Hallo zusammen,

Frohes Neues Jahr? Es ist doch schon April! Werden sich die meisten jetzt denken. Aber tatsächlich ist heute in gewisser Weise schon wieder Neujahr. Denn in Tamil Nadu gibt es nicht nur den Gregorianischen Kalender wie bei uns, sondern auch den Tamilischen. Der hat zwar schon längst keine offizielle Gültigkeit mehr, in der Alltagssprache ist er aber bis zum heutigen Tag im Gebrauch. Auch orientieren sich die größten Feste an dieser Ordnung. Laut diesem Kalender ist der Jahresanfang eben nicht am 1. Januar, sondern am 14. April. Zumindest traditionell gesehen.

Zurück geht der Kalender auf den traditionellen hinduistischen Kalender, der auch in einigen weiteren Staaten üblich ist. Er ist also schon ziemlich alt. Bereits in den Vedas, den ältesten Schriften im Hinduismus, findet er in ähnlicher Form bereits Verwendung.

Gezählt werden dabei aber selten Jahreszahlen. Diese beziehen sich gemäß der indischen Zeitrechnung auf verschiedenste Ären. So ist dieses Jahr entweder das Jahr 5120 nach Kali Yuga oder aber das Jahr 2049 nach Thiruvalluvar, je nachdem wen man frägt. Zudem gliedern sich 60 Jahre in einem Zyklus, ähnlich wie Jahrhunderte in unserem System. Jedes Jahr hat seinen eigenen Namen innerhalb dieses Zyklusses. So heißt das neue Jahr nun beispielsweise „Vilambi“. Unterteilt wird das Jahr in 6 Jahreszeiten, die nach dem typischen Wetter in dieser Zeit benannt sind. Die erste Jahreszeit heißt zum Beispiel „Ila-veni“, also „etwas warm“. Jedoch gilt diese allgemein als die heißeste Jahreszeit, in der darauffolgenden („Muttu-veni“, also „sehr warm“) kühlt es schon wieder etwas ab. Kleinere Ungenauigkeiten in der Benennung sind also möglich. Zwei Monate bilden zusammen eine solche Jahreszeit. Wie in unserem Kalender besteht das Jahr also aus 12 Monaten, die wiederum in 29 – 32 Tagen unterteilt sind. Auch gibt es eine 7-Tage Woche, die hier mit dem Sonntag beginnt. Alle diese Unterteilungen haben ihre eigene Astronomische Bedeutung, so dass das Ganze sehr schnell sehr kompliziert wird.

Aus Norm- und Handelsgründen führten die europäischen Kolonialmächte auf dem gesamten Subkontinent im 18. Jahrhundert den Gregorianischen Kalender ein. Er blieb der offizielle Kalender ganz Indiens, die alten Kalendersysteme blieben jedoch trotzdem parallel im Gebrauch. Nach dem Ende der Kolonialzeit und dem darauffolgenden Aufbau der Indischen Republik beschloss man, einen neuen Kalender einzuführen. Dieser sollte die einzelnen Bundesstaaten durch einen gemeinsamen Kalender frei von kolonialen Einflüssen einen. Der sogenannte „Indische Nationalkalender“ wird noch heute von einigen Medien sowie der indischen Regierung genutzt. Im Alltag durchsetzen konnte sich dieser jedoch nie.

Doch auch die traditionellen Kalender sind vor politischen Änderungen nicht gefeit. Vor 10 Jahren legte die Regierung Tamil Nadus fest, dass das neue Jahr nicht mehr wie üblich im April, sondern bereits im Januar gefeiert werden soll. Dort fällt es mit dem hinduistischen Erntedankfest Pongal zusammen, eines der wichtigsten Feste der Tamilen (wer sich näher für das Fest interessiert, hier geht´s zu Hendriks Blogeintrag zum Thema). Das führte zu Protesten in der Bevölkerung und schließlich dazu, dass Neujahr trotzdem wie bisher im April gefeiert wurde, sodass das Gesetz drei Jahre später wieder revidiert wurde. Seither herrscht aber immer noch Verwirrung darüber, welcher der beiden Termine seine Gültigkeit hat. In der Gegend in der Ich lebe wurde zum Beispiel trotz alledem schon an Pongal das neue Jahr begrüßt.

Ob nun Neujahr oder nicht, zum Feiern gibt es trotzdem immer etwas. Denn zugleich ist der 14. April auch der Gedenktag für Dr. B.R. Ambedkar, neben Gandhi der größte Kämpfer für die Unabhängigkeit Indiens und Gründervater der Constitution of India.

Viele Grüße

Euer Jakob