Lilli in Indien

Don Bosco Volunteer Blog

Kleider machen Leute- wie zieht man sich in Indien an?

Kleidung -und die Regeln für diese- sind in Indien sehr speziell und sehr wichtig. Viel Spaß beim Lesen!
Gleich nach Sophias und meiner Ankunft In Vijayawada laden uns die anderen Volontäre ins Restaurant ein. Zwei andere Volontäre wollen ihren Abschied feiern und Sophia und Ich dürfen auch mitkommen. Im Jeep mit dem dazugehörigen Fahrer des Projekts nehmen wir die Fahrt durch das nächtliche Vijayawada auf um in der Wohnung der Volontäre unser Gepäck los zu werden.

„Kann Ich mir davor noch was anderes anziehen?“ frage Ich erschöpft. Der Stoff meiner Jeans ist viel zu dick für die feuchte Hitze und mein hochgeschlossenes Drei-Viertel-Arm Shirt ist komplett durchgeschwitzt. Die Volontäre lachen. „Klar, musst du sogar! So können wir dich sowieso nicht mitnehmen.“ In der Wohnung (zu der ihr noch einen ausführlicheren Beitrag bekommt) haben die anderen Mädchen schon alte Kleider raus gehängt. Ich ziehe eine schwarze Leggins mit einer langen, weiten Stoff-Tunika (Punjabi) an. Als letztes bekomme Ich noch einen schwarzen Chunni; einen langen, leichten, breiten Schal. Dessen Enden werden jeweils über eine Schulter geworfen so dass die Enden lang am Rücken hinunter hängen und leicht hinter einem herschweben wenn man läuft. Vorne muss der Chunni so tief hängen das er möglichst gut die Brust versteckt, da Punjabis immer noch erahnen lassen dass man den Körperbau einer Frau hat.

Regel Nummer 1: Trag immer ein Chunni.

Das Essen mit den anderen Volos (insgesamt sind wir 10) war super lecker: es gab Naan und Butter-Naan und dazu eine Curry-Linsen-Soße mit Käse. Der Käse war aber in Würfeln, ist nicht geschmolzen und schmeckte wie Tofu. Halt irgendwie kein Käse aber trotzdem lecker. Etwas schwerer zu genießen war der Akt des Essens an sich: Chunnis sind super unpraktisch. Dennoch wird aber verlangt (von allen Leuten) dass du ein Chunni trägst sobald du nicht mehr zuhause chillst. Die Sache ist nur das diese Chunnis gerne in irgendwas reinhängen oder von der Schulter rutschen. Ladys, man muss diese Dinger ungefähr so oft richten wie ein schlecht-sitzendes, schulterloses Ballkleid. Dafür kann man sich mit ihnen auch den Schweiß vom Gesicht wischen was irgendwie eklig, aber sehr praktisch und notwendig ist.
Am nächsten Tag gehen wir Mädels shoppen damit Sophia und Ich eigene Kleider haben und nicht die ganzen alten, ausgewaschenen Klamotten der vorherigen Volontäre tragen müssen. Wir gehen zwanzig Minuten an der großen Straße vorbei, überqueren den Kanal des Krishna-Flusses… und stehen plötzlich in einer komplett überfüllten Einkaufsgasse. Bettler, Essensstände, schreiende Verkäufer, Kinder, Frauen und Männer tummeln sich zwischen den grell beleuchteten Läden in denen man die buntesten, mit Prunk und Perlen bestickten und extravagantesten Stoffe und Kleider bewundern kann die Ich je gesehen habe. In einen der Läden für Kleider gehen wir rein. Die untere Etage ist für Männer die sich hier alles nach Maß schneidern lassen können, vom Hemd bis zum Anzug. Das Stockwerk darüber bietet uns Punjabis und Salwar-hosen jeglicher Farben und Muster an. Salwar-hosen sind weite One-Size Stoffhosen die mit einem Bund auf der Taille zusammengeschnürt werden. Natürlich sind alle Klamotten aus festem aber dünnen Baumwollstoff. Ich kaufe eine knall gelbe Salwar-hose und eine weitere Salwar-hose in kräftigem Pink. Dazu bekomme Ich 3 Punjabis die  wild gemustert in grün, orange und braun sind. Das alles kostet, weil es ja auch ein guter Laden ist, 1320 Rps.,das sind 16,5 €. Da es auch schon langsam dunkel wird machen wir uns auf den Heimweg, davor kaufe Ich noch zwei Chunnis für je 1,50 € im gleichen Farbton wie meine Hosen, da…

