Für mehrere Wochen vor meiner Abreise habe ich mich voller Aufregung bei jedem am Himmel sichtbaren Flugzeug gefragt, auf was für eine Art von Reise es für die Reisenden wohl ging. Am Freitag war dann für mich der große Tag: Vor exakt einer Woche ging es für meine drei deutschen Mitfreiwilligen (Victor, Yannick und Nico) und mich von Frankfurt aus nach Madrid, um dann schlussendlich nach einem 11-stündigen Nachtflug in Santa Cruz de la Sierra anzukommen, der mit fast 2 Mio. Einwohnern am meisten bevölkerten Stadt Boliviens.
Es wird vermutlich keinen Moment in meinem Leben gegeben haben, in dem ich mich orientierungsloser fühlte als bei der Ankunft an diesem Flughafen eines für mich komplett neuen Ortes, den ich noch nie betreten hatte.
Etwas gemindert wurde das Gefühl, als unser Mentor Paolo uns am Eingang des Flughafens „Viru Viru“ freundlich empfing. Als es im Pickup für mich keinen Anschnallgurt gab, habe ich, ganz deutscher Natur, natürlich sofort nachgefragt. Tatsächlich sei Anschnallen hier eher weniger üblich, so unser Mentor. Diese Mentalität spiegelt sich zum Teil auch im Verkehr wieder, von vielem Gehupe bis hin zu unerwarteten Spurwechseln ist hier alles dabei, und möchte man über den Zebrastreifen gehen, so kann man hier mit Pech auch mal 10 Autos abwarten.
Das Klima ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Abgesehen von unserem ersten Tag, an dem es relativ kalt und windig war, sind tagsüber Temperaturen von bis zu 35* nicht unüblich. (Ich weiß nicht, ob ich später überhaupt noch das Haus verlasse, wenn das hier erst der Winter ist :,)). Ganz dem deutschen Ruf der Jahreszeit entsprechend war das Wetter allerdings an unserem ersten Tag. Als Paolo uns nämlich zum Frühstück in einem kleinen Salteña-Laden einlud, war es so kalt, und vor allem so windig, dass leere Teller und Besteck einfach vom Tisch geweht wurden. Salteñas sind eine bolivianische Spezialität: Teigtaschen mit einer stabilen Kruste, die mit einer Art Suppe gefüllt sind. Gängig sind hier Füllungen mit Hühner- und Rindfleisch. Fleisch wird hier scheinbar ziemlich oft gegessen, wenn man nach den vielen kleinen Geschäften am Straßenrand urteilen kann.
Die Jungs und ich sind auf einem etwas größeren, ummauerten Grundstück an der Straße untergebracht. Hier befindet sich ein zweistöckiges Haus mit Küche, Wohnzimmer und einigen Wohnungen im Obergeschoss, welches von zwei anderen Bungalows mit mehreren Zimmern umgeben ist. In einem davon habe ich mein Zimmer. Direkt ins Auge gestochen sind mir natürlich die zwei kleinen Papaya-Bäumchen, die es an einer Hauswand gibt. Ich werde demnächst mal nachforschen, ob sich die auch essen lassen. Bis vor zwei Tagen waren wir vier die einzigen Bewohner des Grundstücks, jedoch ist gestern ein junger Freiwilliger aus Polen von seiner kleinen Reise zurückgekehrt. Laut ihm hat es hier vor einigen Monaten noch 15 Freiwillige gegeben, von denen 11 hier gelebt haben sollen. Ich kann mir irgendwie gar nicht vorstellen, wie das hier mit so vielen Leuten wäre. In den nächsten Tagen kommen für kurze Zeit aber noch zwei weitere Reisende zurück, bei denen kann man sich dann ja bestimmt darüber erkundigen.
Unsere Unterkunft gefällt mir wirklich gut, auch die Lage ist echt praktisch. Direkt nebenan gibt es einen großen Markt, wo sich von Gemüse und Obst bis hin zu Putzsachen alles auch relativ preiswert finden lässt. Und selbst wenn nicht: Ungefähr 10 Minuten zu Fuß von hier gibt es einen sehr großen Supermarkt, welcher wirklich alles hat, was man brauchen könnte.
