Sonntag, der 28.10.2012
Es ist 6:30 Uhr, mein Wecker klingelt. Der Tag zuvor war ziemlich anstrengend, ich kam erst sehr spät ins Bett. Jetzt aufstehen? Nein, ich stelle den Wecker auf 7:00 Uhr nach, muss ich mich halt ein bisschen beeilen mit Frühstück und Duschen. Um 7:00 Uhr geht er wieder. Ich gebe mir diesmal sechs Minuten und stelle ihn auf 7:06 Uhr. Jede Minute Schlaf kann für den Tag wichtig sein – was für eine Vorahnung. In Deutschland wurde diese Nacht die Uhr um eine Stunde zurückgestellt, ihr seid mir noch eine Stunde voraus, der erste Schnee ist in der Woche runtergekommen. Der Wecker klingelt ein drittes Mal, jetzt aber raus! Im Turbomodus unter die Dusche, danach schnell meinen afrikanischen Anzug für die Messe anziehen. Es ist 7:15 Uhr, ich gehe hoch in die Kommunität um zu frühstücken. Es ist Stromausfall, ich kann mir keinen Tee machen. Schnell ein paar Brote reingehauen, ein Glas Wasser hinterher. Es ist 7:30 Uhr, ich gehe zurück in mein Zimmer um mir die Zähne putzen. Noch ein paar Minuten auf mein Bett gelegt, um pünktlich um 7:45 Uhr zum Foyer zu fahren, wo ich gegen 8:00 Uhr eintreffe. Die Kinder erwarten mich bereits alle, 34 an der Zahl. In Deutschland schlafen alle meine Freunde noch. Das „Beladen“ der Kinder dauert ca. zehn Minuten. Wir sitzen zu fünft vorne in der Kabine, die anderen 30 Kinder sitzen auf der relativ kleinen Ladenfläche des Pickups – wobei von sitzen wohl nicht mehr die Rede sein kann. Ich glaube so fühlen sich Hühner in Massenhaltung, sollte man verbieten. Jetzt geht es endlich los zur Kirche. Um 8:30 Uhr beginnt die Messe. Meine Freunde in Deutschland schlafen immer noch, höchstens Robin könnte schon wach sein. Gegen 10:30 Uhr ist sie zu Ende, Père Francesc hat mal wieder Fußball in die Messe reingebracht, wie immer. Wir verstehen uns übrigens super, die anderen Pères halten uns für fußballkrank! Samuel, ein Erzieher, kommt zu mir und sagt mir, dass eines der Kinder, Essobola, krank ist. Es fühlt sich ganz schwach, hat Kopfschmerzen und Fieber. Okay, sage ich, fahren wir direkt zurück zum Foyer. Normalerweise tauscht man sich nach der Messe immer noch aus, es sind ja quasi alle da, die man so kennt. Auf dem Weg zum Foyer, Essobola sitzt mit vorne bei mir, übergibt er sich, und an Quantität seines Mageninhaltes hat es wirklich nicht gemangelt. Leider kriege ich auch eine ganze Menge davon ab. Ich halte rechts an der Straße an, bin kurz überfordert. Dann fahre ich aber weiter Richtung Foyer. Dort angekommen, springe ich kurz unter die Dusche, während einige der Kinder die Kabine von dem Erbrochenen reinigen. Zum Glück habe ich noch Wechselklamotten im Foyer. Auf geht’s ins Krankenhaus. Samuel begleitet mich. Nach 5 Minuten Fahrt sind wir angekommen. (Kara ist wirklich nicht groß) Man würde hier kein Krankenhaus vermuten. Eigentlich assoziiert man mit einem Krankenhaus eine sterile, saubere und relativ moderne Einrichtung, doch dies ist wieder einer dieser Momente, wo ich den krassen Gegensatz zwischen Deutschland und Togo zu spüren bekomme. Wir kommen auf einem Gelände an, wo ein kleines Haus steht, was die Notaufnahme darstellen soll. Diese ist alles andere als steril. Nachdem alle Formalitäten abgewickelt sind, und man schon mal 2000 Francs dafür bezahlt hat, dass… ja wofür eigentlich, ich hab keine Ahnung, wird Essobola dann eigentlich ziemlich schnell behandelt. Ich habe Samuel meine 5000 Francs, welche ich noch in der Tasche habe, also knapp 8 Euro, gegeben womit er alles bezahlt. Ohne Geld geht übrigens gar nichts. Es sind so Kleinigkeiten, wie beispielsweise ein Thermometer, welches wir dem Krankenhaus abkaufen müssen, um es benutzen zu können. Ganz schön bizarr. Essobola soll die Nacht hier bleiben. Er bekommt ein Bett in einem Zimmer, in welchem zwölf Betten stehen. Die 5000 Francs sind aufgebraucht. Ich fahre in die Kommunität um Geld zu holen. Es ist mittlerweile 12:30 Uhr, ich denke die meisten meiner Freunde sind mittlerweile wach und kurieren ihren Kater vom feiern aus oder was weiß ich. Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen, um kurz zu Essen – wer weiß, wie lange ich gleich noch im Krankenhaus hänge? Also schnell gegessen, wieder zurück ins Krankenhaus. Um ca. 13:30 bin ich wieder im Krankenhaus. Eigentlich hatte ich für den Nachmittag ein Fußballtraining mit den Jungs aus dem Foyer geplant. Es sollte von 15:00 Uhr bis 16:30 Uhr gehen. Zum Glück wissen die Kinder nichts davon, da es eine Überraschung werden sollte. Dementsprechend gibt es auch keine enttäuschten Gesichter. Ich spare es mir für einen anderen Sonntag auf. Samuel ist nicht mehr im Krankenhaus, er ist im Foyer. Marcel, eines der älteren Kinder aus dem Foyer, ist bei Essobola und leistet ihm Gesellschaft. Essobola hängt mittlerweile an einem Tropf und kriegt irgendwas gegen die Malaria. Ich rufe Samuel an und frage ihn, ob er was zu Trinken und Essen mitbringen kann für den Kleinen. Er ist übrigens 7 Jahre alt. Nach gut einer halben Stunde ist er endlich da. Gegen 16:30 Uhr fahren Samuel und ich wieder zurück ins Foyer, dort war mit Robert nur ein Erzieher vor Ort. Marcel leistet Essobola weiterhin Gesellschaft. Die Mutter von Essobola wurde von uns informiert und sie wird Marcel ablösen, um die Nacht im Krankenhaus bei ihrem Sohn zu verbringen. Im Foyer angekommen, rutsche ich sofort in eine neue Szene. Die Kinder spielen alle Fußball, ich kicke ein bisschen mit. Nach knapp zehn Minuten kommt Samuel zu mir um mir mitzuteilen, dass Papa, ein Kind aus dem Foyer, sich übergeben hat. Na super. Deja vu?! Auch er hat Fieber, jedoch ist es nicht so stark, wie es bei Essobola war. Ich gebe ihm und auch 3 weiteren Kindern welche über Kopfschmerzen klagen und erhöhte Temperatur haben, eine Tablette gegen die Malaria, eine Paracetamol gegen das Fieber. Fieber und Kopfschmerzen sind hier die typischen Symptome für Malaria. Wenn man sich dann noch übergibt, dann kann man sich dessen eigentlich sicher sein. Um 17:30 Uhr duschen sich die Kinder, Spielzeit ist vorbei. Um 18 Uhr beginnt die „Etude“, also lernen in den einzelnen Klassen. Diese geht bis 19:30 Uhr. Es regnet mittlerweile in Strömen, ein Gewitter macht sich breit. Ich soll 3 Mädchen, welche irgendwas bei uns im Foyer abgeholt haben, Richtung Kirche fahren. Da diese nicht weit entfernt von der Kommunität ist, fahre ich auf dem Rückweg wieder mal kurz vorbei, um zu Essen. Jetzt noch die Zähne putzen und wieder zurück ins Foyer. Ich bin schon müde und leicht genervt. „Mit Siesta war wohl nichts“, denke ich mir auf dem Weg ins Foyer. Es ist 19:00 Uhr, ich befinde mich mit dem Wagen vor dem Tor des Foyers, hupe zwei Mal, wie in einem schlechten Mafiafilm. Ein Kind öffnet das Tor und ich kann reinfahren. Ich gehe in jeden einzelnen Klassenraum und frage jedes einzelne Kind wie es ihm geht und fühle die Temperatur der Kinder. Die restlichen zehn Minuten der „Etude“ sitze ich in einer Klasse und unterhalte mich mit den Kindern, welche mir sagen, dass ihnen kalt ist. Dann kommen wir auf das Thema „Wetter in Deutschland“. Wir vergleichen die kältesten Monate. Hier ist es der August, sagen sie mir. Bei uns in Deutschland, erzähle ich ihnen, ist es der Januar. Dann sagt einer, dass man doch morgens sofort friert, wenn man wach wird. Ich erkläre ihm, dass es bei uns nicht so ist wie hier, wo die Fenster quasi immer geöffnet sind, und praktisch kein Raum geschlossen ist. Ich erkläre ihnen, was eine Heizung ist und dass wir deswegen morgens nicht in eisiger Kälte aufstehen müssen. Nun erzähle ich den Kindern, dass es in Deutschland diese Woche geschneit hat. Die darauffolgende Frage der Kinder: „Fahrt ihr dann mit einem Schneemobil herum?“ Sie haben es mal in einem Film gesehen. Ich erkläre ihm wie in Deutschland die Straßen befreit werden und dass das dafür gar nicht genug Schnee ist. Am Nordpol, sage ich, dort fahren die bestimmt mit Schneemobilen herum. Eine Glocke bimmelt, die „Etude“ ist vorbei. Jetzt gibt es Essen. Ich lasse mir nur eine kleine Portion geben, immerhin habe ich ja schon gegessen. Gegessen wird hier natürlich mit der Hand. Das ist in der Kommunität anders, dort lebe ich europäisch. Aber hier im Foyer, hier essen wir mit der Hand. Nach dem Essen gibt es noch das „Wort zum Abend“, wo noch einmal der Tag reflektiert wird: was war schlecht? Was war gut? Wer was zu sagen hat, kann es sagen. Mittlerweile trifft auch Marcel wieder ein. Er ist durch den strömenden Regen zum Foyer gelaufen. Normalerweise ist dann im Hof Sonntagabends immer noch Party, also laute Musik, die Kinder tanzen. Heute ist das nicht der Fall, der Regen macht uns einen Strich durch die Rechnung. Irgendwie kommt mir das aber auch ganz Recht. Samuel, welcher selber seit morgens arbeitet, schickt die Kinder, welche sichtlich müde sind, ins Bett. Jetzt geht es endlich in die Koje. Müde und erschöpft, froh endlich im Bett zu sein, schlafe ich gemütlich ein, um morgen früh um 5:00 Uhr aufzustehen und die Kinder zu wecken. Dann kann ich aber auch meinen freien Tag umso mehr genießen. Gute Nacht!