Charli in Bolivien

Ein Jahr mal anders

Evo Morales und ein mögliches zweites Venezuela

Habt ihr schon mal etwas von Bolivien in den Nachrichten gehört? – Nein?

Leider scheint meine zweite Heimat zu unwichtig für das Weltgeschehen zu sein. Dabei passiert hier politisch gerade sehr viel!
Deswegen war ich etwas journalistisch unterwegs und habe Daten und Faken gesammelt, mich unterhalten, diskutiert und mich echauffiert. Hier die Ergebnisse: (An dieser Stelle möchte ich darum bitten, Nachsicht zu haben. Akutell geschieht hier so viel, dass ich dem mit einem Blogeintrag nicht gerecht werden kann. Ich habe mich auch das Wesentliche beschränkt. Danke!)

 

 

Präsident Evo Morales

Juan Evo Morales Ayma ist seit dem 22. Januar 2006 Präsident Boliviens und repräsentiert als erster indigener Amtsinhaber besonders den ärmeren Teil der Bevölkerung.
Zu Beginn seiner Regierungszeit hat er viel für die Gleichberechtigung zwischen seinen Landsleuten getan. Er hat sich in besonderer Weise für bessere Arbeitsbedingungen und Rechte der Bergarbeiter eingesetzt und sich bemüht, die schwache Wirtschaft des Landes zu stärken.

 

Der Präsident in seinem „falling satet“

Mittlerweile scheint ihm aber die Macht zu Kopf gestiegen zu sein. Er wird vom Volk der Veruntreuung von Staatsgeldern beschuldigt, scheint (wie viele einflussreiche Personen dieses Landes) korrupt zu sein und dazu noch den Drogenhandel zu unterstützen. Dementsprechend kommt beim Bürger selbst nur noch wenig Geld an.
Außerdem nutzt er seine Macht, um Stück für Stück eine sozialistische Diktatur zu errichten. Morales untergräbt nach und nach verschiedene Rechte und Freiheiten der Demokratie und macht aus Bolivien einen „falling state“ (eine Demokratie auf dem Weg zur Diktatur).
Ich weiß, diese Behauptung ist schon weit gegriffen. Aber wer alle Ersparnisse und die Renteneinzahlung seine Landsleute verstaatlichen will (das Vorhaben soll Ende dieses Jahres abgeschlossen sein), Oppositionelle durch Drohungen und Gefängnisstrafen zum Schweigen bringt und nichts gegen die anrollende Inflation unternimmt, der hat auch noch mehr im Sinn.

 

Ist eine dritte Amtszeit möglich?

In Bolivien darf ein Kandidat insgesamt nur zwei Amtszeiten (jeweils fünf Jahre) regieren. Evo Morales allerdings möchte die Macht nicht abgeben und dieses Gesetzt abschaffen, um die Möglichkeit zu haben, zeitlich unbegrenzt seine Position zu halten.
Dazu muss aber das Volk mehrheitlich „ja“ sagen. Dementsprechend fand am 21. Februar des Vorjahres eine Wahl zu eben dieser Frage statt und einer dritten Amtszeit wurde mehrheitlich widersprochen.
Ende des Jahres 2017 wurde dann die Judikative gewählt. Einziges Problem war, dass nur Unterstützer des Präsidenten zur Wahl standen. Was für eine „Wahl“!
Über die Hälfte der wahlberechtigen Bevölkerung hat zum Ausdruck ihres Unmuts „voto nulo“ gemacht (den Wahlschein ungültig machen). So ist die jetzige gesetzgebende Kraft nur von weniger als 20% des Volkes gewählt.

In den Straßen sieht man es oft: An die Hauswände sind Parolen gegen, aber uach für Evo gesprayt.
Hier wird zum Entwerten seines Wahlscheins für die Wahl im Dezember aufgerufen

 

Bolivien erhebt sich

Diese Geschehnisse wurden von zahlreichen Demos und Streiks begleitet. Oppositionelle Kundgebungen sind von der Polizei mit allen Mitteln aufgelöst worden, nur gegen landesweite Streiks kann die Regierung die Polizei nicht aussenden.
Also ist in allen wichtigen Städten Boliviens mehrmals die Arbeit niedergelegt worden, zuletzt sogar landesweit. Und das in einem Land, in dem es normal ist, dass jeder zwei Jobs hat und sechs Tage die Woche hart für sein Einkommen arbeitet.
Trotzdem muss ich aber auch sagen, dass Morales durchaus noch starke Unterstützer hat. Das ist vor allem der Teil der Bevölkerung, der von seiner Politik profitiert. Dieser Sektor ist einheitlich der gleichen Ansicht und hat deswegen politische eine laute Stimme.
Auf der oppositionellen Seite sprechen sich zwar alle einheitlich gegen den Präsidenten aus, decken sich aber nicht immer in ihren Forderungen und Ideen für das Land.

 

Wie kann ein zweites Venezuela verhindert werden?

Von Venezuela hat mittlerweile jeder in Europa gehört. Dort ist exakt das passiert, was gerade hier in Bolivien und auch im großen Nachbarland Brasilien im Gange ist.
Mittlerweile fliehen viele Venezuelaner vor den Verhältnissen, die in ihrem Land herrschen. Wenn nicht sterben viele an Hunger oder Krankheiten.
Doch an welchen Stellschrauben muss jetzt in Bolivien gedreht werden, um das Land zu retten?
Das Volk ist auf einem guten Weg. Es erhebt sich fast einheitlich gegen die Ungerechtigkeit. Jetzt aber muss die Politik nachkommen. Auf jeden Fall muss der ganze Regierungsapparat demokratisch neu gewählt werden, die Opposition muss wieder auf die Beine kommen und vernünftige Präsidentschaftskandidaten stellen.
Das wären wichtige erste Schritte, die gegangen werden müssen. Sonst wird es in naher Zukunft zu Revolten kommen, die viele Opfer fordern werden.

 

Ich wünsche Bolivien das Beste auf diesem schweren Weg!

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Fünf Minuten unserer Jungs

  1. Erika Stockbridge

    Ja in den englischen Nachrichten hört man mehr als in den deutschen. Aber wenn man nicht direkt betroffen ist, vergisst man auch so vieles wieder.
    Unser Sohn ist gerade aus NIcaragua zurückgekommen und dort waren vor zwei Wochen auch Unruhen, wegen zu hohen Sozialabgaben. Er sagt, es würde er Wirtschaft sehr schaden (wegen Auslandsinvestitionen) und hofft, dass sich die Proteste nicht ausweiten.
    Von deiner Mutter habe ich gehört, dass ihr eine sehr schöne und interessante Zeit hattet. Erika mit lieben Grüßen

  2. Johannes Herschel

    Hallo Charli,
    vielen lieben Dank für das Teilen deiner Einblicke. Es ist schon tragisch, wie eine anfangs sehr gute Sache schließlich durch Macht und Geld so tiefgreifend korrumpiert wird. Die Revolution frisst wieder mal ihre Kinder! Gut, dass und wie die Bolivianer sich gegen die Abschaffung der Demokratie wehren. Sie haben ja schließlich auch den „Wasserkrieg“ durchgestanden und gewonnen…
    Ich wünsche euch noch ein schönes und erfüllendes drittel Jahr. 😀

  3. Vielen Dank für den guten Bericht. Ich war bereits mehrmals in Bolivien und kenne die Problematik, allerdings spitzt es sich die letzten drei Jahre immer mehr zu. Viele bolivianische Freund*innen von mir haben auch schlimme Befürchtungen wie es weiter geht.

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