Diwali 2017

Morgens 7:30. Unsanft reißt mich eine gewaltige Detonation aus dem Schlaf. Kurze Zeit später folgt das beständige Krachen einer Böllerkette. Diese Geräuschkulisse sollte mich noch den ganzen Tag lang begleiten, denn heute ist Diwali.

Diwali, in Tamil Nadu auch Deepavali genannt, ist eines der bedeutensten Feste der Hinduisten, Sikhs, Jainisten und Buddhisten. Gefeiert wird allgemein der Sieg des Guten über das Böse, des Lichtes über den Schatten, weshalb das Fest auch als das „Lichterfest“ bekannt ist. Die Feiertage sind in ganz Indien, sowie in Singapur, Malaysia und anderen Ländern der indischen Diaspora verbreitet. Sogar im Weißen Haus wird Diwali traditionell zelebriert. Der Mythologische Hintergrund ist jedoch von Region zu Region verschieden und auch die Länge des Festes, das zwischen einem und fünf Tagen dauern kann, variiert. In einigen Ländern Nordindiens erfüllt es zudem den Zweck des Neujahrfestes.

In Tamil Nadu geht der Brauch zurück auf  einen Kampf, der vor 5000 Jahren stattgefunden haben soll. Zu dieser Zeit tyrannisierte der Dämon Narakasura die Welt, unterwarf alle Könige unter sich und verschleppte mehr als 16000 Frauen.

Doch damit nicht genug: Geblendet von Machtgier griff er den Himmel an, eroberte schließlich auch diesen und stahl zu allem Überfluss der Mutter aller Götter, Aditi, ein Ohrring. Von dieser Schmach gekränkt wendeten sich alle Devas (die den Göttern Dienenden, Halbgötter) an Krishna, einer Inkarnation Vishnus, des Erhalters des Universums. Dieser brach zusammen mit seiner Frau Satyabama auf, um Narakasura zu besiegen. Nach einem langen und heftigen Kampf gelang es ihnen dann auch schließlich, den Dämon zu töten. Kurz vor seinem Tod bat dieser noch um ein Versprechen: Bis in alle Ewigkeit sollte dieses Ereignis mit farbigen Lichtern gefeiert werden.

In heutiger Zeit beginnt der Tagesablauf eines gläubigen Hindus in Tamil Nadu zunächst mit einem rituellen Ölbad noch vor Sonnenaufgang. Bereits am Tag zuvor wurde das Haus geschmückt und herausgeputzt. Daraufhin kleidet sich die Familie mit neuer Kleidung und besucht dann die örtlichen Tempel. Außerdem ist es Brauch seine Nachbbarn mit Süßigkeiten zu beschenken. Zeitgleich werden bereits zu früher Stunde überall Kracher, Böller und ähnliches gezündet. Am Abend erhellen dann Raketen, Batterien und Römische Lichter den Nachthimmel und das Feuerwerk ist komplett.

Feuerwerk in Keela Eral

Dabei ist das Fest ähnlich wie Silvester in Deutschland nicht ganz unumstritten. Die vielen Knallkörper lassen die Feinstaubwerte in den Metropolen explodieren. Um dem entgegen zu wirken setzte der Supreme Court dieses Jahr u.a. in Neu Dehli ein Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern durch. Zudem ist die Zeit um Diwali, Hauptverkaufszeit in Indien: Neue Kleidung, Schmuck, tausende Öllampen und auch Geschenke müssen schließlich besorgt werden. Aus diesem Grund wird die zunehmende Kommerzialisierung des Festes, ähnlich wie an Weihnachten, stark kritisiert. Doch auch die Verletzungsgefahr durch Blindgänger, falsch gezüdete Böller etc. ist immens. Jedes Jahr werden mehr Menschen mit Brand- und Augenverletzungen in den Kliniken behandelt.

Als Hendrik und ich uns Abends das Feuerwerk im Dorf anschauen wollten, war das Auffälligste tatsächlich das Nicht-Beachten sämtlicher Sicherheitsregeln.

Vulkan zwischen zwei Häusern

Die Sprengkraft bereits kleinerer Böller ist nicht mit denen aus Deutschland zu vergleichen.Noch in einem Abstand von mehreren Metern war die Schockwelle deutlich zu spüren, von der Lautstärke ganz zu schweigen. Blindgänger, die nicht selten zu beobachten waren, wurden zumeist einfach ein zweites mal gezündet. Dazwischen tollten Kinder, denen das bunte Treiben sichtlich Freude bereitete, natürlich selbst mit Böllern in der Hand. Römische Lichter, Vulkane und ähnliches entzündeten manche ohne Hintergedanken direkt unter Bäumen oder in kleinen Gassen, deren Breite ein Meter kaum übersteigt.

Doch davon abgesehen war die Stimmung im Dorf sehr ausgelassen und friedlich. Jeder wollte sich das Spektakel ansehen und so versammelten sich alle Bewohner in ihrer neuen Diwali-Kleidung auf den Straßen. Für mich war zudem auch sehr interessant, ein so großes Fest mitzuerleben ohne direkt Teil des selben zu sein, wie das als Christ bei christlichen Festen nun mal der Fall ist. Schließlich habe ich mich schon immer gefragt, wie sich der ganze Weihnachtstrubel für Menschen anfühlt, die das Fest eigentlich nicht feiern. Ich denke, das habe ich nun zumindest ein Stück weit besser verstanden.