Hendrik entdeckt Indien

Mein Freiwilligendienst in Keela Eral

Politisch engagiert

Ich erinnere mich schwach an einen Text im letztjährigen Erdkunde-Unterricht. In diesem wird Indien ein großer Vorteil gegenüber China eingeräumt, wenn es darum geht, wer in Zukunft die wirtschaftliche Weltspitze der erklimmen wird. Der Text differenzierte, während das chinesische Volk einer kommunistischen Führung „unterworfen“ ist, kann sich Indien als weltgrößte Demokratie bezeichnen. Doch wie die politische Legitimation der Regierung in Indien tatsächlich aussieht werde ich im Folgenden, anhand meiner bisherigen Erfahrungen, darlegen.

„Do you like Hitler?“

Schon in den ersten Gesprächen mit den Jungs, wurden politische Themen beredet. Daran, dass wir oft auf Adolf Hitler angesprochen werden, haben wir uns bereits gewöhnt. „Do you like Hitler?“ hielten wir dabei anfangs noch für einen Scherz. Schnell wurde aber klar, dass es hier, knapp 8000 km von Deutschland entfernt, nicht nur die eine, unumstrittene Antwort auf diese Frage gab. Beinahe schockiert hat uns schließlich, dass die Jungs den ehemaligen deutschen Reichskanzler ihrem aktuellen Regierungschef Narendra Modi vorziehen würden. Wenn sie argumentieren, Hitler habe Deutschland zu einer Wirtschaftsmacht geformt, die Leute von Armut befreit und sei zudem ein starker Redner, welcher Worte auch in Taten umgesetzt hat, gewesen, bleibt uns nur der Mund weit offen stehen. Natürlich halten auch sie den Weg, der letztlich eingeschlagen wurde, für schrecklich und unverzeihlich. Aber dennoch bevorzugen sie letztlich einen Massenmörder gegenüber ihrem gewählten Regierungschef. Das zeigt, wie groß die Enttäuschung und der Ärger über die aktuelle tatsächlich Lage ist.

Ein neues Hindu-Reich?

Die hindu-nationalistische Partei Modis, BJP, hält aktuell eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze, wodurch auch ihr Einfluss entsprechend ist. Sie ist bekannt dafür, sich für die Hindus (ca. 80,5 % Bevölkerungsanteil) stark zu machen und in diesem Zug auch gegen Muslime (ca. 13,4 %) wie Christen (ca. 2,3 %) vorzugehen. In der Vergangenheit sogar auf radikale und brutale Art und Weise. Mit dem Wissen, dass dies jedoch nicht ausreichen wird, um eine Wahl zu gewinnen, wurde diese Thematik von Modi im Wahlkampf erst gar nicht erwähnt. Stattdessen setzte er auf politische Alltagsfloskeln wie „Wachstum und Fortschritt“ oder „Ich bin der erste Arbeiter“. Wenn man bedenkt, dass drei Viertel der Wählerschaft Arbeiter sind, mag man das für ein offensichtlich oberflächliches Image halten. Dennoch ist der Funke übergesprungen und die BJP hat einen Wahlsieg eingefahren wie ihn Indien in den letzten 30 Jahren nur ein einziges mal erlebt hat. Dass man ein Hindu-Reich in einer katholischen Einrichtung nicht gut heißt, ist logisch. Die Fathers meinen zudem noch, dass Modi „Hindi“ als Amtssprache in ganz Indien etablieren will. Das bedeutet auch, dass es zum Pflichtfach aller Schüler werden soll. Bei weit über 100 gesprochenen Sprachen und derzeit 21 von den Bundesstaaten abhängigen Amtssprachen in Indien, wirken diese Ambitionen schon fast lächerlich. Oft wird beim Essen gemeinsam über die politische Lage und die neusten Flausen in Modis Kopf geredet wie auch gescherzt. Doch eine weitaus größere Problematik lässt einem das Lachen schnell wieder vergehen.

Korruption an der Tagesordnung

Modi führte 2014 einen Wahlkampf, wie es ihn in Indien noch nie zuvor gegeben hat. Neben zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen, TV-Spots, Plakaten und Online-Posts, gehören in Indien (leider) genauso selbstverständlich auch Bestechungsgelder dazu. Dies prangern auch die Jungs hier an. Sie meinen, in Indien wäre alles und jeder käuflich. Das beginnt bei den Wählern, geht über die Richter und Polizeibeamten, bis hin zu den Politikern. Einen Prozess oder die meisten Stimmen gewinnt in der Regel der, mit dem dicksten Geldbeutel. Somit werden sich Sitze im Parlament oder gar im Kabinett durch gute Beziehungen, Verwandtschaften oder einen saftigen Scheck gesichert. Da ein Aufbegehren gegen jene Zustände zu Inhaftierungen führt, wird das Machtgefüge kaum ernsthaft in Bedrängnis gebracht. Aber auch schon leichte Kritik an der Regierungsarbeit oder das Offenlegen gewisser Missstände, werden willkürlich bestraft. Dementsprechend herrscht in Indien eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Ein Zeichen setzten

Trotz alledem, will man hier, bei den Salesianern, nicht die Hände in den Schoß legen und still zuschauen. Die Jungs sollen lernen, dass sich ohne politisches Interesse und Engagement nie etwas ändern wird. Deswegen entstand vergangenes Wochenende ein kurzes Musikvideo, welches die verschiedensten Missstände der indischen Politik thematisiert. Der unter anderem an Modi adressierte Song, thematisiert die Bestechlichkeit und das kontroverse Handeln der Politiker. Schon der Film, aus welchem der Song ursprünglich stammt, sorge landesweit für Gesprächsstoff und war der Regierung ein Dorn im Auge. Jakob und ich waren bei diesem kleinen Projekt ebenfalls aktiv. Er vor, ich hinter der Kamera (bis auf eine kurze Szene, vielleicht erkennt ihr mich ja…). Dank der außerordentlichen schauspielerischen Fähigkeiten der Hostel Boys, versteht man auch das ein oder andere ohne Vorkenntnisse in Tamil. Zum Video gelangt ihr hier.

Wie ich finde, ist es sehr wichtig sich politisch zu engagieren und sich eine Meinung zu bilden. Gerade wenn die Situation eher nicht so rosig aussieht. Ich hoffe ich kann auch ein wenig die Sinne derjenigen schärfen, die das Gefühl dafür verloren haben, wie gut es uns in Deutschland beispielsweise in Bezug auf freie Meinungsäußerung oder das Recht auf einen fairen Prozess geht.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Moralapostel Hendrik Schwörer

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  1. Charli

    Hallo lieber Moralapostel Hendrik,
    ein sehr interessanter Artikel. Ich finde es gut, dass das bei euch in der Einrichtung diskutiert wird!
    Und euer Video ist wirklich witzig.
    Deinen Blog sollte ich definitiv öfter lesen 😉 gefällt mir gut.
    Liebe Grüße aus Bolivien von Charli

    • Hendrik Schwörer

      Danke für deinen Kommentar 🙌 ich finde es wie gesagt auch sehr schön, dass hier auch auf solche Dinge Wert gelegt wird. Und es ist vor allem ein sehr interessantes Gesprächsthema.
      Grüße zurück✌

  2. Anonymous

    Ein sehr guter und informativer Beitrag! Ich freue mich schon auf deinen nächsten Artikel.
    Und das Video war mal wieder 1A. An dieser Stelle Grüße an Brother Marshal und an alle anderen natürlich auch!
    Genießt die Zeit!

  3. Anonymous

    Sehr starker Artikel!
    Beste Grüße, Anna
    (Ehemalige aus Vilathikulam)

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