Nun sitze ich hier, es ist der 29. Oktober. Fast zwei Monate sind schon vergangen, seit meinem Abflug nach Indien. Die letzten Wochen in Deutschland vergingen so schnell und plötzlich war es soweit. Es ging los. Voller Trauer vom Abschied, voller Vorfreude auf das was kommt, voller Aufregung was mich eigentlich erwartet. In den ersten Tagen war alles so anders, so neu, so unglaublich. Dann verging Tag für Tag und ja, es passiert gerade wirklich. Vor dem Abflug schien alles wie ein Traum. Doch so schnell ist es Wirklichkeit.

Jetzt nach knappen zwei Monaten habe ich mich schon an so Vieles gewohnt, dass am Anfang noch so neu/ anders/ verrückt war.

So viele Dinge sind mittlerweile „Normalität“.

Der wilde Verkehr mit dem vielen Hupen. Die Tiere die umher streunen, die kleinen Geschäfte, der viele Müll, die 1000 Mopeds und TukTuks. Die indische Dusche (die aus zwei Eimern besteht). Mein hartes Bett. Das Waschen mit der Hand auf der Dachterasse. Die Affen, die man immer wieder auf den Bäumen klettern sieht. Das Essen mit der Hand (ohne Besteck). Zu fahren ohne sich anzuschnallen, da eh kein Anschnallgurt vorhanden ist. Die überfüllten Autos, in denen statt 10 vorgesehenen Personen mindestens doppelt so viele mitfahren. Die zwei- drei Jungs die jeden Morgen auf dem Schulweg im Auto auf meinem Schoß gestapelt sind. Die vielen schönen grünen Palmen. Der indische Punkt auf der Stirn, den ich jeden Tag trage. Die Klamotten (kurze und enge Sachen sind tabu, hier trage ich Leggins und lange weite T-Shirts oder die traditionell indischen Churidas.) Die Hitze (jetzt hat es schon auf „angenehme“ Temperaturen abgekühlt, das heißt man kann auch mal rausgehen ohne dass alles voller Schweißtropfen ist). Die Verständigung durch gebrochenes Englisch oder Händen und Füßen mit den Kindern. Der Englischunterricht, in dem Sara und ich Lehrer von den kleinen Jungs sind. Das Essen, dass mit der Zeit immer leckerer wurde (die meisten Sachen erscheinen gar nicht mehr so scharf). Der französische/ gepflochtene Zopf, den ich hier so gut wie jeden Tag trage. Die Unterhaltungen auf Tamil um mich herum, eine so fremde Sprache bei der man wirklich nicht viel versteht. Das frühe Aufstehen jeden Tag (Montag bis Sonntag) und dann erst mal zur Morgenmesse zu gehen. Die Geckos (so ähnlich wie Eidechsen) die gemeinsam mit uns im Zimmer leben. Die dunkelhäutigen Menschen (mir fällt mittlerweile gar nicht mehr auf wie dunkel sie sind). Die starrenden Blicke fremder Menschen, wenn sie uns Weiße sehen. Die Familien, die zu viert auf einem Moped fahren. Die Tea Time, die zum festen Alltag der Inder gehört. Die Frage ob man schon gegessen hat, die man hier gefühlt 100 mal am Tag gestellt bekommt. Die Schuhe auszuziehen, bevor man bestimmte Räume/ Kirchen/ Tempel betritt. Die Blumen, die man sich als Frau jeden Sonntag in die Haare macht. Das Wasser (man kann die Temperatur nicht verstellen, es wird also immer kalt geduscht). Die Filteranlage aus der ich Wasser trinke, da das Leitungswasser zu verschmutzt zum Trinken ist. Das indische Kopfschütteln. Die laute indische Musik.

Ja und jetzt scheint alles so normal. Ich lebe hier wirklich, alles ist plötzlich Realität. Und ich sitze hier und denke nach. Wenn ich an die bisherige Zeit denke, habe ich bereits viel gesehen, viel erlebt, mich an Vieles gewohnt. Deshalb scheint für mich alles gar nicht mehr so verrückt und außergewöhnlich. Wenn ich nächsten August wieder zurück nach Deutschland fliege und das Jahr reflektiere, wird alles wieder scheinen wie ein Traum. Ein Jahr, dass ich wirklich gelebt habe, jedoch im Nachhinein wieder unglaublich ist. Vom Traum zur Wirklichkeit und wahrscheinlich schnell wieder zum Traum. Und ich werde mich im Nachhinein fragen: Habe ich diesen Traum wirklich erlebt? Und die Antwort ist Ja.