Erstmal tut es mir leid, dass ihr so lange auf diesen Eintrag warten musstet, die Zeit vergeht wirklich wie im Flug! Zwei Monate bin ich nun hier und inzwischen hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Wie die aussieht, erfahrt ihr gleich, aber erst möchte ich euch unsere Einsatzstelle kurz allgemein vorstellen.
Das Centre Don Bosco
Also: Hier in Kara gibt es das Centre Don Bosco, das eine Schule (von der 7. bis zur 13. Klasse), ein Ausbildungszentrum (Schreiner-, Maurer-, Schweißer- und Elektrikerausbildung) und ein Internat für die Schüler beherbergt. Außerdem befindet sich die Salesianergemeinschaft, in der wir mitleben dürfen, auf dem Campus.

Das Centre Don Bosco befindet sich am Stadtrand im Viertel Kpélouwaï.
Das Foyer Immaculée Conception und das Foyer Jean-Paul II
Unsere Haupteinsatzstelle hingegen befindet sich in einem anderen Viertel namens Dongoyo. Dongoyo liegt ziemlich zentral, unweit vom „Ancien Marché“, also dem Alten Markt.
Wir sind dort in den Foyers (Kinderheimen) eingesetzt. Das „Foyer Immaculée Conception“ ist das Jungenheim. Momentan wohnen dort etwa 35 Jungen im Alter von 7 bis 22 Jahren.



Das Mädchenheim ist nach Togos Nationalheiligen Johannes Paul II benannt. Warum er Togos Nationalheiliger ist, weiß ich nicht, da müsst ihr Google fragen. Jedenfalls leben zurzeit 14 Mädchen im Alter von 9 bis 19 Jahren im „Foyer Jean Paul II“.
Mehr Jungen als Mädchen
Warum es so viel mehr Jungen als Mädchen sind? Das liegt daran, dass ein Großteil der Kinder Straßenkinder sind und davon wiederum ein Großteil Jungen sind. Da Mädchen auf der Straße schnell zu Prostituierten und daher geächtet werden, während Straßenjungen andere kleine Arbeiten finden und dadurch gesellschaftlich akzeptierter sind, ist bei Mädchen die Hemmschwelle, auf die Straße abzuhauen, größer. Ihr Leid ist oftmals weniger offensichtlich, weshalb auch weniger ins Foyer kommen.
Gründe, weshalb Kinder auf der Straße leben
Egal ob Jungen oder Mädchen, die Gründe, weshalb die Kinder auf der Straße landen, sind vielfältig. Manche sind aufgrund der extremen Armut oder aufgrund von Gewalt von zuhause weggelaufen. Andere sind Waisenkinder oder wurden von ihren Eltern verlassen. Wieder andere werden bezichtigt, Schwarze Magier zu sein und wurden von ihrer Familie oder ihrer Dorfgemeinschaft verstoßen.
Andere Gründe, weshalb Kinder ins Foyer kommen
Nicht alle Kinder kommen von der Straße zu uns. Manche von ihnen wurden direkt aus ihren Familien genommen. Gründe dafür können Zwangsheirat, Gewalt oder extreme Armut sein. Einige Kinder waren zuvor in anderen Einrichtungen und sind anschließend zu uns gewechselt. Dann gibt es noch Jugendliche, die im Gefängnis waren und nach Beendigung ihrer Haft keinen Ort haben, an den sie zurückkommen können.
Soweit also zu den Hintergründen der Kinder und Jugendlichen. Nun also zu unserem Alltag.
Am Dienstag Dienst
Unsere Arbeitswoche beginnt am Dienstag. Passt doch: Dienstag ist der erste Diensttag der Woche.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Um 5:10 Uhr wache ich auf, denn um 5:30 Uhr beginnt das Morgengebet, zu dem Gladys und ich tatsächlich hingehen. So früh aufzustehen fällt mir alles andere als leicht, aber hinterher bin ich dann doch immer froh, es gemacht zu haben. Das Gebet besteht aus zwei Teilen: der Meditation und der anschließenden Messe mit integrierter Laudes.