Wer sich fragt, wie wir uns hier aus unserem Fußgängerradius hinausbewegen wollen, dem kann ich sagen, dass es hier ein System gibt, welches ich persönlich besser finde als unseren hvv in Hamburg. Auch wenn Taxis hier vielleicht weniger vertrauenswürdig sind, so gibt es hier die Micros: Kleine Busse, welche bestimmte Linien abfahren und sehr regelmäßig kommen. Da es keine Haltestellen gibt, streckt man einfach vom Straßenrand aus den Arm aus, der Fahrer hält, und man steigt ein. Die Fahrtkosten belaufen sich auf etwas über zwei Bolivianos pro Person, das sind umgerechnet ungefähr 20ct, die man dem Fahrer schon bei der Weiterfahrt in die Hand drückt. Wenn man aussteigen möchte, ruft man einfach, und der Fahrer hält. Direkt vor unserem Haus fahren verschiedene Linien, einige davon haben uns schon das eine oder andere Mal ins Stadtzentrum oder in andere Viertel gebracht. In der ersten Woche, die wir jetzt hier waren, haben wir schon einige Teile der Stadt erkunden können. Manche Ecken erinnern mich an Südostspanien, andere sind für mich ganz neu gewesen. Ein paar Bilder findet Ihr unten. Was mir aber auch aufgefallen ist, ist die Anzahl von Kindern, die man hier arbeiten sieht. Zum Beispiel haben wir schon manchmal Kinder herumlaufen sehen, die Süßigkeiten oder ähnliche kleine Artikel vermarkten wollten, beispielsweise im Restaurant. Auch an den vielen Ständen der Märkte halten oftmals Kinder und Jugendliche die Stellung.
Neben unseren Erkundungstouren in unserer Freizeit durften wir aber auch schon Erfahrungen im Projekt machen.
Das Projekt Don Bosco hier in Santa Cruz setzt sich aus vier Einrichtungen zusammen, die für verschiedene Zielgruppen eingerichtet sind. Ziel ist es, den Kindern und Jugendlichen ein geregeltes Leben mit Pflichten sowie Freizeit zu ermöglichen und sie langsam ins Erwachsenenleben einzugliedern.
Das Hogar Don Bosco ist die größte der Einrichtungen. Hier sind jene untergebracht, die auf der Straße gelebt haben oder aufgrund ärmlicher Familienverhältnisse oder Missbrauchs vom Jugendamt von ihren Familien getrennt wurden. Ungefähr 90 Jungen im Alter von 6-17 Jahren leben im Hogar und werden hier betreut. Hier arbeiten auch Victor und Yannick.
Im Techo Pinardi, einem Haus nahe des Stadtzentrums, werden einige Jungen begleitet, welche ebenfalls auf der Straße gelebt und auch Erfahrungen mit Drogenmissbrauch gemacht haben. Auch ihnen werden hier Möglichkeiten zur Bildung geboten, sowie Begleitung bei psychischen Problemen. Hier wird Nicos Arbeitsplatz sein.
Im Mano Amiga sind größtenteils Mädchen, aber auch einige Jungen im Alter von 5-13 Jahren untergebracht. Hier habe ich schon einige Tage verbringen dürfen und freue mich auf die noch kommende Zeit. Meine Aufgabe ist es, bei Hausaufgaben zu unterstützen sowie den Putzarbeiten etc. beizuwohnen. Es gibt auch sehr viel Zeit, mit den Kindern zu spielen und zu reden, wenn auch mein noch nicht ganz so ausgereiftes Spanisch mit dem Genuschel mancher Kinder noch nicht ganz mithalten kann.
Gewöhnungsbedürftig ist auch, bei praller Hitze getickt zu werden und ums „Mancha“-spielen gebeten zu werden, was sich letztenendes als gewöhnliches Fangspiel entpuppt hat.
Auf die nächsten Monate in der Einrichtung freue ich mich schon sehr, und bin gespannt, was für Spiele wir uns noch ausdenken werden.
Etwas weiter abgelegen liegt noch das Barrio Juvenil, eine Art Ausbildungsstätte für Jugendliche und junge Erwachsene von ca. 15-22 Jahren, die hier auf das Berufsleben vorbereitet werden können. Die Einrichtung haben wir bislang aber noch nicht besucht. Allgemein gibt es hier natürlich sehr viel, was wir in unserer ersten Woche noch nicht erkunden konnten. Jeder Tag ist dennoch sehr spannend und ich freue mich schon, in nächster Zeit noch mehr von der Stadt zu sehen.
Nun, ich hoffe, mein erster Blogeintrag hat schonmal gute Einblicke ermöglichen können. Nach einiger Zeit in der Einrichtung werde ich auch nochmal genauer über das Projekt und unsere Arbeit berichten können, sowie auch mehr von unserer Umgebung zu erzählen haben. Einige Fotos findet ihr noch unten, viel Spaß beim Durchscrollen, bis bald!!






Melissa Karow
¡Hola Mariana!
Wie toll – jetzt weiß ich auch endlich, was du so die ganze Zeit schon treibst ;).
Nun, es scheint, als könntest du die Zeit dort genießen, das freut mich sehr!
Vergiss Hamburg nicht und all die tollen Menschen, die es hier auch noch gibt.
Hab eine wundervolle Zeit und spiel schön mit den Kindern – bleib pädagogisch!
Bis denne,
Melissa (lebt in Hamburg und ist eine alte Bekannte von dir).
marianawakil
Liebe Melissa (ja, bei dem Namen klingelt was),
wie könnte ich das wundervolle Hamburg nur jemals vergessen. Ich glaube, von der Pädagogik her mache ich mich gar nicht mal so schlecht, aber das müssten Sie natürlich besser wissen als Studentin.
Liebe Grüße
Mariana