Henriette in Benin

Komm mit mir ins Abenteuerland

Unser blauer Planet

Das Thema Umwelt lässt mich auch in Afrika nicht los. In Deutschland habe ich mich für die Fridays-for-Future Bewegung eingesetzt und dann meine Schulkarriere mit einem Klima- und Umwelt Projekt beendet.

Umwelt in Cotonou



Hier hat sich meine ganze Sicht nochmal verschärft.
Seit dem ersten Tag schockiert mich das Straßenbild jedes Mal aufs Neue. Überall düsen Mopeds und Autos durch die Gegend und wer sich eines leisten kann, verwendet es auch für die unnötigsten Strecken. Die Luft ist auf den Hauptverkehrsstraßen dementsprechend schlecht. Aber es sind nicht die Autos und Mopeds, die mich so erschrecken, schließlich ist das Thema Verkehr und Feinstaub in Deutschland und vor allem in Stuttgart gang und gebe.
Nein, was mir ins Auge sticht ist der Müll. Überall liegen Plastiktüten, Flaschen, zerrissene Klamotten, Essensreste und und und.
Hier kann man Wasser in kleinen Plastiktüten kaufen, sind sie leer, werden sie achtlos auf den Boden geschmissen.
Auch die offenen Kanäle und Abwassergräben bestehen aus einer schwarzen übel stinkenden Brühe mit Müll darin.



Das Bewusstsein für Umweltverschmutzung, Erderwärmung und Klimaschutz liegt bei null.

Im Maison de l‘Espérance habe ich im Cours Culturelle alle Freiheiten und so habe ich die letzten 1 1/2 Monate das Thema Umwelt fokussiert.
Zunächst wollte ich herausfinden, auf welchem Stand die Jugendlichen sind. Ich habe sie eine Mindmap zum Thema Umwelt erstellen lassen.

Ich dachte mir schon, dass wenig kommen würde, aber wie wenig, hat mich nochmal schlucken lassen.

Für die nächste Stunde habe ich dann verschiedenen Müll und Kärtchen mit Zeiträumen mitgebracht und die Jugendlichen die Verwesungsdauer des Mülls zuordnen lassen:

Plastiktüten 20 Jahre Plastikflaschen 450 Jahre
Orangenschale 2 Jahre Windeln 500 Jahre
Papiertüten 6 Wochen Klopapier 2 Wochen
Batterien 1000 Jahre
Glasflaschen eine Millionen Jahre

Es war wirklich interessant, den Jugendlichen zuzuschauen. Am Anfang fanden sie die Aufgabe noch albern und haben sich planlos damit auseinandergesetzt aber nach und nach wurden dann ernstere Diskussionen geführt. Als ich dann die Sachen aufgelöst habe, war eines ganz ungewöhnlich: es war mucksmäuschenstill. Diese seltene Stille im ME zeigt hat mir gezeigt, dass wirklich was angekommen ist. Etwas Bedrückendes, so wie es inzwischen eigentlich jeden bedrücken sollte, wenn es um unseren blauen Planeten geht. Aber jede und jeder einzelne kann was machen egal wo. Ob in Afrika oder Europa, wir leben alle auf der selben Erde und können sie nicht weiter mit unserem Zivilisationsmüll vergiften.

In den kommenden Wochen haben wir dann aus alten Zeitschriften kleine Untersetzer für Gläser gebastelt. Aus Alt mach Neu. Zum Thema Recycling kann man den Beninern eigentlich wenig vorwerfen. Flaschen, Fässer, Klamotten und einiges mehr wird hier bis zum Gehtnichtmehr benutzt.

Wenn’s ums Thema Umwelt geht, muss sich jede und jeder an die eigene Nase fassen, also auch das ME

In einem vorherigen Blogeintrag habe ich schon berichtet, dass das ME ein Bistro hat. Die ganzen Kuchen, Croissants, Seifen und Baguettes wurden in Plastiktüten verkauft. Plastiktüten sind hier echt ein großes Problem: Egal was man kauft, alles wird in Plastiktüten gepackt und auch nach mehrmaligem Bitten, keine Tüte haben zu wollen, drückt der Verkäufer einem eine in die Hand.

Also Plastiktüten im ME wären auf jeden Fall ein Punkt den man verbessern kann. Und so kam Schwester Cristina eines Tages und meinte, sie hätte ein Geschenk für mich: eine riesen große Rolle braunes Papier. Hiermit sollen nun alle Sachen des MEs verkauft werden.