Nach der Messe gibt es Frühstück. Genau wie in Lomé sieht das Frühstück hier sehr europäisch aus: Brot (ein bisschen wie Milchbrötchen) mit Marmelade oder Nutella, Bananen und Orangen, manchmal sogar Rührkuchen. Und an Festtagen, wie z.B. dem Geburtstag eines Salesianers, gibt es tatsächlich Croissants!
Wer möchte, kann auch die Reste vom Vortag essen und hin und wieder steht ebenfalls Boullie zur Auswahl, eine Art Maisbrei. Das ist das typische togoische Frühstück. Sehr sättigend, aber meiner Meinung nach schmeckt es nach nicht viel. Ganz anders als das sonstige Essen, aber dazu später mehr.
Getrunken wird Kaffee, Tee oder – Gladys und mein Favorit – Heiße Zitrone.
Ins Foyer oder nicht, das ist hier die Frage
Wenn neue Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, ins Foyer gekommen sind, fahren wir um acht Uhr mit Père Jonathan ins Foyer, um die Kinder zu beschäftigen. Dann lernen wir mit ihnen, um sie auf die Schule vorzubereiten. Sobald ihre Schuluniform und ihre Einschreibung in eine Schule fertig sind, gehen sie hin. Das dauert meist ein bis zwei Wochen.
Sind alle Kinder in der Schule, haben wir vormittags frei.
Bon appétit ! – Guten Appetit!
Kommen wir zu den wirklich wichtigen Dingen 😉, nämlich dem Essen:
Fürs Mittagessen fahren wir zum Centre zurück. Dort tischt unser Koch Fidèle immer richtig leckeres Essen auf. Besonders dankbar sind Gladys und ich für den Salat, den es jeden Tag als Vorspeise gibt. Über unsere Freude daran machen sich die Salesianer genauso lustig wie darüber, dass ausgerechnet wir als Deutsche beide keinen Alkohol trinken.

Die Basis des Hauptgerichts (mittags und abends) stellen Reis, dicke Bohnen, eine Kombination der beiden (genannt Watschi), Yams (frittiert, gekocht oder als Fufu gestampft und gedämpft), Pâte (Maisbrei, von der Konsistenz her wie Pudding) oder Spaghetti dar.
Dazu gibt es eine Soße, oftmals Tomaten- oder Erdnusssoße, mit Fisch, Fleisch oder Ei.Der Nachtisch besteht aus lauter leckeren Früchten, wobei mein absoluter Favorit die Ananas hier ist. Ich werde zu Hause nie wieder Ananas essen können…
Bon repos ! – Gutes Ruhen!
Meist sind wir um halb zwei fertig mit dem Essen. Bis vier Uhr haben wir Mittagspause. Diese Zeit nutzen wir für unseren Mittagsschlaf. Der ist aufgrund des frühen Aufstehens echt nötig und während der Mittagshitze kann man sowieso nicht viel anderes machen…
Au travail ! – An die Arbeit!
Nach der Mittagspause fängt die Arbeit für uns erst richtig an, denn um 16 Uhr fahren wir wieder zu den Kindern, die um diese Zeit Schulschluss haben. Dabei bin ich eine Woche bei den Mädchen, während Gladys bei den Jungs ist. Die Woche darauf wechseln wir.
Bis 17:30 Uhr sind zumindest die Grundschüler alle im Foyer eingetrudelt. Dann heißt es: „Ab in die Dusche!“ Das geschieht bei den Kleinen nur sehr widerwillig. Oft genug versuchen sie, sich zu drücken oder haben hinterher zwar einen nassen Kopf, aber trotzdem Sand in den Haaren. Kinder sind eben doch überall gleich.
Um 18 Uhr beginnt die Lernzeit. Während dieser Zeit sind wir besonders gefordert. Mit den Grundschülern machen wir Hausaufgaben, üben Lesen und Rechnen. Mit den älteren Schülern machen wir ebenfalls Hausaufgaben und lernen. Besonders Englisch ist gefragt, denn da können wir besser helfen als die anderen Erzieher, während wir bei togoischer Geschichte und Geografie ziemlich dumm dastehen.

Manche der älteren Schüler können ebenso wenig flüssig lesen wie die Kleinen, deswegen üben wir auch mit ihnen.
Beim Lernen lerne ich selbst übrigens mindestens genauso viel wie die Kinder. Ich weiß jetzt, wie man den Satz des Pythagoras, Ableitungen und imaginäre Zahlen auf Französisch erklärt, kann die wichtigen Städte Togos auf einer Karte einzeichnen und weiß, dass Lomé seit 1897 Togos Hauptstadt ist. Davor war es Aného (1887 – 1897) und davor Baguida (1884 – 1887).
Achtung Marmeladen-Mafia
Mit dem Abendessen um 20 Uhr endet die Lernzeit. Bei den Mädchen essen wir mit, bei den Jungs normalerweise nicht. Da sie so viele sind, ist es dort zu unruhig und man muss aufpassen, dass die „Marmeladen-Mafia“ nicht zuschlägt.
Kurze Erklärung: Bei den Jungs gibt es manchmal einen Klecks Marmelade (pur) als Nachtisch und nicht selten versuchen die 10- bis 12-Jährigen die noch Jüngeren mit einer Mischung aus Drohungen und Versprechungen dazu zu bringen, ihnen ihre Marmelade zu überlassen.
Insgesamt ist es faszinierend, was für riesige Portionen sogar die Jüngsten schon verdrücken. Und dann betteln sie noch bei denen, die nicht ganz so schnell essen. Père Jonathan hat uns erklärt, dass das daran liegt, dass viele Kinder durch ihre Zeit auf der Straße ihr Sättigungsgefühl verloren haben. Daher bekommen sie auch keine zweite Portion, selbst wenn sie danach fragen, denn sonst bekommen sie Bauchweh, weil sie zu viel gegessen haben.
Sowohl vor als auch nach jedem Essen wird ganz selbstverständlich ein Gebet gesprochen.
Zum Ausklang des Tages
Es wird gleich weitergebetet, denn auf das Abendessen folgt das Abendgebet: ein Psalm, eine Bibelstelle, Fürbitten und Danksagungen und die Segnung zum Schluss.Anschließend kommt das „Mot du soir“ („Wort des Abends“), welches eine kurze Ansprache, eine Geschichte oder einen Impuls zum Nachdenken darstellt.
Gute-Nacht-Geschichten
Bei den Mädchen haben wir eingeführt, dass danach eine Gute-Nacht-Geschichte gelesen wird.

