie ihr wisst, habe ich hier immer in der „Wir-Form“ geschrieben. Mein Mitvolunteer und Mitbewohner hat sich aber dazu entschieden den Freiwilligendienst hier abzubrechen und nach Deutschland zurückzukehren. Ich wünsche ihm alles Gute und dass es der richtige Weg für ihn ist.
Für mich war das ein ziemlicher Bruch. Es war zuerst komisch abends in die leere Wohnung zu kommen, die eigentlich viel zu groß für mich ist. Auch wusste ich nicht, wie ich die Gruppen allein leiten soll, weil es immer gut ist sich abwechseln und unterstützen zu können. Mein Eindruck nach den ersten Tagen war aber überraschend positiv. Irgendwie hat dann doch alles funktioniert.
Dieses Ereignis hat mich selbst daran zweifeln lassen, was ich hier eigentlich mache und warum. Wie die meisten hier wissen, hatten alle Volunteere Vorbereitungsseminare zu verschiedenen Themen, bevor wir in die Einsatzländer gefahren sind. Ein Thema, was mir gerade jetzt wieder hoch kommt ist die Kritik an Freiwilligendiensten. Wir haben darüber gesprochen, dass dieses „Helfen wollen“, was viele zum Freiwilligendienst bringt, auch kritisch betrachtet werden kann und wir für eine Einrichtung, besonders in der ersten Zeit noch nicht wirklich eine Hilfe sein können.
Auch haben wir darüber gesprochen, dass wir nur als Unterstützung, nicht aber als Ersatz von professionellen Fachkräften, fungieren können. Mir ist es wichtig das immer wieder in Erinnerung zu rufen, wenn mir mehr von der Arbeitsstelle abverlangt wird, als ich leisten kann oder sollte.
Im Gespräch mit Don Dominik habe ich aber wieder mehr Sicherheit bekommen. Ich bin die erste Volunteerin hier und sowohl ich, als auch meine Kolleg:innen müssen erstmal herausfinden, wie wir zusammen arbeiten können. Ich habe viele Ideen und muss einfordern was ich brauche und sagen, wenn ich mir etwas anders wünsche.
Dieses Jahr hier zu sein, ist nicht der leichteste Weg und ich kann nicht direkt eine große Hilfe sein, aber ich kann dazu lernen und eine gute Zeit mit den Kindern und Jugendlichen haben.
Damit verabschiede ich mich zu den Klängen von Bukahara:
“And I promise you I make my way through the day
And through the night
With a smile on my face”
Gute Nacht Alle
Und Viele Grüße aus Pristina
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