Im Cours Culturelle sind wir jetzt also des Öfteren damit beschäftigt, fleißig Papiertüten zu basteln. Ein Haufen Arbeit ist das, aber es macht mich auch gleichzeitig stolz einen doch so großen Schritt im ME gegangen zu sein.

Straßensäuberung vor dem Maison de l’Espérance

Letzten Dienstag haben wir eine etwas größere Aktion in Angriff genommen. Jeden Morgen, wenn Schwester Cristina und ich mit dem Auto zum ME fahren, führt unser Weg über eine unfassbar schmutzige Straße.

Überall liegen Plastiktüten, kaputte Flaschen, Klamotten, Autoreifen, Kanister, Schuhsolen, Zahnbürsten und und und. Und eine Straße weiter ist das nicht so. Da findet man zwar auch ab und zu eine Plastiktüte, aber im Grunde ist das Straßenbild dort ganz ordentlich. Wieso dann nicht auch vor dem ME?

Ich beschäftigte mich also die Woche davor damit, die Jugendlichen darauf vorzubereiten, dass wir eine Putzaktion vor dem ME machen werden. Natürlich haben die da erst mal die Augen gerollt und fluchende Kommentare abgegeben, aber nach und nach konnte ich bei einigen dann doch Verständnis für die Aktion wecken. Bei der Aktion war es Schwester Cristina und mir wichtig, dass auch die Nachbarn für das Problem sensibilisiert werden und dass ein Bewusstsein geschaffen wird. Schließlich wird nicht jedes Mal das ME die Straße putzen, so viel Spaß macht das dann auch nicht.

Also habe ich einen Text geschrieben und mit einer kleineren Gruppe der Jugendlichen durchgearbeitet, um Ideen zu bekommen, was wir den Nachbarn sagen können.

Die Straße vor dem ME ist nämlich nicht nur eine Straße für Autos und Mopeds. Die Straße ist ein Treffpunkt. Auf der Straße wird gegessen, auf der Straße spielen die Kinder, auf der Straße leben die Tiere, auf der Straße verbringt man seine Zeit, kurz: Auf der Straße wird gelebt!

Wollen wir wirklich da essen, wo andere aufs Klo gehen? Wollen wir, dass unsere Kinder im Dreck spielen? Wollen wir, dass unsere Tiere sterben, weil sie Plastiktüten essen? Wollen wir in einer hässlichen, stinkenden und schmutzigen Umwelt leben?

Das ME sagt „Nein“!

Mit einer kleinen Gruppe bastele ich Plakate und aus alten Kanistern bauen wir Mülleimer. Die ersten öffentlichen Mülleimer in Cotonou vielleicht 😉

Die Mülleimer hängen nun an der Straße. Sie müssen vom ME oder von den Nachbarn auf ihren Hausmüll gelehrt werden. Der Müll wird wöchentlich von einem kleinen Karren abgeholt und auf die Deponie gebracht.

Auf die Plätze fertig los

Am Dienstag ist es dann so weit. Bewaffnet mit Besen und Rechen sagen wir dem Müll den Kampf an.

Dem Chef des Quartiers hat Schwester Cristina im Vorhinein Bescheid gegeben und er steuert uns noch Schubkarren und Schaufeln bei.

Es wird gefegt, gehackt, mit den Handschuhen in der Erde gegraben und eine riesengroße Staubwolke bildet sich. Netterweise kauft uns ein Nachbar Atemschutzmasken – und weiter kann es gehen.

Am Anfang sind wir noch alle motiviert, aber je tiefer wir graben, desto mehr Müll tritt zutage. Das ist wie eine Archäologie der Vermüllungsgeschichte. Jahre, Jahrzehnte haben sich hier abgelagert und verdichtet. Und es wird mir klar: die Menschen hier, Kinder sowieso, kennen gar kein anderes Straßenbild. Für viele sieht es hier schon immer so aus. Der Müll ist der Normalfall – fast wie eine Naturgegebenheit. Dass es anders sein könnte, kaum vorstellbar.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich ein kleines Publikum gebildet hat. So eine Truppe Jugendlicher und dann auch noch zwei Yovos (Weiße) die im Dreck rumwühlen. Wir geben da schon ein urkomisches Bild ab. Trotzdem haben sich zwei Frauen zu uns dazugesellt und uns geholfen.
Am Schluss haben wir drei große Häufen und trotzdem ist die Straße immer noch nicht sauber. Vieles ist einfach so fest im Erdboden verankert, dass wir es nicht befreien können.

Der Müll wurde auf eine Deponie gebracht, was dort mit ihm passiert, ist mir nicht klar. Man sieht oft am Straßenrand kleine Häufen Müll die verbrannt werden.

