Silvester kam mir der Gedanke: Du hast mehr Zeit des letzten Jahres in Sambia verbracht als in Deutschland…
…Vor einigen Tagen fragte mich eine Freundin, ob mir bewusst sei, dass ich schon seit 5 Monaten wieder in Deutschland bin. Je länger ich überlege, desto weniger kann ich diese Frage beantworten.
Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich schon ewig wieder hier. Mittlerweile wohne ich in Münster, studiere hier, habe viele neue Leute kennengelernt, Freundschaften geknüpft.
Andererseits hänge ich oft noch halb in Sambia. Ich gucke mir Fotos an, vermisse die Leute, die Zeit, ich merke, dass ich zurück möchte, dass mir etwas fehlt, wie vertraut mir viele sambische Gegebenheiten sind und ich könnte stundenlang von meinem Jahr erzählen. Momente, in denen mich mein Leben des vergangenen Jahres einholt gibt es oft. Öfter als es mir wahrscheinlich gut tut wünsche ich mir zurück zu fliegen.
Auch, wenn der deutsche Alltag mich oft mehr im Griff hat, als es mir eigentlich lieb ist und mich einige Sachen, welche in Deutschland völlig normal sind (wie zum Beispiel die ständige Erreichbarkeit mit dem Smartphone) schnell wieder erfasst haben, so merke ich doch, dass etwas fehlt, dass ich mich verändert habe.
Eine Freundin von mir sagte mir, dass ich zwar irgendwie noch die Selbe bin, doch dass man mir anmerkt, dass ich in vielen Dingen gelassener reagiere und Glücksmomente mehr genießen kann.
In Deutschland wird mir immer wieder bewusst, wie wenig wir die Zeit genießen. Wir haben alles, streben trotzdem nach noch mehr, sind immer im Stress und dass ich in Deutschland selten so glückliche Kinder wie in Sambia gesehen habe, sagt eigentlich viel aus.
Wenn ich von meinem Jahr in Sambia erzähle, von der Einfachheit vieler Dinge, reagieren viele mit Erstaunen und Ungläubigkeit. Kaum einer begreift, dass es zwar nicht immer leicht war, ich aber insgesamt so viele positive Erfahrungen gemacht habe, eine tolle Zeit hatte und unglaublich dankbar bin, für das Jahr, dass ich dort verbringen durfte.
Auf einem Vorbereitungsseminar sagte ein ehemaliger Freiwilliger, dass es schwieriger sei, sich wieder in Deutschland einzugewöhnen, als in ein fremdes Land zu gehen. Auch, wenn ich das schon in meinem letzten Blogeintrag geschrieben habe, wird mir jetzt erst richtig bewusst was das heißt. Mein letzter Eintrag ist ja schon Monate her, zu diesem Zeitpunkt dachte ich wahrscheinlich, dass dieses Gefühl zwar eine Zeit anhalten würde, doch mir war nicht bewusst wie es wirklich ist, – nämlich dass es bleiben wird.
Wenn ich mit anderen ehemaligen Freiwilligen spreche, wird oft deutlich, dass wir in vielen Dingen das gleiche fühlen, das gleiche denken und dass uns oft gemeinsam ist, dass wir zurück möchten, in ein Land in dem das Leben nicht ganz einfach ist, auf eine andere Art und Weise aber auch einfacher als hier.
Ich würde mir wünschen, dass mehr Leute die Chance hätten so eine Erfahrung zu machen, zu merken, dass das Glück nicht darin besteht alles unter Kontrolle zu haben, einem strikten Tagesplan hinterher zu hetzen, Besitz anzuhäufen und wie oft wir Beziehungen nur oberflächlich führen.
In Sambia habe ich gelernt, wie oft es nur um ein Lächeln geht, wie sehr man kleine Momente des Glücks genießen muss und wie glücklich Kleinigkeiten wirklich machen. Ich hoffe, dass ich dieses Gefühl behalten werde!
Auch wenn klar ist, dass mein Leben hier weiter gehen muss und es das natürlich auch tut, heißt das nicht, dass ich Sambia, meine Freunde und die Zeit die ich dort verbracht habe vergesse. Im Gegenteil. Ich weiß, dass mir diese Erinnerungen und die Erfahrungen die ich gemacht habe keiner nehmen kann und ich bin zutiefst dankbar, dass ich die Chance hatte so viel zu lernen und vielen Dingen jetzt mit einer anderen Einstellung gegenüber zu stehen.
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anne bruckert
Liebe Cathi,
danke, dass du uns weiter auf dem laufenden hälst, wie es dir (mit deinen „neuen“ Erfahrungen) geht.
Hin- und hergerissen zu sein, ob etwas „schon lange her“ ist oder „gerade erst vorbei“, kenne ich auch aus anderen Lebenssituationen (z.B. Kinder zu haben).
Das Fernweh, nach dem „einfacheren“ aber doch auch „schwierigeren“ Leben kann ich gut nachvollziehen. Ich denke der Schlüssel das zu Verstehen liegt tatsächlich in dem Lächeln, den glücklich strahlenden Kindern, in der anderen Qualität der menschlichen Beziehungen. Ich hoffe auch, dass du diese Erfahrungen in deinem Leben „weiterleben“ kannst und wirst.
Danke für Deinen Bericht.
Mama
Monika Lipperheide
Liebe Cathi,
ich war angenehm überrascht, hier wieder einen „Blog“ von dir zu finden.
Danke dafür. Ich kann deine Gefühle, deine Gedanken besonders heute Abend so gut verstehen. Opa und ich hatten heute Besuch von einem bekannten Ehepaar mit der Mutter der Frau – einer Nepalesin.
(Das Ehepaar war auch Gast bei unserer Goldhochzeit – vielleicht erinnerst du dich). Die Mutter ist seit dem 24. Dezember hier und wird am 28. Februar in Begleitung ihrer Tochter nach Nepal zurückfliegen – sie ist 83 Jahr alt.
Wir haben Bilder aus Nepal angeschaut und obwohl wir uns verbal nur über ihre Tochter mit verständigen konnten, war die menschliche Begegnung sehr intensiv: (das Lächeln – der Ausdruck in den Augen – und beim Abschied auch die spontane Umarmung) – das ist es, was im Leben zählt.
Wir wünschen dir, dass deine Erfahrungen in Sambia dich weitertragen.
Danke für den Bericht.
Bis bald
Oma und Opa
Johanes
Wunderschöne Gedanken. Teile so einer Erfahrung ist es wohl immer in zwei Welten zu sein.