„Heute ist Diwali – das Festival der Lichter“ wurde uns am 30.10. von der Familie erzählt, die uns die Räume zum Wohnen zur Verfügung stellt. So richtig konnte ich mir darunter noch nichts vorstellen. An den Häusern und an Straßenrändern hingen überall bunte Laternen und Lichterketten. Schon am Nachmittag wurde auf unserer Straße laut Trance – elektronische Musik – durch große Boxen gespielt, um sich für den Höhepunkt des Tages vorzubereiten. Neben den Boxen stand eine riesige Figur aus Pappmaschee. Der Father erzählte uns, dass diese Figur in der Nacht verbrannt wird.
Mit ein paar Jungs aus der Einrichtung fuhren wir am Abend nach Panaji und schauten uns viele verschiedene Figuren an. Die Musik dabei war schon fast unerträglich laut, weswegen wir nicht allzu lang in Panaji verbrachten. Am 01.11. wurden wir von unseren Vermietern auf ein Eis eingeladen. Diese Chance nutzen Adele und ich, um mehr über das Festival zu erfahren. Die Figur soll einen Dämon aus der hinduistischen Geschichte darstellen, welcher verbrannt wird, um die Dunkelheit zu vertreiben und das Licht herbei zu holen. Deswegen das Festival der „Lichter“ und die leuchtende Dekoration.
Diwali im Slum
Der Father erzählte uns nebenbei, dass wir bald eine lange Zugfahrt vor uns haben. Wir würden uns ein Programm anschauen. Die Menschen seien dort traditioneller gekleidet und haben noch nie einen weißen Menschen gesehen. Das hat er aber mit einem Witz verbunden, weswegen wir nicht wussten, ob es ernst gemeint war. Manchmal werden uns Dinge nur so leicht angedeutet, aber wir wissen nie so richtig was uns erwartet.
Am 31.10. haben wir uns 5.30 Uhr auf den Weg gemacht. Wir schauten bei einer weiteren Don Bosco Einrichtung vorbei, wo wir von sehr humorvollen Fathers begrüßt wurden. Einer von ihnen hat uns zum Bahnhof gebracht. Auf dem Weg dorthin liefen deutsche Hits von Falco und den Ärzten im Radio, die ich absolut nicht auf einem indischen Sender erwartete.
Wir fuhren durch Wälder und Berge mit Wasserfällen. Am Rande der Gleise sahen wir einen entgleisten Wagon, der schon total eingewachsen war. Scheinbar hat man nie geschafft ihn zwischen den Bergen und Bäumen herauszuholen. Der Zug fuhr maximal 50 km/h, da die Strecke schon so alt ist, kein Wunder, dass wir mehr als zwei Stunden Verspätung hatten. An unserem Zielort angekommen, wurden wir von einer Bekannten des Fathers begrüßt und mit Tuktuks zu einem Restaurant gefahren, in dem wir nach 9 Stunden das erste Mal etwas aßen. Danach sind wir zu einem Hotel gelaufen, wo wir uns etwas ausruhen konnten. Später sind wir wieder in Tuktuks gestiegen und weiter Richtung Don Bosco Einrichtung gefahren. Je weiter man aus der Stadt gefahren ist, umso schmutziger und ärmer wurde es. Jedoch habe ich mir dabei noch nicht viel gedacht.
Die Einrichtung
An der Einrichtung wurden wir erstmal von Leuten, die vor ihren Hütten saßen angestarrt. Mir wurde bewusst, dass diese Menschen wirklich noch keinen weißen Menschen gesehen haben. Wir wurden dann von der Frau, die wir vorher schon trafen herein gebeten. Als erstes nahm ich rund 70 Kinder war, die in einem viel zu kleinen Raum beisammen saßen und aufgeregt miteinander redeten. Wir nahmen an einem indischen Brauch Teil, bei dem jeder Gast einen Docht anzündet, der in einer Schale mit Öl endet. Nach der Begrüßung setzten wir uns auf Plastikstühle, die es übrigens in jedem Haushalt gibt, und sahen den Kindern beim Singen und Tanzen zu. Sie trugen indische Trachten, um dem Diwali Festival angemessen gekleidet zu sein.
Als die Kinder fertig waren, kam jedes einzeln zu uns, gab uns die Hand, wünschte uns ein „Happy Diwali“ und kniete dann vor unseren Füßen nieder. Manche fassten unsere Füße an und fuhren sich dann über Gesicht und Körper. Das war sehr fremd für uns, jedoch wurde uns von einem anderen Father erklärt, dass sie damit ihren Respekt und ihre Dankbarkeit gegenüber Älteren ausdrücken. Wir freuten uns sehr über das Programm und die Kinder.