Nach einer knappen Woche ist die Strasse an vielen Stellen wieder ziemlich schmutzig. Das liegt aber nicht daran, dass so viel neuer Müll dazu gekommen ist, sondern dass wir den alten hervorgegraben haben und ihn nicht wegbekommen. Das Gefühl nach der ganzen Aktion ist also eher ernüchternd.

Trotzdem war das Projekt extrem wichtig und Eindruck haben wir sowohl bei uns selber, als auch bei den Nachbarn gewonnen und das war ja auch das Ziel.

Was mich aber an dem ganzen Thema Umwelt hier noch viel mehr deprimiert, ist Folgendes: Jede und Jeder aus Europa würde hier sagen, die Umwelt ist hier fürchterlich am Leiden oder, wie ich es immer gerne liebevoll ausdrücke: Die Umwelt kotzt

Die Auswirkungen von weggeschmissenem Müll sind nicht zu übersehen. Da würde sicherlich die Mehrheit sagen: „Also, so schlimm sind unsere Auswirkungen in Europa auf die Umwelt nicht. Unsere Straßen sind sauber und es gibt immer noch genug Grünflächen. Hier in Cotonou ist es schmutzig und es stinkt. Die sollen erstmal Mülltrennung einführen und das Straßenbild sauber halten.“

Aber es ist nicht Benin, oder ein anderes afrikanisches Land, dass beim Ranking der größten CO2-Emissionen unter den ersten 10 landet. Es ist Deutschland. Warum hier in Benin zum Thema Umwelt nicht viel passiert, liegt auch an der Bildung und der nicht vorhandenen Aufklärung. Und Deutschland, als eines der privilegiertesten Länder der Welt, mit Top-Zugängen zur Bildung, mit Forschern, die den menschengemachten Klimawandel beweisen können, macht nichts und schaut weg. Ach nein, ich vergas, es verabschiedet ein Klimapaket, dass dem Pariser Klimaabkommen schon heute den Laufpass gibt.

Aber hey, es handelt sich ja nur um unseren blauen Planeten.

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Ein Tag, den ich mit euch teilen will

  1. Beate Schütz

    Liebe Henriette,
    frohe Weihnachten wünsche ich dir und allen Menschen um dich herum. Friede wünsche ich euch, Gesundheit, Zuversicht und eine gehörige Portion Trotz: trotz aller Mühe nicht aufgeben!
    Erst gestern kam ich dazu, deinen Blog zu studieren und schäme mich etwas, dass ich dir nicht früher geschrieben habe. Tatsächlich hatte ich einen arbeitsreichen Herbst an meiner Schule, und einige Themen, die dich in Benin beschäftigen, gibt es auch bei uns. Wer sensibilisiert ist, sieht es: Armut, sexuelle Übergriffe, Gewalt, Kindeswohlgefährdung… vieles verdeckt, so wie es in Deutschland wohl auch mit dem Müll ist: sauber getrennt, abgespalten, aus den Augen, soll irgendwer sich darum kümmern.
    Deine Blogbeiträge habe ich chronologisch gelesen und stelle fest: Das Herantasten und Eingewöhnen ist vorbei, du bist richtig angekommen, Nun setzt du Zeichen, bringst deine Kenntnisse und Kompetenzen ein, machst Aktionen wie in Deutschland. Ich möchte dich sehr ermutigen, weiter zu machen. Du hast schon erste Verbündete, gibt es noch mehr? Wie kommt es, dass die Nachbarstraße sauber ist – wer hat sich dort darum gekümmert? Der Chef des Quartiers und die Don-Bosco-Projekte werden bleiben, auch wenn du wieder weg bist. Auch wenn in deinem einen Jahr nicht der Müll der Jahrzehnte ausgegraben werden kann: du kannst eine Vision hinterlassen, wie es schöner sein kann. Große Veränderungen beginnen mit Träumen und Ideen. Deine Aktionen können wie eine Saat sein, die vielleicht erst aufgeht, wenn du längst schon wieder in Deutschland bist.
    Neulich hörte ich, dass es für Taucher im roten Meer jetzt „Clean-up-Tauchgänge“ gibt: Müllsammeln als touristische Gemeinschaftsaktion. Immer mehr große Städte in Deutschland verbieten in Innenstädten Silvesterfeuerwerke. Handelsketten verkaufen keine Böller mehr… Vielleicht hat das Umdenken wirklich begonnen.
    Liebe Henriette, lass uns an weiter an deinen Ideen teilhaben, denn auch wir brauchen deine Ermutigung!
    Ein segensreiches neues Jahr wünscht dir und deinen Mitstreiter*innen
    Beate

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