Wir haben eine Reihenfolge ausgemacht, nach der jeden Abend eine von ihnen einige Seiten aus einem Buch vorliest und danach machen wir mit allen die Zusammenfassung von dem, was in der Geschichte vorkam und was man vielleicht auch daraus lernen kann. Zu Beginn war es noch ziemlich mühsam, weil die Mädchen weder das Vorlesen noch das Zuhören und Verstehen gewöhnt waren, doch das es wird mit jedem Tag besser.
Feierabend
Zwischen 21:45 und 22:15 Uhr (je nachdem, wie viele noch zum Père und mit ihm reden wollen) ist unser Arbeitstag dann zu Ende und wir fahren zurück ins Centre. Dort wärmen sich Père Jonathan und diejenige von uns, die bei den Jungs war, etwas zu essen auf.
Anfangs hatten Gladys und ich jeden Abend nach dem Essen Redebedarf, denn die Geschichten der Kinder, die sie oder auch Père Jonathan uns erzählen, sind echt heftig und auch unsere Erlebnisse des Tages mussten wir erst einordnen. Jetzt, nachdem sich eine Routine etabliert hat und wir besser mit den Geschichten umgehen können, dauert das Debriefing durchschnittlich nur noch zehn Minuten und nicht mehr eineinhalb Stunden.
Eine Freundschaft fürs Leben
Wenn ich abends ins Bett falle, tue ich das müde, manchmal nachdenklich, manchmal traurig und wütend, dass „unseren“ Kindern so schlimme Dinge widerfahren sind, doch eigentlich immer dankbar dafür, diese Erfahrung hier machen zu dürfen. Und noch dankbarer dafür, sie mit Gladys machen zu dürfen. 🥰
Mein „Zwilling“, wie die Salesianer sie oft nennen, ist mir in den letzten Monaten wirklich unglaublich ans Herz gewachsen! Kaum vorstellbar, dass wir uns vor unserer Abreise erst drei Tage live gesehen haben! Es ist jetzt schon eine tiefere, intensivere Freundschaft als mit so manchen Schulfreunden, mit denen ich in einer Klasse war. Eine wahre Freundschaft fürs Leben!
Deshalb an dieser Stelle ein ganz, ganz großes Dankeschön an dich, Gladys! Danke, dass du so ein wundervoller Mensch bist! Du bist meine absolute Comfort Person 🧸

Außerdem eine riesiges Dankeschön an alle, die bereits gespendet haben! Mit eurer Hilfe habe ich bereits über zwei Drittel der 3000 € zusammen. Das heißt aber auch, dass noch knapp ein Drittel fehlen. Daher freue ich mich weiterhin wirklich sehr über Spenden! Dafür braucht ich nur auf diesen Link zu klicken: https://www.donboscomission.de/volontariat/2025/spenden/christine
Vielen Dank!
P.S.: Kommentiert auch gerne!
Gladys
Der Harmattan (Trockenwind) hat ordentlich zugeschlagen. Oder warum sonst sind meine Augen gerade so am Tränen? 🥹 Maus, du weißt gar nicht wie dankbar ich dafür bin, dass wir diese Erfahrungen hier zusammen machen dürfen! Außerdem lerne ich nicht nur viel von den Kindern, sondern auch echt viel von dir – du bist wirklich ein Cadeau-ehhh cadeau-eeeeh und unsere stundenlangen deeptalks helfen mir hier à l‘aise zu bleiben! Ich bin echt gespannt, welche Insider uns über das Jahr hinweg noch begleiten werden. Naja, wichtig ist nur, dass dass Herr dabei stets mit unserem Munde sei! 🙂↕️
Christine Gnan
Wie ich heute schon Laurin mitteilen durfte: Mitfreiwillige 11/10! Daran, dass meine Tränen nicht von einem „jiiiii“ begleitet werden, weiß man, dass es Freudentränen sind.
En tout cas: Unsre Freundschaft ist so wunderbar, unsre Freundschaft ist so wunderbar, unsre Freundschaft ist so wunderbar, so wunderbar groß!
Merci, Seigneur, pour tous nos bienfaits! Nous te prions pour la santé (et la maladie).
Mit Blick auf die Zukunft: ElleS seront très tristes de ne plus vivre ensemble! Doont ju sink so tu?