Billigschmuck verkauft von Streetvendors
All diese Kinder in dem kleinen Raum waren Söhne und Töchter von Streetvendors. Streetvendors sind Frauen, die billigen Goldschmuck kaufen und dann weiterverkaufen. Der Father wollte, dass uns die Bekannte zu einer anderen Frau bringt, die Teil der Streetvendors ist. Vor dem Haus dieser Frau zogen wir unsere Schuhe aus, wie es hier üblich ist und gingen hinein. In dem Raum stand ein altes Bett aus Metall, worauf alte Säcke lagen, die als Matratze dienten. Kohle und Holz liegt in einer Ecke zum Feuern und in einer anderen stehen alte Stühle, die für uns bereitgestellt wurden. Ich war sprachlos. Trotzdem versuchte ich zu lächeln, um die Frau zu begrüßen. Die Frauen unterhielten sich in Konkani, weswegen wir nicht viel von den Gesprächen mitbekamen. Ein Koffer, gefüllt mit Schmuck, wurde vor unseren Füßen geöffnet. Ein paar Ketten und Ringe wurden uns zum Anschauen in die Hand gegeben.
Die Frau, die uns zum Haus führte, erzählte uns von einer Selbsthilfegruppe. In dieser Treffen sich Streetvendors und sparen gemeinsam Geld, welches sie mit dem Schmuck verdienen. Das angesparte Geld wird dann für Notfälle eingesetzt. Zum Beispiel für Medizin oder dringende Renovierungen.
Realisation
Als ich in diesem dreckigen, engen Raum saß, wurde mir das erste Mal bewusst, was das Arm-sein wirklich bedeutet. Zum ersten Mal hab ich diese Umstände und Erzählungen mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich dachte, die Einrichtung, in der wir arbeiten sei schon ärmlich, aber das war nochmal viel extremer. Ich fühlte mich gezwungen etwas von dem Schmuck zu kaufen, aber ich wusste, dass es nur dem Klischee des „reichen Deutschen“ dienen würde und weitere Frauen mit ihren Koffern kommen würden.
Vor unserer Abreise wollten einige Arbeiter der Einrichtung Bilder mit uns machen. Von den anderen Menschen um uns wurden wir mit hoffnungsvollen Blicken angeschaut, als würde unsere Anwesenheit irgendetwas verändern. Mir war das ein Bisschen zu viel. Die vielen Gesichter, die Hände die uns berührten und die Handy-Kameras vor unserem Gesicht. Mir fiel es schwer noch ein Lächeln aufzusetzen.
Rückweg
Auf dem Rückweg stiegen mir Tränen in die Augen, als ich darüber nachdachte, was wir gerade alles gesehen haben. Fragen kreisten in meinem Kopf. Wieso leben Menschen unter diesen Umständen, während ich alles habe, was ich brauche. Warum müssen sie um jeden Cent für ihr Essen kämpfen, während ich mir meine fünfte Jeans bestelle. Wie bin ich nur auf die Idee gekommen ein Freiwilligendienst für mehrere Tausend Euro zu machen, wenn ich das Geld einfach spenden könnte? Trotzdem sind diese Menschen die dankbarsten und gastfreundlichsten, die ich je kennengelernt habe. Sie wissen Dinge mehr zu Schätzen als wir Deutschen. Wir können uns glücklich schätzen, dass die Kündigung von Lindner und der „Genderwahn“ (- um es etwas herunterzubrechen-) momentan unsere einzigen Probleme sind und wir uns keine Gedanken über unsere nächste Mahlzeit machen müssen.
Ich weiß, dass ich mich nicht schlecht fühlen muss. Ich bin in Deutschland geboren, was ich mir nicht aussuchen konnte. Die Menschen hier wohnen schon ihr ganzes Leben lang so und kennen nichts anderes. Trotzdem nahmen mich der Anblick und der Gedanke, dass ich nichts daran ändern kann, sehr mit.
Vielleicht konnte ich euch damit ein bisschen zum Nachdenken anregen. Im nächsten Eintrag gibt es wieder schönere Anekdoten, versprochen 😉
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Hallo Klara, nimm uns Lesende ruhig mit auf die andere Seite. Dennn darum geht es im Freiwilligendienst, den Perspektivwechsel. Die Welt ist bunt, ungerecht und wunderschön… Es liegt an uns, wie wir damit umgehen. Liebe Grüße Ulla