Schon wieder sind zwei Wochen vergangen seit meinem letzten Blogeintrag und man fragt sich, wo die Zeit geblieben ist. Diese verfliegt wortwörtlich. Ein Anhaltspunkt dafür ist, dass ich morgen das erste Mal mein Visum verlängern muss, welches zum 2. Dezember ausläuft. Das heißt, dass die ersten drei Monate schon fast vorbei sind, oder anders gesagt ein Viertel meines Aufenthaltes. Für die Mathematiker: 25%.
Die Balance zu finden, zwischen Autorität und Freund, ist bei weitem gar nicht so leicht. Was ich besonders in letzter Zeit, wo ich doch den Chef vertreten soll (zumindest ein bisschen), häufiger feststellen musste. Dienstag beispielsweise, habe ich alleine mit den Kindern im Foyer geschlafen, diese dann morgens geweckt und bei den morgendlichen Aufräumarbeiten „bewacht“. Was einfacher klingt als es ist, denn: es gibt immer wieder Konflikte zwischen den Kindern.
Diese versuchen die Konflikte nicht verbal zu lösen, sondern so, wie man sich auf der Straße behauptet: mit Gewalt. Ich predige mittlerweile jeden Tag, dass sie, wenn sie ein Problem haben, doch bitte einen Erzieher herbeiholen sollen, der dann interveniert. Bisher leider noch mit mäßigem Erfolg. Für mich hat sich mittlerweile das Hauptziel herauskristallisiert, zu versuchen, den Kindern irgendwie zu vermitteln, dass sie ihre Probleme nicht mit Gewalt lösen können.
Wie erkläre ich einem Jungen, dass man zu den Dingen die man gemacht hat, stehen muss?
Jane, 14 Jahre, Sonntagabend.
Normalerweise sollten die Kinder um Erlaubnis fragen wenn sie das Projekt verlassen. – der Sinn? Wir wissen wo das Kind ist, machen aus wann es wiederkommen soll und falls etwas passiert, können wir etwas unternehmen. Wenn das Kind hingegen ohne Bescheid zu geben ausreißt, dann ist das problematisch. Ich denke das kennen die meisten Eltern von ihren Kindern. Jane kommt also spät abends zurück. Wir sprechen ihn natürlich sofort darauf an, da wir uns Sorgen gemacht haben und ihm klarmachen müssen, dass ein solches Verhalten nicht in Ordnung ist. Jane spricht nicht mit uns. Ich glaube er schämt sich dafür, dass wir ihn ertappt haben. Samuel und ich – die anderen sind schon längst im Bett – sitzen also mit Jane draußen und „verhören“ ihn. Da er nicht antwortet, stellen wir ihm unsere Fragen, geben ihm Stift und Blatt und lassen uns seine Antworten aufschreiben. Auf die Frage, wieso er nicht um Erlaubnis gefragt hat, schreibt er: „Wenn man um Erlaubnis fragt, wird es nicht genehmigt.“ Meine Frage darauf: „Hast du es schon versucht?“ Er schüttelt den Kopf. Wir einigen uns darauf, dass er das nächste Mal nach der Erlaubnis fragt, er unterschreibt, damit wir es schriftlich haben, er isst und geht dann schlafen.
Ich habe auch viel Mist gebaut, aber ich stand immer dazu. Ich denke Ehrlichkeit ist eine der wichtigsten Eigenschaften im Leben, das möchte ich den Kindern unbedingt vermitteln. Man ertappt sie so oft bei Kleinigkeiten im Alltag, wo sie die Schuld von sich weisen oder versuchen, einen übers Ohr zu hauen, jedoch sind wir ja auch nicht auf den Kopf gefallen. Meistens frage ich sie, wieso sie mir nicht gleich die Wahrheit sagen. Darauf schweigen sie nur. Ich glaube sie haben Angst vor einer Strafe wenn sie die Wahrheit sagen und wollen diese umgehen. Dabei finde ich es schlimmer, wenn man versucht zu lügen um einer Strafe zu entkommen, als wenn man ehrlich ist und zugibt was man getan hat.
Ehrlichkeit währt am längsten!
In diesem Sinne, schöne Woche!
P.S.: Wenn man mich vor meiner Abreise gefragt hat, was ich vermissen würde, konnte ich nur spekulieren. Mittlerweile weiß ich, dass es die gewöhnlichen Sicherheiten sind, die einem Fehlen. Die Freunde und die Familie.
Wenn man aber in ein Land reist, wo einem alles fremd ist, dann sind genau das die Dinge, die einem Fehlen. Und egal wie sehr man darauf vorbereitet wird, es fehlt einfach. Jedoch genieße ich jeden Tag den ich hier sein kann, denn ich weiß, wofür ich morgens aufstehe.
Theresia Jonas
Wie immer ein super Bericht und ich kann sehr gut nachempfinden wie Du dich fühlt…, vier Jahre Amerika ohne die ganz große Familie dabei zu haben, war auch oft schwer! Sei umarmt und halte durch:-)
Ulrike Ibanda
Lieber Dominic,
du schreibst so einfühlsam…das gefällt mir ausgesprochen gut !
Hab Geduld mit deinen Kindern…sie müssen das neue Vertrauen erst kennen lernen.
Hab dich lieb…!
Ulrike
Nicole
Hi Dominic,
ihre Konflikte verbal zu lösen und Ehrlich zu sein ist sicher die größte Lernherausforderung für Deine Kinder.
Auf den Straßen sind die Kinder der Gewalt und der Unehrlichkeit von anderen Kindern und Erwachsenen ausgeliefert. Je länger die Kinder auf der Straße gelebt haben, desto prägender ist dies für sie.
Mit Hartnäckigkeit und Geduld kannst Du diese Nuss sicher bei einigen knacken. Du bist ein ehrlicher und offener Mensch. Du brauchst es ihnen nur vorleben und den Kindern natürlich auch durch Zuwendung zeigen, das sich Gewaltfreiheit und Ehrlichkeit auch lohnt.
Wir vermissen Dich übrigens auch, nur noch 75% Dominic lehre Zone 😉
Nicole
Hi Dominic,
was macht der Kicker? Ist er in Arbeit?
Hast Du denn genug zusammen bekommen? Ein wenig Unterstützung habe ich Dir gerade auch auf den Weg gebracht. Das klappt hoffentlich noch vor Weihnachten.
Und was macht Deine Bande? Alle gesund und munter?
Keine außergewöhnlichen Ereignisse?
Bist ja schon etwas schreibfaul 😉
Bis bald, Nicole