Hannah in Sambia

"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht"

Das Oratorium – hier ist Platz für jeden

Heute stelle ich euch meinen zweiten großen Arbeitsbereich neben der Schule vor. Während die Schülerinnen und Schüler am Nachmittag nämlich im Unterricht sitzen, sind Rosa und ich von Dienstag bis Samstag jeweils zwischen 14.30 Uhr und 17.30 Uhr im Oratorium. Hier kommen Kinder und Jugendliche hin, um am Nachmittag gemeinsam zu spielen, zu tanzen oder Sport zu treiben. Jeder Tag im Oratorium endet mit einem Abendimpuls, um den Tag abzuschließen. Wenn also – mal mehr mal weniger pünktlich – die großen Musikboxen aus dem Büro geholt werden, um die Nachbarschaft im Radius von 3 km zu beschallen, weiß wirklich jeder in der Umgebung – ob er will oder nicht – dass bei Don Bosco Oratoriums-Zeit ist.

Die älteren Jugendlichen sind in sogenannten Clubs organisiert. Es gibt also feste Gruppen, die jeden Tag Fußball, Basketball oder Billard spielen, Karate machen oder Gewichte heben. Meistens werden diese Kleingruppen von ein oder zwei älteren Mitgliedern angeleitet. Die Fußballmannschaft tritt an den Wochenenden sogar gegen andere Teams an.

Die Kinder sind dagegen noch nicht in solchen Clubs, sondern kommen zum freien Spielen ins Jugendzentrum. Unsere Aufgabe besteht in diesem Zusammenhang darin, bei den Kindern zu sein und verschiedene Spiele anzuleiten. Die größte Herausforderung ist dabei die Sprachbarriere. Viele Kinder, die ins Oratorium kommen, stammen aus eher armen Verhältnissen. Oftmals fehlt den Familien das Geld, um sie zur Schule zu schicken. Daher können Rosa und ich im Oratorium kaum auf Englisch kommunizieren. Wir schlagen uns mit den drei Brocken Bemba durch, die wir dafür gelernt haben oder bitten jemanden, unsere Erklärungen zu übersetzen. Auch aus diesem Grund besteht unser Bemba-Wortschatz bisher vor allem aus Floskeln wie “Wie heißt du?” und “Wie gehts es dir?”, dicht gefolgt von “Hör auf”, “Mach keinen Lärm”, “Setz dich hin”, “die Zeit ist um” und “Geh nach Hause, wir sehen uns morgen wieder”. Die Kinder sind übrigens die besten Bemba-Lehrer und bringen uns gerne neue Wörter und Sätze bei.
Ich möchte kein Geheimnis daraus machen, dass die Arbeit im Oratorium in vielerlei Hinsicht anstrengend ist. Die Lautstärke und die schiere Anzahl der Teilnehmer ist wahnsinnig groß. Die Verständigungsprobleme machen es nicht ganz einfach, ein neues Spiel anzuleiten – ganz zu schweigen von einigen Kindern, die vor lauter verzweifelter Suche nach Aufmerksamkeit und Zuwendung (und sei sie noch so negativ) nur mitmachen, um den Ablauf zu stören. Außerdem mangelt es an Material, um wirklich allen eine sinnvolle Spielmöglichkeit zu bieten. Es gibt ein paar kaputte Fußbälle, ein Springseil, einige Tennisschläger und dazugehörige Bälle, zwei Kartenspiele, einige Puzzle und ein Memoriespiel, wo die Hälfte der Teile fehlt sowie zwei Kickertische und einen Turnkasten, die einem Haufen Sperrholz ähneln. Beim ersten Mal war das ziemlich ernüchternd, ab dem zweiten Tag eine Herausforderung, die wir mit Hilfe der Kinder gerne annehmen.

 

Es kommt eben einfach nur auf die Perspektive an. Es gibt unzählige Spiele, die man ohne Materialien, ein abgestecktes Spielfeld oder spezielle Ausrüstung spielen kann: Angefangen bei diverse Klatschreimen über alle erdenklichen Fang- und Versteckspiele bis hin zu stille Post oder Reise nach Jerusalem (Stühle gibt es ausnahmsweise im Überfluss).

 

Außerdem kann man die kleinen Kohlestücke vom Boden aufsammeln und damit auf den betonierten Flächen wie mit Kreide malen. Plastikdeckel von Wasserflaschen lassen sich prima als Spielsteine für “Mühle” oder “4 gewinnt” benutzen. Ein Pullover lässt sich so zusammenknoten, dass man ihn als Ball für Spiele mit Abwerfen nutzen kann und ein Fußballtor kann man auch mit Schuhen oder einem Stein kennzeichnen. Wir haben hier gefühlt schon alles gesehen, sogar eine Libelle die die Kinder an einen Faden gebunden haben, um mit ihr zu spielen. Von der gähnenden Leere des Spieleregals lässt sich so schnell niemand abschrecken und trotz wenig Ausstattung haben die Kinder und wir jeden Nachmittag so viel Spaß beim gemeinsamen Spielen. Es ist schön, gerade die Kinder lachen und toben zu sehen, die sonst mit dem Verlust der Eltern oder anderer Familienmitglieder, der Arbeit in der Manganerz-Mine oder dem finanziell unmöglichen Schulbesuch ein großes Päckchen zu tragen haben.

