Hendrik entdeckt Indien

Mein Freiwilligendienst in Keela Eral

Ein Tag eines Don Bosco volunteer

Nach nun beinahe zwei Monaten hier in Indien ist es heute an der Zeit euch mal durch meinen Tag als Volontär zu führen. Selbstverständlich ist kein Tag wie der zuvor, aber der folgende Beitrag verschafft euch hoffentlich einen guten Überblick.

6:00 Uhr: Practice what you preach

 

„Der frühe Vogel kann mich mal..“ Hilft aber alles nichts. Denn, meine erste Aufgabe des Tages: Hostel Boys aufwecken. Da ich morgens selbst absolut ungenießbar bin und es hasse früh geweckt zu werden ist die ganze Sache etwas paradox. Ich muss, in die Hände klatschend und an den Türen klopfend, die Jungs aus ihren süßen Träumen reißen, während ich, an ihrer Stelle, mir selbst an die Gurgel springen würde. Während ich also versuche der Müdigkeit stand- und meine Augen offenzuhalten, um halbwegs seriös beim Ausführen dieser Aufgabe zu wirken, waschen sich die Jungs in den nächsten 30 Minuten von Kopf bis Fuß. Eigentlich mehr als genug Zeit. Dennoch schaffen es beinahe jeden Morgen immer wieder die gleichen Langschläfer, erst auf den letzten Drücker nach draußen zum gemeinsamen Gebet zu erscheinen. In diesen Momenten schwelge ich in Erinnerungen an die letzten Jahre, in welchen gerne mal 50 Minuten zwischen dem ersten Klingeln des Weckers und meinem gehetzten Sprung, zu eigentlich schon viel zu später Zeit, aus dem Bett gelegen haben. Glücklicherweise können sich bei dieser Aufgabe Jakob und ich Tag für Tag abwechseln.

8:30 Uhr: Deutschland, nimm dir ein Beispiel

 

Die zwei Stunden zwischen dem Aufwecken der Jungs und dem Frühstück werden meistens mit Schlafen verbracht, manchmal mit Lesen oder Musik hören (wobei ich nicht zu selten auch einschlafe). Zwar beginnt in den Schulen hier der Unterricht um 9:00 Uhr (siehe Überschrift), jedoch kommt unser Bus erst eine halbe Stunde danach in Bommaya Puram an. Hier empfangen uns die strahlenden Gesichter der Kinder mit einem lautstarken „Good morning Brother“ oder dem Pendant auf der Landessprache Tamil: „kalai vanakkam“. Aufgeregt fragen sie uns, ob wir heute ihre Klasse unterrichten werden und brechen in Jubel aus, falls wir dies bestätigen. Mit Aktionsliedern, Bildern und Spielen bringen wir den Kindern von der ersten bis zur fünften Klasse Früchte, Tiere oder einfache Sätze bei.

„My favourite fruit is…“

Eine Schwierigkeit liegt darin, gleichzeitig darauf zu achten, dass schneller lernende Schüler nicht gelangweilt werden, und zu verhindern, dass diejenigen, welche noch nicht so weit sind, den Anschluss und den Mut verlieren. Der Spaß kommt jedoch für die Schüler und uns dabei nie zu kurz. Auch in der Pause scharen sich die Kinder um uns. Sie wollen Fangen spielen, in die Luft gehoben und geworfen werden oder uns etwas von ihren Pausensnacks anbieten (aus reiner Höflichkeit lehne ich natürlich nichts davon ab). Um 12:00 Uhr ruft uns die Schulköchin zum Mittagessen und wir verabschieden uns von den Kindern. Kurz darauf befinden wir uns im Tuk-Tuk sitzend auf dem Weg zum nächsten Dorf. Von dort aus bringt uns ein Bus zurück nach Keela Eral.

 

16:00 Uhr: Körperliche Ertüchtigung

 

Nachdem die Jungs im College um halb vier Unterrichtsschluss haben wird erst einmal Sport gemacht. Wir haben die freie Zeit bis dahin genutzt um uns ein wenig auszuruhen und Kraft zu tanken für die anstehenden Leibesübungen. Gespielt wird Volleyball, Badminton, Kabaddi und Fußball. Ich gesell mich die meisten Tagen zu den Balltretern auf den Hartplatz, welcher zu den alljährlichen Sportwettkämpfen aber auch für Speerwurf, Kugelstoßen und Laufwettbewerbe präpariert wird. Neben diesem verfügt das Gelände des College über zwei Volleyballplätze und einen kleinen Kraftraum mit ein paar Hanteln. Die Jungs sind immer mit der größten Motivation bei der Sache, denn verlieren will hier logischerweise niemand. Am meisten Freude haben sie momentan in der Regenzeit (ca. Oktober-November), wenn der matschige Untergrund einem augenscheinlich die Kontrolle über den eigenen Körper verlieren lässt. Man rutscht und legt Flugeinlagen hin was das Zeug hält und sieht danach auch dementsprechend aus. An diesen Tagen lege auch ich meine Sportschuhe zur Seite und stürze mich, wie es die meisten Jungs das ganze Jahr über machen, barfuß ins Vergnügen.

