Vor mehr als 6 Wochen bin ich in Vijayawada, in Indien gelandet. In der Stadt, in der ich nun noch mehr als sechs Monate verbringen werde. Kaum zu glauben, dass die Zeit jetzt schon so schnell dahinfliegt.

Alles ist neu und komplett ungewohnt, einfach anders als alles, was man bisher kennt. Sehr erstaunlich trotzdem, wie schnell ich mich an das Neue gewöhnt habe. Es ist nun unvorstellbar, wie es ist, wenn man nicht mehr auf der Straße von etlichen Menschen anguckt und angequatscht wird, oder wenn keine Hunde und Kühe auf den Straßen herumlaufen, oder wenn nicht alle drei Sekunden eine Hupe ertönt. Alles ist ein wenig so, wie ich es mir vorstellt habe, nur natürlich noch viel intensiver, sobald man wirklich mitten drin steckt.

Ich wohne in einer Flat mitten in der Stadt mit sieben (bis vor Kurzem noch mit acht) anderen Volontär:innen aus Deutschland und Österreich. Durch diese Wohnkonstellation wurde ich nicht komplett ins kalte Wasser und nicht komplett alleine in eine neue Kultur zwischen lauter neuen Menschen mit anderen Lebensvor- und -einstellungen geschmissen. Meine Mitbewohner:innen haben mir den Anfang deutlich leichter gemacht. Es ist eine sehr schöne Gemeinschaft in unserer Flat. Wir machen gemeinsame Fahrradausflüge, setzen uns an freien Nachmittagen ins Cafe oder spielen abends mit einer Tasse Tee Wizard und quatschen noch bis tief in die Nacht.

Aber nochmal zum Anfang. Schon vor meiner Ausreise ging es spannend los: Mein Reisepass inklusive Visum ist in der Post verloren gegangen. Ich werde nicht ausreisen können… Dachte ich. Nur ein Tag vor meinem Flug aber habe ich einen ein Jahr lang gültigen neuen Reisepass beantragt. Damit und mit meiner ganzen Family bepackt bin ich dann nach München ins Konsulat gefahren, um dort mein Visum erneut zu beantragen. Es war ein stundenlanges Zittern, ob das irgendwie noch funktionieren wird…. Nicht einmal 20 Stunden vor meinem Abflug konnte ich dann aber tatsächlich endlich mein Visum in den Händen halten. Ein so erleichterndes Gefühl hatte ich selten.

Das Projekt, in dem ich von nun an arbeite, heißt Navajeevan – übersetzt Neues Leben. Es ist unterteilt in viele unterschiedliche Projekte. Unterkünfte für Kinder und Jugendliche, Arbeit in Communities (=Slums) und in Bridge Schools (hier wird die Schule durch Teacher in die Communities gebracht, damit die Kinder ihre Familien nicht verlassen müssen). Weil es so viele unterschiedliche Projekte gibt, in denen wir arbeiten, habe ich mir erstmal alle einmal angeschaut und bin also jeden Tag in ein anderes Projekte gegangen, meist mit meinen Mitvolos aus der Flat. Diese sind schon alle seit August oder Mitte September hier. Ein Projekt ist beispielsweise das Chiguru – das erste Projekt, das ich besucht habe. Es ist ein Hostel für fast hundert Jungs und Mädchen. Im Vergleich zu anderen Projekten liegt es eher am Rande der Stadt im Grünen – zwischen Palmen und neben dem Krishna River. Im Chiguru sind Kinder, die von der Straße aufgesammelt wurden, Waisenkinder oder auch Kinder, deren Eltern es nicht finanzieren können, ihr Kind großzuziehen. Von dort aus gehen die Kinder dann zur Schule. Wenn wir dort sind, spielen, toben und tanzen wir oder malen auch mal Henna. Das kann mit so vielen Kindern auch mal ein weeenig anstrengend sein. Denn die Hälfte hat Lust auf das eine, die andere wiederum auf etwas ganz anderes, und der Rest hat gar keine Lust. Und – alle wollen mal an deine Hand (vor allem die Mädchen). Trotz allem ist es immer toll die Freude und Aufgewecktheit der Kinder zu sehen. Ein weiteres Projekt ist der Open Shelter. Ein großer Raum – mit ein paar wenigen Nebenräumen, wie Bad, Büro oder Lagerraum -, wo um die 10 Jungs wohnen. Es ist ein Übergangsprojekt, in dem die Jungs, nachdem sie direkt von der Straße „aufgesammelt“ wurden, wohnen können, während sie registriert werden. Erst dann können sie in ein Projekt wie das Chiguru, um von dort aus in die Schule gehen zu können. Vorgesehen ist, dass die Jungs höchstens zwei Monate im Shelter wohnen, weil es sich natürlich nicht so positiv auf die Entwicklung auswirkt, wenn die Kinder zu lange in nur einem einzigen, auch eher dunkleren Raum, leben. Schlafen, essen, lernen, spielen. Denn nur ca. zwei Mal im Monat kommen die Jungs raus, um z.B. ein wenig Gartenarbeit zu machen. Leider dauert die Registrierung allerdings oft zu lange, sodass manche nun schon ungefähr ein halbes Jahr dort leben…

Das Projekt, in dem ich nun arbeiten werde, ist das Vimukthi. Es liegt ca. eine Stunde Busfahrt außerhalb der Stadt. Das Vimukthi ist eine Einrichtung für Jungs, die in der Vergangenheit Kontakt mit Drogen hatten. Sie haben entweder welche verkauft bzw. wurden dazu gezwungen sie zu verkaufen oder waren sogar selbst abhängig. Es leben dort um die 20 Jungs, der Jüngste ist ca. acht Jahre alt, der älteste Ende 20. Weil das Projekt noch sehr neu für mich ist, werde ich in den nächsten Wochen ausführlicher davon erzählen.

Die letzten Tage habe ich in Hyderabad verbracht. Hier haben wir zu zehnt – alle Volos, die über Don Bosco Volunteers in Indien sind – mit zwei Betreuern, die uns auch schon in Deutschland auf das Jahr bzw. meine acht Monate vorbereitet haben, über unsere Erlebnisse in Indien gesprochen. Obwohl ich erst etwas mehr als einen Monat – und nicht wie die anderen schon ca. fünf Monate – in Indien bin, war es toll, sich so intensiv über alles auszutauschen. Wir haben über unsere bisherigen Erfahrungen gesprochen, über die indische Kultur, über unsere Probleme und Bedenken und uns gegenseitig Tipps gegeben. Und natürlich auch ein bisschen Hyderabad besichtigt.

Jetzt sind wir auch schon zurück in Vijayawada. Am Sonntag werde ich mit Zora – eine meiner Mitvolos – ins Vimukthi fahren und dort bis Dienstag Nachmittag bleiben. Wir fangen nun fest an für zwei Tage die Woche dort zu arbeiten. Zum Rest meiner Woche bald mehr.

Konkrete Erlebnisse kommen dann in den nächsten Blogeinträgen 🙂

Bis bald,

Lice

An dieser Stelle möchte ich um Deine Spende bitten. Damit unterstützt Du jedes einzelne Projekt von Navajeevan Bala Bhavan, in denen die Kinder von klein auf bis ins College den Zugang zu Bildung und einer Betreuung bekommen und ihnen somit eine Zukunftsperspektive geschenkt wird. Außerdem wird dadurch auch garantiert, dass weiterhin Auslandsfreiwilligendienste stattfinden können. 

Ich freue mich sehr über jede einzelne Spende.

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