 

Mich bereichern diese 3 Stunden täglich und es beeindruckt mich immer wieder, wie viel man aus fast nichts machen kann. Das stellten die Oratoriumsteilnehmer und andere Jugendliche aus Mansa zuletzt bei einer Talentshow eindrucksvoll unter Beweis. Das müsst ihr euch einfach selbst ansehen:

 

Außerdem haben wir im Jugendzentrum ein Wochenende lang ein Camp veranstaltet, bei dem Maria als wichtige Person in der katholischen Kirche und das Rosenkranzgebet im Mittelpunkt standen. Etwa 40 Kinder und Jugendlichen aus verschiedenen Kirchengemeinden, die zu unserer in Mansa gehören, sind von Freitag bis Sonntag zu uns gekommen, um gemeinsam zu beten und etwas über Maria zu lernen – dabei ist natürlich auch der Spaß nicht zu kurz gekommen.  Rundum haben wir ein wirklich tolles Wochenende gemeinsam verbracht und selbst die Nachtschichten, die wir Volontäre uns untereinander aufgeteilt haben, damit immer ein Ansprechpartner für die Mädchen in unmittelbarer Nähe des Schlafraums ist, konnten unsere Stimmung nicht trüben. Auch hier sprechen Bilder wahrscheinlich mehr als 1000 Worte.

Liebste Grüße aus dem mittlerweile recht wechselhaften Mansa – langsam merkt man am Wetter, dass bald die Regenzeit bevorsteht. Ebenso wie die Mango-Saison *lecker*
Hannah

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  1. Thomas Frenzel

    Hallo Hannah,
    toller und interressanter Bericht, den Du da geschriebne hast!
    Durch die Bilder und Videos wird alles sehr anschaulich.
    Dass die Arbeit im Oratorium anstrengend ist, kann ich mir gut vorstellen, aber auch, dass man durch die Freude und Offenheit der Kinder und Jugendlichen viel zurückbekommt.
    Die Erfahrung, mit wenig vorhandenen Mitteln etwas auf die Beine zu stellen, wirst Du in Afrika noch öfter machen. Das ist eine Kunst, die erfinderich und sehr kreativ macht. An der Fähigkeit mangelt es Dir aber denke ich nicht.
    Ich wünsche Dir weiterhin eine schöne und erlebnisreiche Zeit sowie eine lange Mango-Saison!
    Liebe Grüße aus dem herbstlichen Frankfurt
    Thomas

    • Hannah Kurtze

      Dankeschön 🙂 Ich freue mich, dass ihr meinen Blog so intensiv verfolgt 🙂 Grüße nach Frankfurt!

  2. Martin Kurtze

    Hey Hannah!

    Ich finde diese Idee mit den Videos echt super, gerne mehr davon!
    Wie viele Kinder und Jugendliche sind denn an einem normalen Wochentag so durchschnittlich im Oratorium, und mit welchem „Betreuerschlüssel“ arbeitet ihr mit den Besuchern? Kommen da auf jeden Freiwilligen 20 Kinder oder sogar noch mehr?
    Ich war mit den Deutschen aus meinem Hort damals ja schon echt gut beschäftigt:)
    Ansonsten fände ich ein paar Sätze zur Minenarbeit wirklich sehr interessant, was erzählen die Kinder darüber?

    Liebe Grüße aus Halle,
    Dein Brüderchen

    PS: Ich weiß, dass du VWL gerne mal hörst. Eventuell kennst du ja sogar „Kafka Luise“ und „Hellersdorf“, zwei Titel, die nur auf YouTube und nicht auf Spotify zu finden sind. Wusstest du allerdings, dass es einen „geheimen“ Song dieser Band gibt? Er heißt „Wann fängst du an?“ und ist ebenfalls auf YouTube, hat allerdings vergleichsweise sehr wenig Aufrufe… Lohnt sich da mal reinzuhören!

    • Hannah Kurtze

      Hey Martin,

      das ist ganz unterschiedlich. Ich würde mal schätzen, dass an einem gut besuchten Wochentag schon so locker 100-150 Kinder kommen (von den kleinen beim freien Spielen). Das hängt aber oftmals auch vom Wetter ab. Genauso ändert sich auch der Betreuungsschlüssel ständig. Wenn alle da sind, sind wir für die kleineren 6-7 Leute, es gab aber auch schon Tage, wo eben einige Youth Leader und/ oder Volontäre nicht konnten und dann kann es (wenn es ganz dumm kommt) auch mal sein, dass nur 2 da sind.
      Zu der Arbeit in der Mine kann ich bisher noch nicht viel sagen. Die Kinder erzählen davon nicht von sich aus und wir fragen auch nicht unbedingt nach. Ich denke auch, dass das Oratorium ein Ort sein sollte, an dem sie damit nicht ständig konfrontiert werden. Dann ist da natürlich noch zusätzlich die Sprachbarriere…

      Viele Grüße nach Halle
      Dein Schwesterchen

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