17:30 Uhr: Tea and Study Time

 

Fast noch wichtiger als der Sport ist der tägliche Tee. Der gehört in Indien einfach dazu und wird überall angeboten. Auch wir trinken jeden Abend zusammen den landesüblichen Schwarztee mit ordentlich Milch und Zucker. Dabei kommt man mit den Jungs in interessante Gespräche. Unter anderem wird sich über deutsch-indische Unterschiede, das eben beendete Fußballmatch, die Heimatorte der Hostelbewohner oder die heutige Qualität des Tee unterhalten. Anschließend geht’s für die Jungs die nächsten zwei Stunden ans Lernen. Derweil machen wir uns auf den Weg zur Kirche in Keela Eral. Hier kommen sechsmal die Woche Schüler von der ersten bis zur zwölften Klasse zusammen und machen ihre Hausaufgaben. Da sie Zuhause entweder zu wenig Platz haben, es zu laut ist oder sie Hilfe brauchen, welche die Eltern nicht geben können, ist diese Unterstützung einer Lehrerin aus dem Ort ein gern angenommenes Angebot.

Die Night School – Ein chaotischer Haufen

Jakob und ich hören die Mädchen und Jungs Vokabeln ab, lesen gemeinsam mit ihnen Texte oder helfen bei der Aussprache neuer oder komplizierter Wörter. Samstags wird die gemeinsame Zeit mit verschiedenen Spielen verbracht. Dabei lernen wir neue Spiele von den Kindern, bringen aber auch unsere eigenen Vorschläge mit. Aber es gibt durchaus auch Überschneidungen. So kannten die Kinder beispielsweise schon „Der Fuchs geht um“, nur logischerweise mit einem etwas anderen Text.

20:15 Uhr: Gemeinsam den Tag beenden

 

Nachdem wir uns um 20:00 Uhr von den Kindern der „Night School“ verabschiedet haben, geht’s zum Abendessen mit den Fathers und Brothers im Haus der Salesianer. Hierbei wird sich über die Ereignisse des Tages, unsere Reisepläne (davon werdet auch ihr bald etwas erfahren) und vieles mehr ausgetauscht, wobei immer eine Menge Spaß gemacht und gelacht wird. Zum Tagesabschluss treffen sich Fathers, Brothers, die Hostel Boys und wir uns draußen zu Gesprächen in kleinen Gruppen. Punkt neun Uhr ist dann auch schon Zeit für das Abendgebet und den „Good Night Talk“ eines Salesianers. Hierbei werden den Jungs beispielsweise in Form von kleinen Geschichten Denkanstöße oder Tipps für die Zukunft gegeben. Ab Dezember werden wir zudem noch für eine halbe Stunde mit ein paar Jungs zur „Spoken English class“ treffen. Da viele Jungs Angst davor haben Fehler zu machen und dann lieber nichts sagen oder einen anderen Hostel Boy als Dolmetscher nutzen, ist es Father Marcel wichtig, dass die Jungs sie so viel wie möglich sprechen um sicherer zu werden. Sein Motto lautet: „Eine Sprache lernt man am allerbesten wenn man sie spricht, nicht mit Grammatikbüchern.“


Am Ende des Tages lande ich als Don Bosco volunteer erschöpft im Bett. Gedanken an den vergangenen Tag kreisen im, der Ventilator über dem Kopf. Wer muss morgen nochmal früh aufstehen? Gott sei dank nicht ich…

 

 

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  1. Anonymous

    Lieber Hendrik,

    es freut uns sehr, dass es Dir gut geht und Dir die Arbeit gefällt.
    Dein Tagesablauf liest sich sehr spannend. Insbesondere die morgendliche Weckaktion lässt uns schmunzeln und erinnert an frühere Zeiten nur mit leicht vertauschten Rollen….

    Wir wünschen Dir noch viel Freude und senden Grüße aus der Heimat
    Mama & Papa

    • Hendrik Schwörer

      Hallo ihr Zwei,

      ich hätte es mir auch nicht träumen lassen, dass ich so schnell die Rolle wechseln werde. Aber zumindest wird mir jetzt klar, dass das aufwecken nicht unbedingt besser ist, als selbst geweckt zu werden😂
      Ich hoffe euch daheim geht’s genauso gut wie mir.
      Sonnige Grüße nach Ruascht✌

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