Regel Nummer Zwei: Deine Hose/Leggins müssen immer die gleiche Farbe haben wie dein Chunni.

Weil der Weg zurück doch etwas länger ist nehmen wir uns zu sechst eine Riksha für 40 Rps und beten dass niemand zu nah an uns vorbeifährt weil der Po einer Volontärin aus der Riksha schaut. Rikshas sind sehr klein. Klassisch holen wir uns noch einen Chai. Chai wird hier in Art Shotgläsern serviert, kochend heiß und sehr süß. Mit der Vielfalt der Gewürze bildet sich ein atemberaubender Geschmack. Nach dem Abendessen gehen wir noch einen Fru-juice trinken (Smoothies mit Eis und Krümeln). Auf dem Weg zupft mich eine Mitvolontärin am Arm. „Man sieht deinen BH-träger.“ Das ist eine Todsünde.
Regel Nummer Drei: Pass immer auf dass man deine BH-Träger nicht sieht.
Die anderen Volontärinnen haben mir noch weigere Regeln eingebläut. Hier ein paar weitere Regeln die aber den Rahmen sprengen würden:
Regel Nummer Vier: Zeig niemals deine nackten Beine, inklusive Knöchel. Das gilt auch wenn du schwimmen gehst, man schwimmt in Punjabi und Leggins. Dafür darf man beim Schwimmen den  Chunni ablegen und die Haare aufmachen (super geil).
Regel Nummer Fünf: Haare müssen immer streng nach hinten gebunden sein, Bonuspunkte gibt es für Flechtfrisuren.
Regel Nummer Sechs: Die Kleidung muss sauber sein. Das bedeutet wenn ein Kleidungsstück einen Fleck, ein Loch, einen Riss hat oder ausgewaschen ist dann muss man es wegschmeißen. Stopfen gilt nicht.
Zusatzregel für Männer (Männer tragen natürlich keine Chunnis etc): Männer müssen das ganze Jahr über lange Stoffhosen tragen, die unseren europäischen Stoffhosen sehr ähnlich sind (auch bei Temperaturen bis zu 45 Grad). Das ist wohl die Rache der Frau für die Chunnis.
Und kleiner Nebenfakt: Es gibt keine Waschmaschine. Alles wird von uns selbst per Hand gewaschen. Weiterer kleiner Nebenfakt: man wird darauf angesprochen wenn man diese Regeln bricht. Die Mädchen hören ein „You can go home now and change if you want to.“ wenn sie stinken- oder ein „Please dress proper.“ Wenn sie eine Regel 1-6 brechen, wobei man dann aber selbst rausfinden darf welche Regel man jetzt genau gebrochen hat. Die Eigenart Kritik durch die Blume auszudrücken wird allerdings nur den Mädchen entgegen gebracht. So sagte der Fahrer des Projekts zu einem meiner Mitvolontäre (der in Jogginghose rumlief): „You look less handsome every day.“
Danke für`s Lesen und bis bald!
Eure Lilli

Previous

In neun Stunden um die Welt- meine Reise!

Next

Das Leben in Gemeinschaft

1 Comment

  1. Jessica Schäfer

    Hallo liebe Lilli,
    sehr spannend, was Du alles schreibst. Und man kann es sich super gut bildlich vorstellen! Freue mich auf mehr👍🏻
    Liebe Grüße, auch von Jürgen, aus dem kleidungstechnisch total unkomplizierten Nordholland 😊
    Jessica

Leave a Reply

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kommentarformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an info@donboscomission.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Powered by WordPress & Theme by Anders Norén